Das Abgeordnetenprivileg erneut auf dem Prüfstand
Auf den 28. August ist eine mündliche Verhandlung vor dem 7. Senat des Niedersächsischen FG (Az.: 7 K 128/15) anberaumt, in der die Frage zur Entscheidung steht, ob die sog. Abgeordnetenpauschale den Gleichheitssatz verletzt und ob der selbständig tätige Kläger daraus Rechte für sich ableiten kann. Gemäß § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG sind u. a. auch die aus einer Bundeskasse gezahlten und im Haushaltsplan ausgewiesenen Aufwandsentschädigungen steuerfrei. Dazu gehört nach § 12 Abs. 2 AbgG eine monatliche Kostenpauschale, die jährlich zum 1. Januar an die Lebenshaltungskosten angepasst wird und derzeit 4.339,97 € monatlich (52.079,64 € p.a.) beträgt. Darüber hinausgehende Aufwendungen können steuerlich nicht berücksichtigt werden, weil es für den Abgeordneten keine „Werbungskosten“ gibt. Für die Abgeordneten der Länderparlamente sind entsprechende Regelungen vorgesehen.
Mit der Steuerbefreiung der Abgeordnetenpauschale waren die Gerichte zuletzt in einem auch von den Medien vielbeachteten Fall eines Finanzrichters befasst, der gegen seine eigene Steuerfestsetzung Klage erhoben hatte [i] Süddeutsche Zeitung, Online-Nachricht v. 17.5.2010(s. etwa Süddeutsche Zeitung, Online-Nachricht v. ). Damals hatte es der BFH abgelehnt, die von ihm für nicht entscheidungserheblich gehaltene Frage der Gleichheitswidrigkeit einer steuerfreien Kostenpauschale für Abgeordnete dem BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen (, BStBl 2008 II S. 932). Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an und begründete dies mit Beschluss v. - 2 BvR 2227/08, 2 BvR 2228/08 NWB TAAAD-48007. Danach ist die von der Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unterschiedliche steuerliche Berücksichtigung mandatsbedingter Aufwendungen eines parlamentarischen Mandatsträgers aufgrund dessen besonderer beruflicher Stellung sachlich gerechtfertigt. Im Übrigen fehle es am erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Denn beanstande ein Kläger die Vorenthaltung einer gesetzlichen Begünstigung als gleichheitswidrig, so setze die Entscheidungserheblichkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG voraus, dass die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Norm für den Kläger die Chance offenhält, eine für ihn günstigere Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen. Dies sei im Streitfall aber ausgeschlossen.
In dem nun angestrengten Verfahren wird das Ziel einer Vorlage zum BVerfG nur zu erreichen sein, wenn es dem Kläger gelingt, beide Teilbegründungen des Nichtannahmebeschlusses schlüssig zu widerlegen. Dazu könnte er sich wegen des Rechtsschutzinteresses etwa auf die Entscheidung des BVerfG zur Vermögensteuer v. - 2 BvL 37/91, BStBl 1995 II S. 655) berufen, in der anerkannt wurde, dass gleichheitswidrige Belastungen unabhängig von der Aussicht auf eigene Besserstellung abgewehrt werden können. Im Übrigen wäre darzulegen, dass sich die Privilegierung Abgeordneter aufgrund ihres Sonderstatus im Vergleich zur steuerlichen Behandlung selbständig Tätiger nicht hinreichend rechtfertigen lässt.
Hans-Joachim Kanzler
Fundstelle(n):
NWB 2018 Seite 2441
NWB IAAAG-91821