Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3; Feststellung einer Fehlmenge i. S. des § 18 MinöStG
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3, § 116; MinöStG § 18
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bezog aus den Niederlanden unversteuertes Gasöl, das mit begleitendem Verwaltungsdokument vom ... Dezember 1998 in das innergemeinschaftliche Steuerversandverfahren übergeführt worden war. Das Gasöl, dessen Menge in dem begleitenden Verwaltungsdokument mit 2 348 219 Liter (bei 15 Grad Celsius) angegeben war, sollte im Auftrag der Klägerin mit einem Tankschiff in ihr Steuerlager befördert werden.
Ein Teil der Schiffsladung wurde in das Steuerlager der Klägerin in A aufgenommen. Eine Vermessung des Landtanks vor und nach dem Löschen ergab einen Zugang von 408 639 Liter (bei 15 Grad Celsius). In das begleitende Verwaltungsdokument wurde eine verbliebene Menge von 1 939 580 Liter (bei 15 Grad Celsius) eingetragen. Diese sollte in das Steuerlager der Klägerin in B aufgenommen werden. Dort wurde der Zugang im Landtank während des Löschens der Ladung über einen Ovalradzähler mit 1 926 945 Liter (bei 15 Grad Celsius) ermittelt. In das begleitende Verwaltungsdokument wurde eine Fehlmenge von 12 635 Liter (bei 15 Grad Celsius) eingetragen.
Das Hauptzollamt X, dessen Zuständigkeit zwischenzeitlich auf den Beklagten und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) übergegangen ist, berücksichtigte eine von der Klägerin geltend gemachte Messabweichung des Ovalradzählers von -0,12 % sowie einen Transportschwund von 0,2 % und ermittelte eine verbleibende Fehlmenge von 5 627 Liter. Dementsprechend setzte es gegen die Klägerin mit Steuerbescheid vom ... DM Mineralölsteuer fest.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG). Das FG wies die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Steuer sei nach § 18 Abs. 1 Satz 3 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) vom (BGBl I, 2185) entstanden, weil die Fehlmenge von 12 635 Liter Gasöl nicht in das Steuerlager der Klägerin aufgenommen worden sei. Anders als die Klägerin meine, sei es nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich, bei der Feststellung von Fehlmengen neben dem Untergang oder dem Schwund allgemein auftretende Messabweichungen zu berücksichtigen. Hiergegen spreche, dass sich Messungenauigkeiten nicht nur mindernd auswirken könnten. Das Hauptzollamt X habe einen natürlichen Schwund mit 0,2 % mindernd berücksichtigt, wie dies die auf Erfahrungswerten beruhende Dienstvorschrift des Bundesministeriums der Finanzen in der Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung (VSF V 03 45 - 2 Abs. 6 und 7) vorsehe. Darüber hinaus sei der Nachweis möglich, dass es bei einer konkreten Messung zu Fehlern gekommen sei, welche die festgestellte Fehlmenge verursacht hätten. Ein derartiger Messfehler bei der Aufnahme des Gasöls in das Steuerlager der Klägerin in B sei jedoch berücksichtigt worden. Weitere konkrete Messfehler im Verlauf des Steueraussetzungsverfahrens habe die Klägerin nicht geltend gemacht und seien auch nicht ersichtlich.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Sie trägt vor, die Fortbildung des Rechts erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Die Rechtssache habe deshalb auch grundsätzliche Bedeutung. Die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich jedenfalls daraus, dass das FG bei der Auslegung des § 18 MinöStG gravierende Fehler von erheblichem Gewicht begangen habe, die geeignet seien, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen. Die Auslegung des § 18 Abs. 1 MinöStG durch das FG, wonach allgemein auftretende Messabweichungen nicht zu berücksichtigen seien, sei zumindest zweifelhaft. Die zentrale Frage des Streitfalls sei, wann eine Fehlmenge als festgestellt gelte. Die Auffassung des FG, allein die Differenz zwischen festgestellter aufgenommener Menge und avisierter Menge sei Grundlage für die Besteuerung, sei unzutreffend, weil nach § 18 Abs. 1 MinöStG Unregelmäßigkeiten im Verkehr unter Steueraussetzung und nicht Messungenauigkeiten besteuert werden sollten. Die Vorentscheidung beruhe überdies auf einem Verfahrensmangel. Sie habe vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die in VSF V 03 45 - 2 Abs. 6 und 7 vorgesehene Toleranz von 0,2 % des Ladevolumens nicht ausreiche, Messungenauigkeiten vollständig zu erfassen. Hätte das FG ihren Beweisantrag nicht übergangen und die Richtigkeit des angewendeten Toleranzwertes aufgeklärt, wäre der Klage zumindest teilweise stattzugeben gewesen.
Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift ein Grund, der zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) führen könnte, nicht schlüssig dargelegt ist, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
1. Zur Darlegung des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) eines übergangenen Beweisantrags i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört insbesondere der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 222/94, BFH/NV 1995, 787; vom VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608; Senatsbeschluss vom VII B 40/01, BFH/NV 2002, 373, 376). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge.
Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Unterlassen der Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens durch ihren fachkundigen Prozessbevollmächtigten gerügt hat. Auch sind keine Gründe dafür erkennbar, dass die rechtzeitige Rüge des behaupteten Verfahrensfehlers auf Grund des Verhaltens des FG nicht möglich gewesen wäre. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom erhielt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Gelegenheit, seinen Klageantrag zu begründen. Dabei hat er seinen schriftsätzlich angekündigten Beweisantrag nicht ausdrücklich wiederholt. Der Vorsitzende des Senats des FG hat die mündliche Verhandlung alsdann geschlossen. Die Klägerin hat zu diesem Zeitpunkt die Aufmerksamkeit des Gerichts nicht auf ihren schriftsätzlich angekündigten Beweisantrag gelenkt oder das Übergehen gerügt. Auf die Rüge ist damit wirksam verzichtet worden.
2. Für die Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308; , BFH/NV 2002, 1311, 1312).
a) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin wendet sich in ihrer Beschwerdebegründung im Wesentlichen in der Art einer Revisionsbegründung gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung, indem sie die Auslegung des § 18 Abs. 1 MinöStG durch das FG als unzutreffend bezeichnet. Dies kann indessen nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 39/00, BFH/NV 2001, 610; vom IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).
Sofern dem Vorbringen der Klägerin konkrete Rechtsfragen zu entnehmen sein sollten, wären diese Fragen in einem Revisionsverfahren jedenfalls nicht klärungsbedürftig bzw. nicht klärungsfähig.
b) Die sinngemäß der Beschwerdebegründung zu entnehmende Rechtsfrage, ob allgemein auftretende Messungenauigkeiten bei der Aufnahme von unversteuertem Mineralöl in ein Steuerlager im Rahmen von § 18 Abs. 1 MinöStG zu berücksichtigen sind, wäre nicht klärungsfähig.
Da der BFH als Revisionsgericht grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), können Rechtsfragen, die sich nur stellen können, wenn von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 5/00, BFH/NV 2000, 1238, 1239; vom VIII B 30/01, BFH/NV 2002, 191). Nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, welche die Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen hat, trat ausschließlich bei dem Löschen des Gasöls in das Steuerlager der Klägerin in B ein Messfehler auf, den das Hauptzollamt X indes bei der Ermittlung der einer Besteuerung unterworfenen Fehlmenge mit dem von der Klägerin geltend gemachten Wert von - 0,12 % berücksichtigt hat. Das FG hat zudem festgestellt, dass weitere Messfehler im Verlauf des Steueraussetzungsverfahrens nicht aufgetreten sind. Der Senat könnte deshalb in Ermangelung dahin gehender Feststellungen des FG in einem Revisionsverfahren nicht dazu Stellung nehmen, ob weitere Messfehler zu berücksichtigen wären. Entsprechendes gilt bezüglich etwaiger allgemein auftretender Messungenauigkeiten. Insoweit hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, wie hoch solche Messungenauigkeiten gewöhnlich sind und ob sie sich insbesondere in jedem Fall zuungunsten des Steuerschuldners auswirken, ohne dass dem die Klägerin —wie dargelegt— mit einer schlüssig dargelegten Verfahrensrüge entgegengetreten wäre. Das FG hat im Gegenteil darauf hingewiesen, dass sich allgemein auftretende Messabweichungen nicht nur mindernd auswirken könnten.
c) Die von der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage, ”wann nämlich eine Fehlmenge als festgestellt gilt”, bedarf —selbst wenn sie in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich wäre— keiner weiteren Klärung. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine Fehlmenge der Unterschied zwischen dem Sollbestand, der sich rein rechnerisch durch Abziehen des Gesamtabgangs von dem Gesamtzugang ergibt, und dem vorgefundenen Istbestand ist (vgl. , BFHE 158, 190, 195; vom VII R 31/88, BFHE 162, 191, 193).
d) Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe bei der Auslegung des § 18 MinöStG gravierende Fehler von erheblichem Gewicht begangen, könnte dies allenfalls nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zu einer Zulassung der Revision führen. Hierzu hätte die Klägerin nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO u.a. substantiiert darlegen müssen, weshalb das angefochtene Urteil willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 214/01, BFH/NV 2002, 1606, 1607; , BFH/NV 2003, 177, 178).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin bezeichnet die Auslegung des § 18 Abs. 1 MinöStG durch das FG lediglich als ”zweifelhaft”. Gegen die Annahme, die Vorentscheidung sei willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar, spricht indessen, dass neben dem FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 11 K 43/89 Z (Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern —ZfZ— 1993, 361) mehrere Stimmen im Schrifttum (vgl. Kleiner, Die Mineralölsteuer nach der Harmonisierung: Stand und Ziele für die Weiterentwicklung, ZfZ 1995, 284, 288; Peters in Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, Rn. D 112) eine ähnliche Auffassung wie die Vorinstanz vertreten, nämlich dass eine Korrektur der Messergebnisse um hypothetische Werte bzw. eichrechtliche Toleranzen grundsätzlich nicht zulässig ist.
Fundstelle(n):
KAAAA-71000