Festsetzung von Hinterziehungszinsen auf Einkommensteuervorauszahlungen: generelle Zulässigkeit, Verfassungsmäßigkeit, Beginn
und Ablauf der Festsetzungsfrist
1. Einkommensteuer-Vorauszahlungen sind Steuern i. S. d. § 3 Abs. 1 AO, die als solche Gegenstand einer Steuerhinterziehung
gem. § 370 Abs. 1 AO sein und folglich zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen führen können. Der objektive Tatbestand einer
Steuerhinterziehung ist in Bezug auf verkürzte Vorauszahlungen daher erfüllt, wenn der Steuerpflichtige in der Jahressteuererklärung
Einkünfte aus Kapitalvermögen verschweigt und dadurch bewirkt, dass die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für einen nachfolgenden
Veranlagungszeitraum von der Finanzbehörde zu niedrig festgesetzt werden.
2. Die Festsetzungsfrist für die Festsetzung von Zinsen auf hinterzogene Vorauszahlungen beginnt bei system- und verfassungskonformer
Auslegung der maßgebenden Vorschriften mit Ablauf des Tages, an dem gem. §§ 170 Abs. 1, 169 Abs. 2 S. 2 AO letztmals geänderte
Vorauszahlungsbescheide hätten erlassen werden können. § 37 Abs. 3 S. 3 EStG bleibt insoweit außer Betracht; die Vorschrift
enthält keine Spezialvorschrift zur Regelung der Festsetzungsverjährungsfristen für Vorauszahlungen, die § 169 Abs. 2 S. 2
AO vorgeht. Der Senat folgt nicht der Auffassung, dass die Verjährung der Hinterziehungszinsen auf die Vorauszahlungen zusammen
mit der Verjährung der Hinterziehungszinsen auf die Jahressteuer eintrete (so wohl ).
3. Für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen auf hinterzogene Vorauszahlungen ist nicht erforderlich, dass die hinterzogene
Steuer zuvor (zutreffend) festgesetzt wurde. Die hinterzogene Steuer i. S. d. § 235 AO berechnet sich aus der Differenz zwischen
den tatsächlich festgesetzten Vorauszahlungen und den Vorauszahlungen, die gem. § 37 Abs. 3 EStG bei stets pflichtgemäßen
und wahrheitsgemäßen Angaben festgesetzt worden wären (vgl. 7 K 235413 E).
4. Der Zinslauf der Hinterziehungszinsen auf Einkommensteuer-Vorauszahlungen beginnt zum Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 37
Abs. 1 S. 1 EStG bzw. in Fällen, in denen eine nachträgliche Festsetzung/Anpassung von Vorauszahlungen nach § 37 Abs. 3 S.
3 EStG erfolgte, zum Zeitpunkt der Festsetzung. Der Zinslauf ist im Wege einer teleologischen Reduktion auf den Zeitraum bis
zum Beginn der Vollverzinsung nach § 233a AO zu begrenzen.
5. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen auf hinterzogene Vorauszahlungen verletzt nicht den Grundsatz der Gleichmäßigkeit
der Besteuerung gemäß Art. 3 GG.
6. Gegen den in § 238 Abs. 1 S. 1 AO festgelegten Zinssatz von einhalb Prozent für jeden Monat bestehen keine verfassungsrechtlichen
Bedenken.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n): EFG 2018 S. 1430 Nr. 17 GStB 2018 S. 434 Nr. 12 HAAAG-90028
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FG Baden-Württemberg, Urteil v. 09.02.2018 - 13 K 3586/16
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