Erneute Ermessensentsch. in einer zweiten Einspruchsentsch.
Gesetze: AO § 367 Abs. 2
Gründe
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte die Umsatzsteuer für 1998 gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) durch Bescheid vom zunächst —mangels Steuererklärung— auf Grund geschätzter Besteuerungsgrundlagen auf 7 875 DM fest. Das FA setzte zugleich einen Verspätungszuschlag von 230 DM fest.
Im Einspruchsverfahren gegen den Bescheid vom änderte das FA die Steuerfestsetzung erklärungsgemäß auf 3 438 DM. Den Verspätungszuschlag änderte das FA in dem mit der Steuerfestsetzung verbundenen Bescheid vom nicht. Während des dagegen gerichteten finanzgerichtlichen Verfahrens (FG 5 K 5420/00) hob das FA (nur) die Einspruchsentscheidung auf, nachdem das Finanzgericht (FG) in einem Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung des Verspätungszuschlags die unzureichende Dokumentation der maßgebenden Ermessenserwägungen beanstandet hatte. Nunmehr erklärten die Beteiligten das Verfahren wegen der Festsetzung des Verspätungszuschlags übereinstimmend für erledigt und das FG stellte dieses Verfahren ein.
Das FA gab am eine neue Einspruchsentscheidung wegen des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 1998 bekannt. Die dagegen gerichtete Klage wies das FG ab. Es legte u.a. dar, dass das FA eine zweite Einspruchsentscheidung habe erlassen dürfen und dass es durch die Erledigungserklärungen im Verfahren 5 K 5420/00 nicht daran gehindert gewesen sei. Die vorher fehlende Dokumentation der Ermessensausübung habe nachgeholt werden können. Auch die Aufrechterhaltung der Höhe des Verspätungszuschlags sei nicht ermessensfehlerhaft, weil die Klägerin mehrfach Steuererklärungen verspätet abgegeben habe.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts. Zur Begründung legt sie u.a. dar, die Aufhebung der Einspruchsentscheidung habe auch zur Aufhebung des Bescheids über die Festsetzung des Verspätungszuschlags geführt, weil die Einspruchsentscheidung und der angefochtene Verwaltungsakt eine Einheit seien. Nach der Hauptsachenerledigung sei auch keine erneute Ermessensausübung zugelassen. Ein Nachbessern von Ermessensmängeln sei auch nach der Änderung von § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Art. 11 des Steueränderungsgesetzes 2001 vom (BGBl I 2001, 3794) nicht zugelassen.
Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO) sind nicht vorhanden.
1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Sache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Rechtsfrage muss in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärbar sein (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom XI B 122/99, BFH/NV 2000, 1495; vom XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51).
Die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfragen sind geklärt. In dem angestrebten Revisionsverfahren sind keine ungeklärten Rechtsfragen zum Verhältnis von angefochtenem Verwaltungsakt und Einspruchsentscheidung zu beantworten. Grundsätzlich werden mit einer Anfechtungsklage beide Entscheidungen, d.h. der angefochtene Verwaltungsakt und die Einspruchsentscheidung angefochten. Die Einspruchsentscheidung kann isoliert angefochten werden, wenn und soweit sie den Kläger beschwert (vgl. die zusammenfassende Darstellung von Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 100 FGO Rz. 19). Davon geht auch die Klägerin aus. Sie hat ungeklärte Rechtsfragen in diesem Zusammenhang nicht gestellt, sondern nur dargelegt, dass das FG die vorhandenen Grundsätze unrichtig angewendet habe. Dies eröffnet ihr aber nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Zudem stellen sich diese Fragen bei einer Aufhebung der finanzbehördlichen Rechtsbehelfsentscheidung durch ein Urteil des FG nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht, aber bei der Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens auf Grund übereinstimmender Erledigungserklärungen (vgl. dazu § 138 Abs. 1 FGO).
Grundsätzliche Rechtsfragen stellen sich auch nicht im Zusammenhang mit der erneuten Ermessensausübung in der zweiten Einspruchsentscheidung. Dass die Ermessenserwägungen nach der Aufhebung der ersten Einspruchsentscheidung neu getroffen werden mussten, ist zweifelsfrei den Bestimmungen über die Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung —AO 1977—) zu entnehmen. Nach der Aufhebung der ersten Einspruchsentscheidung war das Verfahren in das Stadium des Einspruchsverfahrens versetzt worden und musste durch (die hier angegriffene) Einspruchsentscheidung abgeschlossen werden. Dafür war eine Ermessensausübung über Grund und Höhe des angefochtenen Verspätungszuschlags (§ 152 AO 1977) zu treffen.
§ 102 Satz 2 FGO ist nicht einschlägig, weil das FA seine Ermessenserwägungen nicht innerhalb eines finanzgerichtlichen Verfahrens, sondern durch eine Entscheidung in dem noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahren getroffen hat.
2. Eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) kommt aus den zuvor dargestellten Gründen nicht in Betracht.
3. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1288
BFH/NV 2003 S. 1288 Nr. 10
KAAAA-70657