BFH Beschluss v. - V B 109/02

Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte durch Bescheid vom Aussetzungszinsen wegen Umsatzsteuer 1980 gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) fest. Den Bescheid hatte das FA dem Liquidator der Klägerin bekannt gemacht. Es wies den von dem Liquidator rechtzeitig eingelegten, aber nicht begründeten Einspruch durch die an diesen zugestellte Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.

Die rechtzeitig von der Klägerin durch ihren derzeitigen Prozessbevollmächtigten erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. In der Urteilsbegründung wies es die Darlegungen der Klägerin zurück, dass der angefochtene Zinsbescheid nicht wirksam geworden sei, weil er dem Prozessbevollmächtigten, der Empfangsvollmacht gehabt habe, nicht bekannt gegeben worden sei. Das FG führte dazu aus, ein etwaiger Bekanntgabemangel sei geheilt worden, weil der Prozessbevollmächtigte den Zinsbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung von dem Liquidator der Klägerin erhalten habe.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision aus den in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgezählten Zulassungsgründen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

Die Klägerin hat Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 FGO), nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dargelegt.

1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die von dem Beschwerdeführer hervorgehobene Rechtsfrage über die Beurteilung des Streitfalls hinaus das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 1999, 1122, m.w.N.).

a) Dazu ist erforderlich, dass in der Beschwerdebegründung eine bestimmte abstrakte Rechtsfrage herausgestellt wird, deren Beantwortung grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es ist substantiiert darzulegen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), inwieweit die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung und Literatur und den darin vertretenen Auffassungen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 1482, mit Nachweisen).

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht. Sie wirft zwar die Rechtsfrage auf, ob der Ablauf der Festsetzungsverjährung für Aussetzungszinsen verhindert werde, ”wenn der Bescheid zu Unrecht nicht an den Bevollmächtigten geschickt” werde, unterlässt aber weitere Darlegungen. Sie legt weder dar, weshalb die Beantwortung der Rechtsfrage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz entnommen werden kann, noch erörtert sie, ob die Rechtsfrage nicht bereits durch die Rechtsprechung geklärt ist und ob sie in dem angestrebten Revisionsverfahren aufgrund der vorhandenen tatsächlichen Feststellungen des FG klärbar und klärungsbedürftig ist.

2. Zulassung wegen Abweichung von einer Entscheidung des BFH nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO

Der Zulassungsgrund ”Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung” (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), schließt auch eine Divergenz der Entscheidung des FG von der Rechtsprechung des BFH ein. Die Begründung der Beschwerde entspricht aber auch insoweit nicht den Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Zur schlüssigen Rüge einer Divergenz muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus einer (mutmaßlichen) Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (ständige Rechtsprechung, zuletzt u.a. , BFH/NV 2002, 1484).

Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung im Streitfall nicht. Die Klägerin stellt darin keine unvereinbaren abstrakten Rechtssätze aus der Vorentscheidung und entscheidungserhebliche Rechtssätze aus der Entscheidung des (BFHE 160, 7, BStBl II 1990, 518) gegenüber. Sie wendet sich nur gegen das Ergebnis der Entscheidung des FG, wenn sie sinngemäß ausführt, das FG habe gegen die in der Entscheidung des BFH in BFHE 160, 7, BStBl II 1990, 518 ”aufgestellte Norm” verstoßen, dass die Weitergabe des Zinsbescheids vom heilende Wirkung für den Ablauf der Festsetzungsfrist gehabt habe. Eine Abweichung liegt aber nicht vor, wenn das FG erkennbar von der Rechtsprechung des BFH ausgeht, diese aber (möglicherweise) fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls anwendet (vgl. , BFH/NV 2002, 1046). Die Klägerin hätte z.B. erörtern müssen, weshalb keine Heilung etwaiger Bekanntgabemängel aus den Gründen eingetreten ist, die das FG als gegeben ansah, indem es u.a. auf die Entscheidung des (BFH/NV 2002, 8) Bezug nahm.

3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Auch insoweit ist die Beschwerde unzulässig.

Es reicht nicht aus, dass die Klägerin lediglich ausführt, das FG habe ”bei der Annahme einer Weiterreichung der angefochtenen Bescheide durch die Klägerin an ihren Bevollmächtigten, ohne hierzu nachzufragen, gegen § 96 FGO verstoßen”.

Die Klägerin hat in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt —was für die Zulässigkeit der Beschwerde insoweit nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendig gewesen wäre—, welchen Anlass das FG gehabt hätte, um weitere Nachfragen zu aufklärungsbedürftigen tatsächlichen Umständen zu stellen. Sie stellt nicht dar, weshalb sich dem FG hätte aufdrängen sollen, dass ihr Prozessbevollmächtigter erstmals am , somit nach der mündlichen Verhandlung vom , Kenntnis von dem Zinsbescheid und der Einspruchsentscheidung erhalten habe. Der Inhalt des von dem Prozessbevollmächtigten verantworteten Schriftsatzes vom vermittelt einen anderen Eindruck. Eine schlüssige Erklärung, weshalb der Prozessbevollmächtigte einen Prozess gegen Bescheide führt, die er angeblich nicht in Händen gehabt hat, ist nicht vorhanden. Ebenso wenig wird erklärt, weshalb er sie sich nicht hat vorlegen lassen, wenn er gegen diese Bescheide eine Klage vertritt.

Hinzu kommt, dass das FG weder eine überraschende Entscheidung gefällt noch das rechtliche Gehör der Klägerin verkürzt hat. Die nach Ansicht der Klägerin entscheidungserheblichen Rechtsfragen des Streitfalls waren von ihr in der Klagebegründung dargestellt worden. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG am ist die Sache mit den Beteiligten erörtert worden. Die Beteiligten haben das Wort erhalten und haben daher Gelegenheit gehabt, ihren Standpunkt —soweit dies nicht bereits schriftlich geschehen war— darzustellen. Dass das FG die Darlegungen der Klägerin berücksichtigt und gewürdigt hat, ergeben zudem die Urteilsgründe. Ein Verfahrensfehler liegt nicht dadurch vor, dass das FG eine andere als die von der Klägerin vertretene Überzeugung von der Bekanntmachung des angefochtenen Zinsbescheids erlangt hat (vgl. auch , BFH/NV 2002, 1476).

4. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

Fundstelle(n):
EAAAA-70513