Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat im Jahre 1993 Leistungen bezogen, die nach übereinstimmender Auffassung der Klägerin und des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) dem Abzugsverfahren gemäß §§ 51 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV 1993) unterliegen.
Die Klägerin meint, die Umsätze unterlägen der sog. Nullregelung nach § 52 Abs. 2 UStDV 1993. Das FA nahm demgegenüber die Klägerin für die Umsatzsteuer aus den von ihr bezogenen Leistungen gemäß § 55 UStDV 1993 in Haftung (Umsatzsteuerbescheid vom in der Fassung des Bescheids vom ).
Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben.
Das Finanzgericht (FG) hat das Klageverfahren unter Berufung auf § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) über den (BFH/NV 2002, 734) ausgesetzt. In dem Beschluss hat das FG ausgeführt, die Steuer sei nicht verjährt, da die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) greife. Die Klägerin habe die Umsätze in ihren Voranmeldungen nicht erklärt; die darauf entfallende Steuer (gegebenenfalls Null) hätte unter Kennziffer 75 eingetragen werden müssen. Die Festsetzungsfrist habe deshalb mit Ablauf des begonnen und am geendet. Der Haftungsbescheid vom sei also innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Beschwerde. Sie behauptet, sie habe in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen Angaben zu der in Anspruch genommenen ”Null-Regelung” gemacht; im Übrigen sei sie gar nicht gesetzlich verpflichtet gewesen, diese zu machen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Im September 2002 ist die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Klägerin gemäß § 21 der Insolvenzordnung (InsO) angeordnet worden.
II. 1. Das Beschwerdeverfahren ist nicht nach § 155 FGO i.V.m. § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen worden. Nach dieser Vorschrift wird das Verfahren unterbrochen, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (§ 240 Satz 2 ZPO). Nicht unterbrochen wird ein anhängiger Rechtsstreit, wenn dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot, sondern nur ein Zustimmungsvorbehalt i.S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO auferlegt wird und deshalb die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (Bundesgerichtshof —BGH—, Urteil vom II ZR 70/98, Deutsches Steuerrecht —DStR— 1999, 1497). So war es im Streitfall, in dem die Wirksamkeit der Verfügungen der Klägerin lediglich von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters abhängig gemacht worden war. Das Schreiben der Geschäftsstelle vom ist aufgrund der Klarstellung des Sachverhalts durch den vorläufigen Insolvenzverwalter vom gegenstandslos.
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
a) Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind auch dann erfüllt, wenn der EuGH mit Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts befasst ist, von deren Beantwortung die Entscheidung des ausgesetzten Rechtsstreits abhängig ist.
b) Die zu erwartende Entscheidung des EuGH ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht wegen Verjährung des Haftungsanspruchs unerheblich.
Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, wurde der Haftungstatbestand im Jahre 1993 erfüllt. Die Festsetzungsfrist begann deshalb gemäß § 170 Abs. 1, § 191 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 mit Ablauf des Jahres 1993 zu laufen, wenn ihr Anlauf nicht nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 gehemmt wurde. Nach dieser Vorschrift beginnt, wenn eine Steuererklärung oder Steueranmeldung einzureichen ist, die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung oder Steueranmeldung eingereicht wird, spätestens mit Ablauf des dritten Jahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Dementsprechend wird der Anlauf der Festsetzungsfrist gegenüber einem Haftungsschuldner gehemmt, wenn der Haftungsschuldner von Gesetzes wegen zur Abgabe einer Steueranmeldung verpflichtet ist und dieser Verpflichtung nicht nachkommt (, BFH/NV 2001, 219).
Die Klägerin war gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 UStDV 1993 zur Anmeldung einer abzuführenden Steuer verpflichtet. Ob sie für die von ihr bezogenen Umsätze die Steuer nach § 51 UStDV 1993 abzuführen hatte oder ob ihre Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Steuer nach § 52 Abs. 2 UStDV 1993 entfiel, ist vom FG entsprechend den Vorgaben des EuGH durch Urteil zu entscheiden; die Entscheidung kann nicht im vorliegenden Verfahren vorweggenommen werden. Auf die Frage, ob sie in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen die Umsätze, für die wegen der sog. Nullregelung (§ 52 Abs. 2 UStDV 1993) keine Umsatzsteuer einzubehalten ist, anzugeben hatte und angegeben hat, kommt es nicht an. Hatte die Klägerin für die streitbefangenen Umsätze keine Umsatzsteuer einzubehalten und abzuführen, ist der Klage unabhängig von ihren Erklärungspflichten stattzugeben; die Frage nach der Verjährung ist dann gegenstandslos. Hatte sie Umsatzsteuer einzubehalten und abzuführen, war sie auch zu ihrer Anmeldung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 UStDV 1993 verpflichtet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 645
BFH/NV 2003 S. 645 Nr. 5
VAAAA-70529