Bayerisches Landesamt für Steuern - S 0166.1.1-13/3 St 43

Pfändung von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen nach § 46 AO


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Inhaltsverzeichnis:
Seite
1.
Allgemeines
2
2.
Pfändbare Ansprüche
2
3.
Wirksamkeit eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
2
3.1.
Inhaltliche Voraussetzungen
2
3.2.
Bezeichnung des Drittschuldners/Zuständiges Finanzamt
3
3.3.
Entstehung des gepfändeten Anspruchs
3
3.4.
Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
5
3.4.1.
Erstattungsberechtigung und Verfügbarkeit
6
4.
Folgen einer wirksamen Pfändung und Überweisung
6
4.1.
Rechtsfolgen
6
4.2.
Leistung an den Gläubiger/nachträgliche Änderung des Erstattungsanspruchs
7
4.3.
Aufrechnung
8
4.4.
Versehentliche Auszahlung an den Steuerpflichtigen
8
4.5.
Mehrfache Pfändungen bzw. Abtretungen
8
5.
Drittschuldnererklärung
8
5.1.
Verpflichtung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung
8
5.2.
Inhalt der Drittschuldnererklärung
9
6.
Unwirksamkeit der Pfändung
9
6.1.
Mitteilung in der Drittschuldnererklärung
9
6.2.
Erinnerung
10
6.3.
Hinterlegung
10
6.3.1.
Hinterlegung nach § 853 ZPO
10
6.3.2.
Hinterlegung nach § 372 BGB
10
6.4.
Schutz bei fehlerhaften Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
10
7.
Vorpfändung
11
7.1.
Voraussetzungen einer wirksamen Vorpfändung
11
7.2.
Wirkung der Vorpfändung
11
8.
Behördliche Pfändungsverfügungen
11
9.
Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Eingang des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
12

1. Allgemeines

Erstattungs- und Vergütungsansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können gepfändet werden (§ 46 Abs. 1 AO). Für die Pfändung durch private Gläubiger gelten die Vorschriften der §§ 829 ff. ZPO, für behördliche Pfändungs- und Einziehungsverfügungen bei öffentlich-rechtlichen Forderungen die entsprechenden Vollstreckungsgesetze des Bundes bzw. des Landes. Darüber hinaus sind die aus § 46 AO sich ergebenden Einschränkungen zu beachten.

Die Überleitung von Erstattungsansprüchen nach § 90 BSHG hat die Wirkung einer Abtretung ( BStBl 1988 II S. 500).

2. Pfändbare Ansprüche

Vgl. entsprechend Karte 1 zu § 46 AO, Tz 2.

3. Wirksamkeit eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses

Die Pfändung erfolgt durch einen Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts (§ 829 ZPO). Dieser bewirkt die Belastung des Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs mit einem Pfandrecht. Zur Verwirklichung des Anspruchs muss darüber hinaus der gepfändete Anspruch zur Einziehung oder an Zahlungs statt dem Gläubiger überwiesen werden (§ 835 ZPO). In der Praxis wird die Überweisung regelmäßig mit der Pfändung verbunden (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss).

Voraussetzung für die Wirksamkeit ist ein wirksamer Pfändungsbeschluss, dessen wirksame Zustellung, die Erstattungsberechtigung des Pfändungsschuldners und die Verfügbarkeit des gepfändeten Anspruchs.

Ist eine dieser Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt, so ist der Pfändungsbeschluss unwirksam und nicht geeignet, ein Pfändungspfandrecht zu begründen. In diesen Fällen ist Tz. 6 zu beachten.

3.1. Inhaltliche Voraussetzungen

Der Pfändungsbeschluss muss den Pfändungsgläubiger und Pfändungsschuldner, den Drittschuldner (Tz 3.2), den vollstreckbaren Anspruch und den gepfändeten Anspruch genau bezeichnen.

Pfändungsgläubiger und -schuldner müssen i. d. R. mit Vor- und Familienname, Beruf oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung bezeichnet werden. Ungenaue oder fehlerhafte Bezeichnungen sind nur dann unschädlich, wenn die Feststellung der Identität dennoch zweifelsfrei gewährleistet ist.

Der vollstreckbare Anspruch des Pfändungsgläubigers muss nach Vollstreckungstitel und Betrag (Hauptforderung zuzüglich Zinsen und Kosten) bezeichnet sein, weil sich danach der Umfang des Pfandrechts und der Einziehungsbefugnis bestimmt.

Zum notwendigen Inhalt eines Pfändungsbeschlusses gehört außerdem das Verbot an den Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen (§ 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO), sowie das Gebot an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung zu enthalten (§ 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Zur Bezeichnung des gepfändeten Anspruchs vgl. Karte 1 zu § 46 AO, Tz 3.1.

3.2. Bezeichnung des Drittschuldners/Zuständiges Finanzamt

Nach § 46 Abs. 7 AO gilt die Finanzbehörde, die über den Anspruch zu entscheiden hat, als Drittschuldner nach §§ 829, 845 ZPO. Dies ist das nach den steuerlichen Zuständigkeitsbestimmungen sachlich (§ 16 AO, § 17 Abs. 2 FVG i. V. m. der Zuständigkeitsverordnung) und örtlich (§ 17 ff. AO) für den Pfändungsschuldner zuständige FA.

Diese Finanzbehörde muss im Beschluss so eindeutig bezeichnet werden, dass eine genaue Bestimmung möglich und eine Verwechslung ausgeschlossen ist. Schreibfehler und ähnliche fehlerhafte Bezeichnungen, die keinen Zweifel am richtigen Empfänger aufkommen lassen, sind unschädlich.

Für die Bestimmung des zuständigen FA kommt es auf den Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an. War bereits vor diesem Zeitpunkt die Zuständigkeit nach den Vorschriften des § 26 AO auf ein anderes FA übergegangen oder war das FA nie zuständig, ist er nicht wirksam geworden und darf auch nicht an das zuständige FA weitergeleitet werden (vgl. Tz. 5.2). Ändert sich die Zuständigkeit nach der Zustellung des Beschlusses, geht die sich daraus ergebende Verpflichtung auf das neue FA über. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist mit den Steuerakten an das neu zuständig gewordene FA abzugeben.

3.3. Entstehung des gepfändeten Anspruchs

Weitere Voraussetzung für einen wirksamen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist, dass er nicht erlassen wurde, bevor der zu pfändende Anspruch nach § 38 AO entstanden ist.

Wann ein Erstattungs- oder Vergütungsanspruch entsteht, bestimmt sich nach § 38 AO i. V. m. den entsprechenden Bestimmungen der Einzelsteuergesetze.

  1. Ergibt sich der Erstattungsanspruch aus der Überzahlung der Steuer durch Vorauszahlungen, Steuerabzugsbeträge und/oder anrechenbare Körperschaftsteuer, so entsteht er im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, also grundsätzlich mit Ablauf des Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums (z. B. § 36 Abs. 1 EStG, § 30 KStG), bei späterer Überzahlung mit dieser.

  2. Der Vorsteuerüberhang aus § 16 Abs. 2 UStG (Überschuss der Vorsteuer über die Umsatzsteuer) als Vergütungsanspruch entsteht mit Ablauf des jeweiligen USt-Voranmeldungszeitraums. Dagegen ist der sich aus § 15 UStG ergebende Vorsteuerabzugsanspruch nicht selbständig pfändbar. Denn er geht als unselbständige Besteuerungsgrundlage in die Steuerberechnung nach § 16 Abs. 2 UStG ein (, BStBl 2012 II S. 298).

  3. Bei einem Verlustrücktrag nach § 10d EStG entsteht der Erstattungsbetrag insoweit erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der anspruchsbegründende Tatbestand der Verlustentstehung verwirklicht wird.

  4. Der Anspruch auf Gewährung von Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz entsteht mit Ablauf des Wirtschaftsjahres (s. § 10 InvZulG 2010).

  5. Der Anspruch auf Erstattungszinsen nach § 233a AO entsteht erst, wenn alle Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift erfüllt sind. Dazu gehören insbesondere der Ablauf der Karenzzeit und die Fälligkeit der Steuererstattung. Die Fälligkeit einer Steuererstattung richtet sich nach den Einzelsteuergesetzen (z. B. § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG).

    Solange keine Steuerfestsetzung, die tatsächlich zu einer Erstattung führt, erfolgt ist, ist damit auch der Tatbestand für die Entstehung von Erstattungszinsen nicht erfüllt. Wird eine Steuerfestsetzung – ggf. mehrfach – geändert, kann hinsichtlich der Entstehung der jeweiligen Zinsansprüche nach § 233a AO nur auf den Zeitpunkt der geänderten Festsetzungen abgestellt werden.

    Das bedeutet, dass eine Pfändung wirksam nur ausgebracht werden kann, wenn der dem jeweiligen Zinsanspruch zugrundeliegende Steuerbescheid bekannt gegeben worden ist. Andererseits werden Steuerguthaben und Erstattungszinsen grundsätzlich gleichzeitig mit der Bekanntgabe des Steuerbescheides erstattet, so dass eine wirksam ausgebrachte Pfändung in der Regel ins Leere gehen dürfte, weil der Anspruch bereits erfüllt ist.

Ist der Erstattungsanspruch auf eine fehlerhafte Jahres-Steuerfestsetzung zurückzuführen, entsteht der Erstattungsanspruch in dem Zeitpunkt, in dem die zu hoch festgesetzte Steuer aufgrund des unzutreffenden Bescheids beglichen worden ist (vgl. BFH/NV S. 839).

Beispiel:

Die materiell-rechtlich unzutreffende Veranlagung zur Einkommensteuer führt zu einer Steuernachzahlung in Höhe von 2.000 € für den Veranlagungszeitraum 01, die vom Steuerpflichtigen am beglichen wird. Für den Veranlagungszeitraum 01 liegt seit dem ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zur Einkommensteuer für das Jahr 01 in unbegrenzter Höhe vor. Nach Durchführung der Änderungsfestsetzung im November 2002 ergibt sich eine Erstattung in Höhe von 1.000 €.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschuss hindert nicht die Auszahlung der Erstattung an den Steuerpflichtigen bzw. an der Verrechnung mit offenen Steuerrückständen, da im Zeitpunkt des Zugangs des Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beim Finanzamt der Erstattungsanspruch noch nicht entstanden war.

Zum Zeitpunkt des Erlasses von vor Entstehung des Anspruchs vorbereiteten, aber nach Entstehung zugestellten Beschlüssen s. BStBl 1990 II S. 946.

3.4. Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses

Die Pfändung wird bewirkt mit Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (§ 829 Abs. 3 ZPO). Diese erfolgt durch den Gerichtsvollzieher nach Maßgabe der §§ 193 und 194 ZPO (§ 192 Abs. 1 ZPO). Dabei kann der Gerichtsvollzieher selbst zustellen oder sich der Post bedienen.

Wirksam wird die Zustellung mit Übergabe des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Amtsleiter (§ 170 Abs. 2 ZPO). Dies geschieht im Regelfall im Dienstgebäude während der Dienststunden. Der Amtsleiter sollte den Gerichtsvollzieher (Beauftragten des Postdienstleistungsunternehmens) veranlassen, neben dem Datum der Zustellung auch die Uhrzeit auf dem Schriftstück zu vermerken. Soweit dies nicht geschieht, sollte der Amtsleiter diese Vermerke selbst anbringen.

Der Amtsleiter kann auch Bedienstete des FA zur Entgegennahme von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen ermächtigen. Ist der Amtsleiter nicht anwesend oder an der Annahme verhindert, ist eine solche Ersatzzustellung auch an einen anderen nicht besonders ermächtigten Bediensteten möglich (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse können dem Amtsleiter auch außerhalb des Dienstgebäudes an jedem Ort – also z. B. auch in seiner Wohnung – übergeben werden (§ 177 ZPO).

Wird der Amtsleiter in seiner Wohnung nicht angetroffen, kann nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner zugestellt werden.

Ist eine Ersatzzustellung in der Wohnung oder in den Geschäftsräumen (des FA) nicht ausführbar, ist die Ersatzzustellung durch Einlegen des Schriftstücks in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung zulässig (§ 180 ZPO). Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt.

Eine Ersatzzustellung durch Niederlegung ist erst dann zulässig, wenn die Ersatzzustellung durch Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten nicht ausführbar ist (§ 181 Abs. 1 ZPO). Das Schriftstück gilt dabei mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung über die Niederlegung als zugestellt.

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Schriftstücks nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Schriftstück der Person, an die die Zustellung gerichtet war, tatsächlich zugegangen ist (§ 189 ZPO). In diesen Fällen sollte der genaue Zeitpunkt, an dem das Schriftstück tatsächlich vorgelegt worden ist, vermerkt werden.

Zur Zustellung behördlicher Pfändungsverfügungen s. Tz 8.

3.4.1. Erstattungsberechtigung und Verfügbarkeit

Zur Erstattungsberechtigung des Pfändungsschuldners und zur Verfügbarkeit des gepfändeten Anspruchs vgl. Karte 1 zu § 46 AO, Tz 3.3 und 3.4.

4. Folgen einer wirksamen Pfändung und Überweisung

Die Pfändung verschafft dem Pfändungsgläubiger ein Pfändungspfandrecht an dem gepfändeten Anspruch (§ 804 Abs. 1 ZPO). Die Überweisung ermächtigt den Pfändungsgläubiger, den gepfändeten Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen und ggf. einzuziehen (§ 835 Abs. 1 ZPO). Die Einziehungsbefugnis besteht aber nur in Höhe der Forderung des Pfändungsgläubigers (einschl. Zinsen und Kosten).

4.1. Rechtsfolgen

Die Pfändung verschafft dem Pfändungsgläubiger eine Pfändungspfandrecht an dem gepfändeten Erstattungs- oder Vergütungsanspruch (§ 804 Abs. 1 ZPO). Durch die Überweisung des gepfändeten Anspruchs zur Einziehung (§ 835 Abs. 1 ZPO) ist der Pfändungsgläubiger ermächtigt, den gepfändeten Anspruch in eigenem Namen geltend zu machen. Der Anspruch selbst geht nicht auf den Pfändungsgläubiger über, sondern bleibt Bestandteil des Schuldnervermögens. Die Ermächtigung des Pfändungsgläubigers schließt die Befugnis ein, beim Vorliegen der Voraussetzungen mit dem ihm zur Einziehung überwiesenen Erstattungs- oder Vergütungsanspruch gegen eine eigene Steuerschuld aufzurechnen.

Der Pfändungsgläubiger tritt durch die infolge der Überweisung ausgelöste Einziehungsermächtigung nur insoweit an die Stelle des Steuerpflichtigen (Pfändungsschuldner), als die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs betroffen ist. Deshalb gehen die Mitwirkungspflichten der §§ 90 ff. AO nicht über, Verwaltungsakte sind weiterhin dem Steuerpflichtigen bekannt zu geben. Der Pfändungsgläubiger hat weder das Recht, Einspruch einzulegen oder Änderungsanträge zu stellen, noch ist er zu einem Einspruchsverfahren nach § 360 AO hinzuzuziehen.

Der neue Gläubiger des Erstattungsanspruchs ist nicht befugt, einen Antrag auf Einkommensteuerveranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu stellen. Dieser Antrag ist ein von den Rechtswirkungen des § 46 AO nicht erfasstes höchstpersönliches steuerliches Gestaltungsrecht.

Dem neuen Gläubiger des Erstattungsanspruchs muss nach Erteilung der Drittschuldnererklärung (vgl. Tz 5) auf Anfrage nur mitgeteilt werden, ob und ggf. in welcher Höhe sich aus der Veranlagung ein Erstattungsanspruch ergeben hat und ob und ggf. in welcher Höhe aufgrund der Pfändung an ihn zu leisten ist (vgl. AEAO, Tz 4 zu § 46).

4.2. Leistung an den Gläubiger/nachträgliche Änderung des Erstattungsanspruchs

Mit Zugang des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kann das FA in Höhe der Vollstreckungsforderung nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Vollstreckungsschuldner leisten. Soweit die Erstattung bereits eingeleitet ist, ist der Zahlungsvorgang zu unterbrechen, wenn dies bei einem vertretbaren Aufwand noch zumutbar ist (max. Rückruf der Erstattung über die StOK vgl. AL-Erhebung Fach 1 Teil 8 Tz. 7.8.2).

Bis zur Höhe des gepfändeten Anspruchs (einschl. Zinsen und Kosten) ist an den Pfändungsgläubiger zu zahlen, sobald der Erstattungsbetrag verfügbar ist.

Zu nachträglichen Erhöhungen des Erstattungsbetrags aufgrund von Rechtsbehelfsverfahren, Änderungen oder Berichtigungen sowie zu Rückforderungen bei Änderungen zuungunsten des Pfändungsschuldners vgl. Karte 1 zu § 46 AO, Tz 4.2.

4.3. Aufrechnung

Unter den Voraussetzungen des § 392 BGB ist auch gegen einen gepfändeten Erstattungsanspruch eine Aufrechnung möglich. Die Ausführungen in Tz. 4.3 der Karte 1 zu § 46 AO gelten hier entsprechend mit dem Unterschied, dass die Aufrechnung gegenüber dem Steuerpflichtigen zu erklären ist, weil er Inhaber der gepfändeten Ansprüche bleibt. Dem Pfändungsgläubiger ist ein Abdruck der Aufrechnungserklärung, für die die Vorlage „Aufrechnung durch FK gegen gepfändete Forderung” (Ordner Finanzkasse/4) für FK Buchhaltung 1 und 2/4a) Aufrechnung) zur Verfügung steht, zu übersenden.

4.4. Versehentliche Auszahlung an den Steuerpflichtigen

Wurde trotz wirksamer Pfändung der Erstattungsbetrag (versehentlich) an den Steuerpflichtigen ausbezahlt, ist an den Pfändungsgläubiger nochmals zu zahlen und gegen den Steuerpflichtigen ein auf § 37 Abs. 2 AO gestützter Rückforderungsbescheid zu erlassen (, BStBl 1990 II S. 520).

4.5. Mehrfache Pfändungen bzw. Abtretungen

Bei mehrfachen Pfändungen und/oder Abtretungen desselben Erstattungsanspruchs s. Tz 4.5 der Karte 1 zu § 46 AO.

5. Drittschuldnererklärung

5.1. Verpflichtung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung

Mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist regelmäßig die Aufforderung an das FA als Drittschuldner verbunden, nach § 840 Abs. 1 ZPO eine Erklärung darüber abzugeben,

  1. ob und inwieweit es die Forderung als begründet anerkennt und Zahlung zu leisten bereit ist,

  2. ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung erheben,

  3. ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits gepfändet ist.

Die Drittschuldnererklärung ist innerhalb von zwei Wochen abzugeben. Bei einer schuldhaft verspätet, unvollständig, unrichtig oder nicht abgegebenen Drittschuldnererklärung kann das FA schadensersatzpflichtig werden (§ 840 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die Frist kann vom Gläubiger verlängert werden. Die Drittschuldnererklärung ist kein Verwaltungsakt, sondern eine bloße Mitteilung an den Pfändungsgläubiger. Sie ist deshalb nicht anfechtbar und auch kein bindendes Schuldanerkenntnis (, BB 1977 S. 1628).

5.2. Inhalt der Drittschuldnererklärung

Die Drittschuldnererklärung ist unter Verwendung der Vorlage „Drittschuldnererklärung” (Ordner Veranlagung/Bearbeitung Verwaltungsakte) abzugeben. Hieraus ergibt sich auch der Inhalt der im Einzelfall abzugebenden Erklärung.

Wird die Pfändung wegen Unzuständigkeit nicht anerkannt (Tz 3.2), ist es nicht zulässig, dem Pfändungsgläubiger eine neue oder abweichende Anschrift des Steuerpflichtigen oder das zuständige FA mitzuteilen (§ 30 AO). Es ist jedoch zulässig, mitzuteilen, welches FA für eine im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss angegebene Anschrift zuständig ist.

Äußern muss sich das FA nur zu den in § 840 Abs. 1 ZPO aufgeführten Fragen. Im Übrigen berechtigt die allgemeine Auskunftspflicht das FA als Drittschuldner in dem durch die Pfändung gezogenen Rahmen zur Auskunft nur, soweit das Steuergeheimnis nicht verletzt wird. Anfragen eines Gläubigers vor Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dürfen grundsätzlich nicht beantwortet werden.

Liegt ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nur gegen einen Ehegatten/Lebenspartner vor und ergibt sich der Erstattungsanspruch aus einer Zusammenveranlagung, kann die Pfändung nur teilweise anerkannt werden, wenn beide Ehegatten/Lebenspartner die Steuer gezahlt haben. Die Drittschuldnererklärung ist entsprechend zu ergänzen, nähere Angaben zur Aufteilung des Erstattungsbetrags sind aber wegen § 30 AO nicht zulässig. Zur Aufteilung von Steuererstattungsansprüchen vgl. BMF-Schreiben vom 14.01.2015, BStBl 2015 I S. 83 ).

Wird die Pfändung in der Drittschuldnererklärung nicht anerkannt, weil die Veranlagung bereits durchgeführt wurde und Erstattungsansprüche nicht mehr bestehen, bleibt die Pfändung im Hinblick auf eine möglicherweise sich ergebende weitere Erstattung durch eine Änderung der Steuerfestsetzung wirksam.

6. Unwirksamkeit der Pfändung

6.1. Mitteilung in der Drittschuldnererklärung

Ist die Pfändung nach Auffassung des FA unwirksam, teilt es dies dem Pfändungsgläubiger in der Drittschuldnererklärung unter Hinweis auf die Gründe der Unwirksamkeit mit. Weitere Angaben, z. B. über andere Pfändungen oder Abtretungen, sind dann nicht zulässig (§ 30 AO). Hat er einen Antrag auf Veranlagung gestellt (Tz 4.1), ist dieser nur ihm gegenüber abzulehnen.

Besteht der Pfändungsgläubiger auf Auszahlung des Erstattungsbetrags, ist ihm ein Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO zu erteilen (, BStBl 1987 II S. 802). Legt er dagegen Einspruch ein, ist eine Hinzuziehung des Stpfl. nach § 360 AO möglich und oft ratsam, aber nicht notwendig ( BStBl 1986 II S. 565).

6.2. Erinnerung

In Ausnahmefällen kann das FA gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss Erinnerung nach § 766 ZPO einlegen. Dies z. B. bei zweifelhafter zivilrechtlicher Rechtslage oder wenn der Pfändungsgläubiger unter Androhung von Schadensersatzansprüchen auf die Abgabe einer Drittschuldnererklärung in seinem Sinne besteht. Die Erinnerung ist an keine Frist gebunden.

6.3. Hinterlegung

Bei Streit über die Wirksamkeit eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses oder bei mehrfacher Pfändung und/oder Abtretung und Uneinigkeit über die Rangfolge kann der Erstattungsbetrag beim Amtsgericht hinterlegt werden.

6.3.1. Hinterlegung nach § 853 ZPO

Liegen nur Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vor und besteht Streit über die Rangfolge, kommt eine Hinterlegung nach § 853 ZPO bei demjenigen Amtsgericht in Betracht, dessen Beschluss dem FA zuerst zugestellt wurde. Die Hinterlegung ist dem Amtsgericht mit einem dort erhältlichen Vordruck anzuzeigen. Die Gründe sind dem Amtsgericht darzulegen und die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zu übersenden. Die Hinterlegung hat für das FA schuldbefreiende Wirkung.

6.3.2. Hinterlegung nach § 372 BGB

Bei anderen Streitigkeiten oder beim Zusammentreffen eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit einer Abtretungsanzeige ist nur eine Hinterlegung nach den engeren Voraussetzungen des § 372 BGB beim für den Sitz des FA zuständigen Amtsgericht möglich. Vgl. hierzu Tz 5.2 der Karte 1 zu § 46 AO.

6.4. Schutz bei fehlerhaften Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen

Zahlt das FA aufgrund eines von ihm für wirksam gehaltenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Pfändungsgläubiger aus und stellt sich danach die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses heraus, kann sich das FA dem Stpfl. gegenüber auf die Schutzwirkung des § 836 Abs. 2 ZPO berufen und eine nochmalige Erstattung an ihn ablehnen.

7. Vorpfändung

7.1. Voraussetzungen einer wirksamen Vorpfändung

Schon vor Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch das Gericht kann der Gläubiger selbst nach § 845 Abs. 1 ZPO zur Sicherung seiner Forderung das FA durch die sog. Vorpfändung über die bevorstehende Pfändung benachrichtigen. Diese Benachrichtigung muss im Wesentlichen den Anforderungen entsprechen, die an den Inhalt eines Pfändungsbeschlusses zu stellen sind (Tz 3.1), sowie die Aufforderung beinhalten, nicht mehr an den Schuldner zu zahlen. Fehlt eines dieser wesentlichen Merkmale, ist die Vorpfändung unwirksam.

Auch die Vorpfändung muss durch den Gerichtsvollzieher zugestellt werden, Tz. 3.4 gilt entsprechend. Eine Zustellung durch den Gläubiger selbst oder eine von ihm beauftragte andere Person ist unwirksam und, da nicht vom Gerichtsvollzieher gewollt, auch nicht nach § 189 ZPO heilbar. Eine vor Entstehung des Anspruchs zugestellte Vorpfändung ist unwirksam. Eine Drittschuldnererklärung ist aufgrund einer Vorpfändung nicht abzugeben. Eine unwirksame Vorpfändung hat auf die Wirksamkeit einer ordnungsgemäßen Pfändung keinen Einfluss. In der Drittschuldnererklärung für den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist jedoch hierauf im Hinblick auf die unterbliebene rangwahrende Wirkung (Tz 7.2) hinzuweisen.

7.2. Wirkung der Vorpfändung

Die Vorpfändung hat nach § 845 Abs. 2 ZPO die Wirkung eines Arrests, also einer vorläufigen Beschlagnahme, und beinhaltet das Verbot einer Zahlung des FA an den Stpfl. Der Gläubiger erwirbt ein auflösend bedingtes Pfandrecht. Die Bedingung entfällt mit der fristgemäßen Pfändung. Wird der Pfändungsbeschluss, gerechnet vom Tag der Zustellung der Vorpfändung, innerhalb der Monatsfrist des § 845 Abs. 2 ZPO zugestellt, so erlangt sie (rückwirkend) den Rang, der der Vorpfändung nach dem Zeitpunkt ihrer Zustellung zukommen würde. Sie geht damit Pfändungen und/oder Abtretungen vor, die nach der Vorpfändung zugestellt wurden. Die Vorpfändung verliert ihre Wirkung, wenn die Pfändung nicht, nicht rechtzeitig oder nicht wirksam vorgenommen wird. Wird die Pfändung nach Fristablauf zugestellt, kommt ihr die rangwahrende Wirkung der Vorpfändung nicht mehr zu und sie erhält den Rang nach dem eigenen Eingang.

8. Behördliche Pfändungsverfügungen

Behördliche Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sind Verwaltungsakte im Rahmen des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens. Auch für sie gilt § 46 Abs. 6 AO, so dass vor Entstehung des Anspruchs erlassene Verfügungen nichtig sind. Zum Zeitpunkt des Erlasses s. BStBl 1990 II S. 946).

Wirksam wird eine behördliche Pfändungsverfügung mit ihrer Bekanntgabe, die mit dem Eingang beim FA bewirkt ist. Danach richtet sich deren Rangfolge in Konkurrenz mit gerichtlichen Pfändungsbeschlüssen und Abtretungen. Nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz i. V. m. Art. 26 Abs. 5 des Bayer. Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) können Gemeinden, Landkreise, Bezirke und Zweckverbände ihre Pfändungs- und Einziehungsverfügungen auch per Telefax zustellen. In diesem Fall ist an die Vollstreckungsbehörde eine mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbestätigung zurückzusenden (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VwZVG).

Im Übrigen gelten die Regelungen über gerichtliche Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse mit Ausnahme der Vorpfändung entsprechend.

9. Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Eingang des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses

Im Insolvenzverfahren berechtigt die Pfändung den Pfandgläubiger zur abgesonderten Befriedigung (§§ 50 Abs. 1, § 51 Nr. 1 InsO). Die abgesonderte Befriedigung erfolgt nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 InsO.

Die abgesonderte Befriedigung setzt ein wirksames und unanfechtbares Recht voraus. Ein Pfändungspfandrecht an einem Erstattungsanspruch, das unter die Rückschlagsperre (§ 88 InsO) fällt, ist unwirksam und für das FA unbeachtlich. Dies ist dann der Fall, wenn der Pfandgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eine Sicherung an dem Erstattungsanspruch erlangt hat. Der Erstattungsanspruch ist in diesem Fall an den Verwalter auszuzahlen, soweit nicht mit Steuerrückständen gem. § 406 BGB aufgerechnet werden kann.

Wurde die Pfändung vom Insolvenzverwalter erfolgreich angefochten (§§ 129 ff. InsO) ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss für das Finanzamt unbeachtlich.

Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 0166.1.1-13/3 St 43

Fundstelle(n):
OAAAG-91362