BFH Urteil v. - III R 7/01

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt einen Dachdeckerbetrieb, für den er im Streitjahr (1998) einen Mercedes-Benz 212 D ”Sprinter” erwarb. Das Fahrzeug hat rundum Fenster, die Seitenfenster sind jedoch nicht ausstellbar. Es ist mit einer Bestuhlung für das Führerhaus sowie zwei weiteren Sitzbänken ausgestattet, die sich je nach Bedarf im vorderen Teil der Ladefläche einbauen lassen.

Nach eigenen Angaben nutzt der Kläger das Fahrzeug, um Kleinteile, Werkzeuge und solche Materialien, die nicht nass werden sollen, zu den Baustellen seines Dachdeckerbetriebs zu befördern. In der Regel fahren zwei Mitarbeiter mit zur Baustelle. Erfordert eine Baustelle den Einsatz weiterer Mitarbeiter, wird eine weitere Sitzbank in das Fahrzeug eingebaut. Der Ein- und Ausbau von Bänken kann in dem Modell ”Sprinter” —ausweislich des Fahrzeugprospekts— in wenigen Sekunden vorgenommen werden, erfordert jedoch die Mithilfe einer zweiten Person. Neben dem ”Sprinter” verfügt der Kläger über einen sog. Pritschenwagen, auf dem er längere und schwerere Materialien zu den Baustellen transportiert.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) lehnte die Gewährung einer Investitionszulage für das Fahrzeug mit der Begründung ab, das Fahrzeug sei nach Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt, sowohl der Beförderung von Personen als auch von Gütern zu dienen.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (Hinweis auf die Senatsentscheidungen vom III R 97/85, BFH/NV 1990, 731; vom III R 11/90, BFH/NV 1991, 838, und vom III R 59/92, BFHE 172, 566, BStBl II 1994, 304) und unter Berücksichtigung des eingenommenen Augenscheins sei der Mercedes-Benz ”Sprinter” des Klägers kein PKW i.S. des § 2 Satz 2 Nr. 3 des Investitionszulagengesetzes 1996 (InvZulG 1996). Denn das Fahrzeug sei nicht für eine private Personenbeförderung ausgestattet und bestimmt. Ohne Zweifel werde es ausschließlich für den Baustellenbetrieb des Klägers eingesetzt. Insbesondere die bei dem Augenschein durch das Gericht festgestellten Gebrauchsspuren an den Innenwänden des Laderaums und der sonstige Zustand des Fahrzeugs —wie z.B. Lehmreste auf dem Fahrzeugboden— zeugten von einem betrieblichen Einsatz. Die Ausstattung sei auf die Bedürfnisse des klägerischen Betriebs eingerichtet. Jegliche —vom Hersteller angebotenen— Zusatzeinbauten oder Zierrat, die einen Personentransport erleichterten oder komfortabler gestalteten, fehlten. Es sei nicht schädlich, dass der Kläger gelegentlich zusätzliche Sitzbänke einbaue, um seine Mitarbeiter zu den Baustellen zu befördern.

Einer Förderung stehe auch nicht entgegen, dass jederzeit die Möglichkeit bestehe, das Fahrzeug für den privaten Transport von Personen zu nutzen. Denn diese Annahme sei allein theoretischer Natur. Gehe man vom normalen Zustand des Fahrzeugs als Baustellenfahrzeug aus, müsste das Fahrzeug zuvor gereinigt werden. Ein schneller Ein- und Ausbau der Sitzbänke sei nicht möglich, da hierfür mehrere Personen benötigt würden und die Bänke sehr schwer seien, so dass ein zwischenzeitlicher Austausch für private Fahrten ausgeschlossen erscheine.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1996.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision abzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das vom Kläger angeschaffte Fahrzeug ist ein PKW i.S. von § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1996. Seine Anschaffung zählt deshalb nicht zu den nach § 2 InvZulG 1996 begünstigten Investitionen.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein Kfz dann ein PKW im investitionszulagenrechtlichen Sinne, wenn es objektiv nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt ist, Personen zu befördern (vgl. auch § 4 Abs. 4 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes). Fahrzeuge, die von ihrer ursprünglichen Konzeption her zur Personenbeförderung geeignet und bestimmt sind, verlieren durch eine Umgestaltung z.B. zu einem LKW nur dann ihre Eigenschaft als PKW, wenn die Umgestaltung auf Dauer angelegt ist, d.h. wenn sie nur unter erschwerten Bedingungen wieder rückgängig gemacht werden kann. Nur wenn die Wiederherstellung des früheren Zustandes mit einem nicht unbeträchtlichen Aufwand an Arbeit und Kosten verbunden ist, kann die Möglichkeit der Beförderung von Personen und damit auch einer privaten Nutzung, die vom Zweck der Zulagenbegünstigung nicht erfasst wird (Senatsurteil vom III R 12/97, BFHE 185, 335, BStBl II 1999, 498), praktisch ausgeschlossen werden. Ob ein Fahrzeug den Zweck der Personenbeförderung erfüllen kann, ist allerdings nicht allein nach der theoretischen Möglichkeit dieser Nutzungsart zu entscheiden, vielmehr ist in diesem Zusammenhang auch die Lebenserfahrung in Betracht zu ziehen (, BFHE 190, 547, BStBl II 2000, 501, und vom III R 17/00, BFHE 198, 280, BStBl II 2002, 667, jeweils m.w.N.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das FG das Fahrzeug des Klägers zu Unrecht als LKW beurteilt. Nach der Herstellerkonzeption handelt es sich bei dem Fahrzeug um ein solches, das nach seiner Bauart und Einrichtung sowohl zur Güter- als auch zur Personenbeförderung eingesetzt werden kann. Die Umrüstung des Fahrzeugs zur üblichen Personenbeförderung erfordert lediglich den Einbau der vom Kläger zusätzlich zum Fahrer- und Beifahrer-Doppelsitz miterworbenen beiden Sitzbänke mit je drei Sitzplätzen. Nach deren Ausbau steht es für den Transport von Baumaterialien etc. wieder zur Verfügung. Das Fahrzeug ist aufgrund der Seiten- und Rückfenster auch zur Personenbeförderung geeignet. Zudem ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass es sich bei den durch den Einbau der Sitzbänke geschaffenen Sitzplätzen um ”Notsitze” handelt, die nicht dem normalen Sitzkomfort entsprechen. Das Fehlen der vom Hersteller angebotenen Zusatzeinbauten oder Zierrat, die den Personentransport komfortabler gestalten, sprechen ebenso wenig gegen eine möglich Beförderung von Personen, wie eventuelle Verschmutzungen im Innenraum des Fahrzeugs, denn maßgebend ist allein die Eignung zur Personenbeförderung. Der Kläger hat selbst eingeräumt, dass das Fahrzeug auch zur Personenbeförderung eingesetzt wird.

Durch die Herausnahme der Sitze wird das Fahrzeug auch nicht auf Dauer zum Transport von Gütern umgestaltet. Die Umgestaltung zur Personenbeförderung ist mit geringem Arbeitseinsatz möglich. Wie das FG ausgeführt hat, können die Sitzbänke —ausweislich des Prospektes des Herstellers— in wenigen Sekunden ein- und ausgebaut werden, wenn auch unter Mithilfe zumindest einer zweiten Person. Bei einer derartigen geringen Belastung ist die Grenze des ”nicht unbeträchtlichen Aufwands an Arbeit und Kosten” im Sinne der Rechtsprechung des Senats nicht erreicht. Der Kläger hat zudem die Einrichtung des Fahrzeugs nicht wesentlich ändern lassen. Die vom Hersteller bereits serienmäßig eingebauten Vorrichtungen lassen eine schnelle und problemlose Nutzungsänderung des Fahrzeugs zu, wie dies bei Kombifahrzeugen der hier streitigen Art regelmäßig der Fall ist.

Entgegen der Auffassung des FG ist es auch unerheblich, dass das Fahrzeug nur betrieblich genutzt wird. Entscheidend ist nicht der konkrete Einsatz eines Kfz im Betrieb des Investors, sondern ob ein Fahrzeug objektiv nach Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt ist, Personen zu befördern (Senatsurteil in BFHE 190, 547, BStBl II 2000, 501). Davon ist im Streitfall auszugehen. Es ist daher auch ohne Bedeutung, dass der Kläger zusätzlich über ein erheblich komfortableres Fahrzeug für private Fahrten verfügt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 509
BFH/NV 2003 S. 509 Nr. 4
YAAAA-70353