BFH Urteil v. - VI R 39/02

Aufwendungen einer Berufskraftfahrerin für die Schulung zur Fahrlehrerin als WK

Gesetze: EStG §§ 9, 10, 12

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

Streitig ist, ob Aufwendungen für eine Umschulung Werbungskosten darstellen und damit ein Rücktrag des 1997 entstandenen Verlusts in das Streitjahr 1995 zulässig ist.

Die 1964 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war als Busfahrerin tätig. Ab Februar 1997 war sie arbeitslos und nahm —im Alter von 32 Jahren— in der Zeit von April bis Dezember 1997 an Lehrgängen zur Vorbereitung auf die Fahrlehrerprüfung der Klassen 2 und 3 an einer Fahrlehrer-Fachschule erfolgreich teil. In der Einkommensteuererklärung für 1997 machte sie (bei einem Bruttoarbeitslohn von 5 872 DM und Arbeitslosengeld von 13 441 DM) Aufwendungen für die Fahrlehrerausbildung in Höhe von insgesamt 34 278 DM als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Hierzu reichte die Klägerin zwei Bescheinigungen der Fahrschule A ein, in denen ihr bei Bestehen der Fahrlehrerprüfung eine Anstellung zugesagt bzw. in Aussicht gestellt wurde. Die Aufwendungen hatte die Klägerin zum Teil mit Hilfe von Darlehen bestritten. Ab Februar 1998 wurde sie bei der Fahrschule A als Fahrlehrerin angestellt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah die Schulungskosten als Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese nur mit dem Höchstbetrag von 2 400 DM als Sonderausgaben zum Abzug zu. Da die Einkommensteuer 1997 auf 0 DM festgesetzt wurde, beantragte die Klägerin, den 1997 entstandenen Verlust gemäß § 10d EStG nach 1995 zurückzutragen. Das FA lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte und damit ein rücktragsfähiger Verlust seien nicht anzuerkennen, weil die streitigen Aufwendungen nur Sonderausgaben darstellten.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) unter Hinweis auf die seinerzeitige ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab. Es führte aus, die Bildungsaufwendungen der Klägerin stellten keine Werbungskosten dar, weil die Lehrgänge nicht als Spezialisierung im erlernten Beruf anzusehen seien, sondern vielmehr zu einem Berufswechsel führten. Zwar bauten die Fahrlehrerlehrgänge auf ihrer Tätigkeit als Berufskraftfahrerin auf. Es sei aber nicht erkennbar, dass eine Fahrlehrertätigkeit als Spezialisierung auf dem Gebiet des Kraftfahrerberufs zu beurteilen sei; der pädagogische Aspekt der Unterrichtung gebe der Teilnahme am Straßenverkehr eine völlig andere Qualität.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Die von ihr aufgewandten Umschulungskosten seien als Werbungskosten zu beurteilen. Das FG berufe sich auf BFH-Entscheidungen, die bereits Jahre zurücklägen. Bei dieser Sachlage übersehe es, dass sich die Zeiten infolge der immensen Arbeitslosigkeit und der damit ausgelösten Umschulungsmaßnahmen geändert hätten. In der Regel fielen Berufsausbildungskosten deswegen an, weil der Arbeitnehmer in seinem alten Berufsbild entweder keine Zukunft sehe oder sich eigenständig aufgrund ergangener Kündigung anderweitig ausbilden lasse, um in einem ähnlichen Berufsbild zukünftig einen sicheren Arbeitsplatz zu finden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Ablehnungsbescheides das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerfestsetzung für 1995 dahin gehend zu ändern, dass ein am Schluss des Veranlagungszeitraums 1997 nicht ausgeglichener Verlust in Höhe von 28 006 DM gemäß § 10d Abs. 1 EStG berücksichtigt wird.

Das FA beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Es ist der Ansicht, die Revision sei unzulässig, weil eine ausreichende Begründung fehle. Die Klägerin hätte —zumindest in Form einer kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung— darlegen müssen, wie sie den Streitfall beurteilt wissen wolle.

1. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Ansicht des FA hat die Klägerin die Umstände hinreichend bestimmt bezeichnet, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das erstinstanzliche Urteil ergibt (vgl. § 120 Abs. 3 Nr. 2 a der FinanzgerichtsordnungFGO—). In der Revisionsbegründungsschrift hat sich die Klägerin mit den Gründen der Vorentscheidung —der Beurteilung der Umschulungskosten als Sonderausgaben— in ausreichendem Maße auseinander gesetzt. Es ist erkennbar, dass die Klägerin die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG für verletzt hält; die Angabe der Paragraphen war nicht erforderlich (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 58, m.w.N.).

2. Die Revision ist auch begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 1995 nach § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG abgelehnt; ein rücktragsfähiger Verlust ist dem Grunde nach anzuerkennen. Einer gesonderten Feststellung bedurfte es nicht (vgl. , BFHE 186, 379, BFH/NV 1998, 1582, unter 1.).

Aufwendungen für eine Umschulungsmaßnahme können, sofern sie beruflich veranlasst sind, Werbungskosten sein. Das gilt auch dann, wenn diese Bildungsmaßnahme eine neue Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die geänderte Rechtsprechung des Senats im Urteil vom VI R 120/01 (BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403) verwiesen.

Im Streitfall folgt aus den tatsächlichen Feststellungen des FG, dass die Umschulungskosten der Klägerin dem Grunde nach beruflich veranlasst sind. Denn es besteht ein hinreichend klarer Zusammenhang dieser Ausgaben mit späteren Einnahmen. Die Lehrgänge bereiteten konkret und berufsbezogen auf die Fahrlehrertätigkeit vor, welche die Klägerin auch alsbald nach erfolgreichem Abschluss ausübte. Da die Bildungsmaßnahmen auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet waren, sind hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen dem Grunde nach als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit abziehbar.

3. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Da das FG —aus seiner Sicht zu Recht— zu den einzelnen von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen keine Feststellungen getroffen hat, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang werden auch die Grundsätze des Urteils vom VI R 86/99 (BStBl II 2003, 749) zu beachten sein.

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Fundstelle(n):
OAAAA-70835