Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, gab im Jahre 1985 aufgrund eines Beschlusses ihrer Hauptversammlung vom an ihre Aktionäre Genussscheine aus. Die aufgrund der Ausstattung der Genussscheine sich ergebende Zahlungsverpflichtung der Klägerin betrug am ... DM. Die Klägerin erfüllte die Zahlungsverpflichtungen im Jahre 1986. Hierdurch ergab sich für den Veranlagungszeitraum 1986 eine ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuerminderung in Höhe von ... DM.
Durch (Änderungs-)Bescheid vom stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den auf ... DM fest. Hierbei berücksichtige das FA die Zahlungsverpflichtungen der Klägerin aufgrund der Genussscheine nicht mit dem Nennwert von ... DM, sondern kürzte diesen Wert um die ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuerminderung.
Auf die —nach erfolglos gebliebenem Einspruch erhobene— Klage stellte das Finanzgericht (FG) den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf ... DM fest. Das FA habe zu Unrecht die Zahlungsverpflichtungen der Klägerin aus den Genussscheinen unter dem Nennwert angesetzt. Die Körperschaftsteuerminderung wirke sich am maßgeblichen Stichtag nicht aus.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 12, § 98a, § 103 und § 109 des Bewertungsgesetzes (BewG). Der aufgrund der Genussscheinverpflichtung anzusetzende Schuldposten sei unter Berücksichtigung der Ausschüttungsbelastung zu bewerten. Der Schuldposten stelle für die Klägerin nur in Höhe des um die Körperschaftsteuerminderung ermäßigten Betrages tatsächlich eine wirtschaftliche Belastung dar. Die Körperschaftsteuerminderung sei bereits zum Jahreswechsel 1985/1986 nach den Umständen ”ganz überwiegend wahrscheinlich” gewesen.
Das FA beantragt, das aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, dass die in Folge der Bedienung der Genussscheine eingetretene Körperschaftsteuerminderung weder bei der Bewertung der Verpflichtungen der Klägerin aus den Genussscheinen noch bei der Höhe der zum anzusetzenden Körperschaftsteuerschuld zu berücksichtigen ist.
1. Die am Stichtag bestehenden Verpflichtungen der Klägerin gegenüber ihren Gesellschaftern aus den Genussscheinen für das Jahr 1985 sind —entgegen der Auffassung des FA— mit dem Nennwert anzusetzen. Gründe, diese Verpflichtungen unter dem Nennwert auszuweisen, liegen nicht vor. Insbesondere stellt die infolge der Bedienung der Genussscheine bei der Klägerin eingetretene Körperschaftsteuerminderung keinen Umstand dar, der es rechtfertigen könnte, die Zahlungspflichten der Klägerin mit einem Betrag unterhalb des Nennwerts zu bewerten.
Dem steht schon das Stichtagsprinzip entgegen. Bei der Bewertung von Kapitalforderungen und Geldschulden kommt es —wie bei der Bewertung aller anderen Wirtschaftsgüter— auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bewertung an. Dies schließt es generell aus, erst nach dem Stichtag eingetretene Umstände bei der Bewertung zu berücksichtigen (Rid in Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Lieferung November 1998, § 12 BewG Rdnr. 11 f.). Im Streitfall war die Körperschaftsteuerminderung am Stichtag noch nicht eingetreten. Hierzu bedurfte es nach § 27 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1984 (KStG a.F.) der tatsächlichen Ausschüttung an die Gesellschafter der Klägerin, die erst nach dem Stichtag vorgenommen wurde. Die Gegenrechnung der 1986 eingetretenen Körperschaftsteuerermäßigung bereits am Stichtag würde zur Berücksichtigung eines erst nach dem maßgeblichen Stichtag eingetretenen ”Vermögenszuwachses” führen und damit dem Stichtagsprinzip widersprechen.
Auch handelt es sich —was das FG zutreffend erkannt hat— bei der als Folge der Ausschüttung eingetretenen Körperschaftsteuerminderung nicht um einen ”besonderen Umstand” i.S. von § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG, der einen geringeren Wert der Verpflichtungen der Klägerin gegenüber den anspruchsberechtigten Gesellschaftern begründen könnte. Denn die steuerrechtlichen Auswirkungen, die infolge der Erfüllung der Verpflichtung bei der Klägerin eintreten, haften der zu bewertenden Leistungspflicht als solcher nicht an, sie sind ihr nicht ”immanent” (vgl. , BFHE 91, 423, BStBl II 1968, 338, und vom III 181/64, BFHE 93, 323, BStBl II 1968, 794, unter II. 3.). ”Besondere Umstände” i.S. von § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG können sich nur aus dem Schuldverhältnis als solchem oder aus der Person des Vertragspartners ergeben, z.B. in der Vereinbarung einer hohen oder niedrigen Verzinsung oder in der Uneinbringlichkeit einer Forderung liegen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BewG). Auf einem anderen Rechtsgrund beruhende Umstände, die sich auf die Vermögenslage des Verpflichteten auswirken, rechtfertigen keine Bewertung der Schuld unter dem Nennwert.
Soweit sich die Klägerin —worauf das FA verweist— durch die Körperschaftsteuerminderung wirtschaftlich teilweise ”schadlos” halten konnte, ergibt sich dies nicht aus dem der Zahlungsverpflichtung zugrunde liegenden Schuldverhältnis, sondern ist Folge eines anderen, nämlich öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnisses. Der Wert der Verpflichtungen gegenüber den anspruchsberechtigten Gesellschaftern blieb hierdurch unberührt. Denn diese konnten unabhängig von den steuerrechtlichen Auswirkungen die Erfüllung ihrer Forderungen zum vollen Nennwert verlangen. Die bei der Klägerin erst nach dem Stichtag eingetretene Körperschaftsteuerminderung konnte sich somit erst am nächst folgenden Stichtag auswirken.
2. Auch die mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums 1985 entstandene Körperschaftsteuerschuld kann die Klägerin ohne Berücksichtigung der Körperschaftsteuerminderung von der Summe der einzelnen —positiven— Wirtschaftsgüter abziehen. Nach § 105 Abs. 1 BewG i.d.F. vor der Aufhebung durch das Steueränderungsgesetz 1992 sind Schulden aus laufend veranlagten Steuern (nur) abzuziehen, wenn sie spätestens im Feststellungszeitpunkt fällig geworden sind oder wenn sie für einen Zeitraum erhoben werden, der spätestens im Feststellungszeitpunkt geendet hat. Da die veranlagte Körperschaftsteuer mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht (§ 48 KStG a.F., § 38 der Abgabenordnung —AO 1977—), bedeutet dies, dass die auf dem Jahresgewinn beruhende Körperschaftsteuer zum Abschlusszeitpunkt 31. Dezember (§ 106 Abs. 2 BewG i.d.F. vor Aufhebung durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform) bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als Schuldposten abzuziehen ist (, BFHE 175, 302, BStBl II 1994, 946, und vom II R 231/84, BFHE 143, 375, BStBl II 1985, 361). Voraussetzung für den Abzug ist zwar, dass der Steuerpflichtige bereits am Stichtag mit der Belastung rechnen konnte; dies ist aber regelmäßig bei Jahressteuerschulden in Höhe der später veranlagten und nicht durch Vorauszahlungen gedeckten Steuern der Fall (, BFHE 176, 35, BStBl II 1995, 45). Dabei ist davon auszugehen, dass die Körperschaftsteuerschuld aufgrund der Veranlagung mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums 1985 in Höhe von (damals) 56 v.H. des zu versteuernden Einkommens (§ 23 Abs. 1, § 48 KStG a.F.) entstanden ist.
Die Minderung der Körperschaftsteuerschuld der Klägerin auf (seinerzeit) 36 v.H. des steuerpflichtigen Einkommens nach § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. für die im Jahre 1986 vorgenommenen Ausschüttungen kann (noch) nicht berücksichtigt werden, da das zur Steuerminderung führende Ereignis (Ausschüttung) am Stichtag noch nicht vorlag (vgl. BFH-Urteile in BFHE 175, 302, BStBl II 1994, 946, und in BFHE 143, 375, BStBl II 1985, 361, unter 4.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 447
BFH/NV 2003 S. 447 Nr. 4
YAAAA-70178