Keine Abzugsbeschränkung für Lager- und Ausstellungsräume von Außendienstmitarbeitern
Gesetze: EStG § 4 Abs. 5
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob beruflich veranlasste Aufwendungen der Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterliegen.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr 1996 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; er war als Verkaufsleiter eines Pharmaunternehmens für das gesamte Bundesgebiet zuständig. Bei seinem Arbeitgeber stand ihm kein Arbeitsplatz zur Verfügung.
Mit der Einkommensteuererklärung 1996 machten die Kläger Aufwendungen für beruflich genutzte Räume in Höhe von 20 035 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte hiervon lediglich 2 400 DM an. Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) lehnte die Berücksichtigung weiterer Aufwendungen unter Berufung auf die Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer und insbesondere auf die Mittelpunktregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG ab.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, das FG habe den Begriff des ”Betätigungsmittelpunkts” unzutreffend ausgelegt.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1996 vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom dahin gehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 17 635 DM berücksichtigt werden.
Das FA tritt der Revision entgegen.
II. Die Revision der Kläger ist begründet. Das vorinstanzliche Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Das FG hat in seinem Urteil keine hinreichenden Tatsachenfeststellungen zu den vom Kläger beruflich genutzten Räumen getroffen. Eine abschließende Prüfung der Frage, ob und in welchem Umfang die streitigen Aufwendungen unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG fallen, ist daher nicht möglich.
Aus der vorinstanzlichen Entscheidung geht nur hervor, dass der Kläger im Streitjahr ”ein häusliches Arbeitszimmer” genutzt haben soll und dass die insoweit geltend gemachten Aufwendungen 20 035 DM betragen. Der Einspruchsentscheidung des FA zufolge, auf die das FG nach § 105 Abs. 5 FGO Bezug genommen hat, handelt es sich hierbei jedoch um mehrere beruflich genutzte Räume, die vom FA als ”Büro und Ausstellungsräume” bezeichnet worden sind. Legt man die Unterlagen zugrunde, welche die Kläger für den Veranlagungszeitraum 1992 vorgelegt haben, so geht es im Streitfall möglicherweise um insgesamt vier Räume: einen Ausstellungsraum und einen Lagerraum im Keller sowie ein Büro im Erdgeschoss und ein weiteres Büro im ersten Obergeschoss. Allerdings kann das Revisionsgericht dieser Frage nicht weiter nachgehen.
Das vorinstanzliche Urteil beruht insoweit auf einem materiell-rechtlichen Fehler, der von Amts wegen zu beachten ist und auch ohne entsprechende Rüge zur Aufhebung führt (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Tz. 40, m.w.N.).
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Das FG wird zunächst prüfen müssen, ob und in welchem Umfang bzw. in welcher Weise die jeweiligen Räume tatsächlich beruflich genutzt werden konnten und genutzt worden sind; hierfür bietet sich eine Ortsbesichtigung an. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wird das FG dann zu beurteilen haben, ob die betreffenden Räume begrifflich/funktional unter die Abzugsbeschränkung fallen. Dabei wird das FG zu berücksichtigen haben, dass Lagerräume —und im Zweifel ebenso ein Ausstellungsraum— nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) begrifflich keine ”häuslichen Arbeitszimmer” sind (vgl. , BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; vom XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185; vom VI R 164/00, BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350; vom IV R 7/01, BFH/NV 2003, 695). Das Gleiche kann für einen Büroraum gelten, falls er einem nicht unwesentlichen Publikumsverkehr unterliegt (so , BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7, und vom IV R 71/00, BFH/NV 2003, 859, Der Betrieb —DB— 2003, 1089, unter b cc). Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die genannten Entscheidungen Bezug genommen.
b) Im Hinblick auf die Frage nach dem Betätigungsmittelpunkt wird das FG darüber hinaus die Ausführungen des Senats in den Urteilen vom VI R 82/01 (BFH/NV 2003, 688), VI R 104/01 (BFH/NV 2003, 691) und VI R 28/02 (BFH/NV 2003, 693) zu berücksichtigen haben. Der Ansicht des FG, dass die Mittelpunktregelung regelmäßig nicht auf Arbeitnehmer angewendet werden kann, ist der Senat dort nicht gefolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten —insbesondere zum qualitativen Mittelpunktsbegriff— wird auf die genannten Entscheidungen Bezug genommen. Da das FG seine Entscheidung bislang in erster Linie auf die Reisekosten-Nachweise des Klägers gestützt hat, wird es insoweit vor allem Feststellungen zum konkreten Inhalt der im häuslichen Arbeitszimmer und im Außendienst verrichteten Tätigkeiten zu treffen haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1560
BFH/NV 2003 S. 1560 Nr. 12
CAAAA-70813