Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Naamloze Vennootschap (N.V.) mit Sitz in den Niederlanden erwarb durch Verträge vom
25,1355 v.H. der Anteile an der A B.V. sowie
alle Anteile an der B B.V., die ihrerseits 74,8645 v.H. der Anteile an der A B.V. hielt.
Die A B.V. war Alleingesellschafterin der C B.V., die ihrerseits als Gesellschafterin unmittelbar zu 60 v.H. sowie über eine 100 v.H.-Beteiligung an der D B.V. mittelbar zu weiteren 40 v.H. an der N-GmbH, einer Gesellschaft mit Grundbesitz in X (Inland), beteiligt war.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nahm eine mittelbare Vereinigung aller Anteile an der N-GmbH in der Hand der Klägerin an und setzte durch Bescheid vom Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von ... DM (140 v.H. des Einheitswerts der der N-GmbH gehörenden Grundstücke) in Höhe von ... DM gegen die Klägerin fest.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, die Erhebung der Grunderwerbsteuer für einen rein niederländischen Vorgang verstoße gegen das Europarecht sowie gegen niederländisches Recht, blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führt in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 696 veröffentlichten Urteil aus, die Rechtmäßigkeit der Besteuerung des Erwerbs eines inländischen Grundstücks sei auch bei ausschließlicher Beteiligung ausländischer Gesellschaften nach deutschem Recht zu beurteilen. Die Klägerin werde auch weder in ihrer Niederlassungsfreiheit beschränkt, noch sonst diskriminiert.
Mit der Revision macht die Klägerin weiterhin geltend, durch die Festsetzung der Grunderwerbsteuer in ihrer Niederlassungsfreiheit verletzt zu sein. Sie rügt einen Verstoß gegen Art. 52 des Vertrages über die Europäische Union vom —EUVtr— (entspricht: Art. 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft —EGVtr—). Die Besteuerung des Anteilserwerbs stelle ein Umstrukturierungshindernis dar und behindere konzerninterne Anteilsübertragungen. Solche Anteilsübertragungen seien nach niederländischem Recht steuerfrei. Sie habe davon ausgehen können, dass der Anteilserwerb steuerfrei sei.
Die Klägerin beantragt, das sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat ohne Rechtsverstoß die Klage abgewiesen.
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes —GrEStG— (in der für den Streitfall maßgebenden Fassung —GrEStG a.F.—) unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, wenn durch die Übertragung alle Anteile an dieser Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen vereinigt würden. Die Steuerpflicht wird allein durch den Erwerb des letzten Anteils ausgelöst. Dabei ist der Vorgang, der zum Erwerb dieses Anteils führt, zwar das die Steuer auslösende Moment; Gegenstand der Steuer ist jedoch nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete Zuordnung aller Anteile in einer Hand. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (, BFHE 195, 427, BStBl II 2002, 156, und vom II R 92/81, BFHE 135, 556, BStBl II 1982, 424).
Eine Vereinigung aller Anteile in einer Hand i.S. von § 1 Abs. 3 Nr. 1 (und Nr. 2) GrEStG liegt nicht nur dann vor, wenn der Anteilserwerber die Anteile einer Gesellschaft mit Grundbesitz selbst (unmittelbar) hält, sondern auch dann, wenn es sich bei der Beteiligung des Anteilserwerbers nur um eine mittelbare, d.h. über eine andere Gesellschaft vermittelte handelt, an der er zu 100 v.H. beteiligt ist (, BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121). Denn die Anteilsvereinigung will die Sachherrschaft erfassen, welche jemand an dem Gesellschaftsgrundstück über die rechtliche Verfügungsmacht an den Gesellschaftsanteilen erlangt. Aus dieser Sicht kommt es nicht darauf an, ob diese Sachherrschaft unmittelbar oder mittelbar durch eine oder mehrere zwischengeschaltete Gesellschaften ausgeübt wird (vgl. , BFHE 130, 72, BStBl II 1980, 360; vom II R 237/85, BFHE 148, 340, BStBl II 1987, 225, und in BFHE 195, 427, BStBl II 2002, 156).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Durch die Verträge vom hat die Klägerin teils unmittelbar (25,1355 v.H. der Anteile) teils mittelbar (74,8645 v.H. der Anteile), vermittelt über den Erwerb aller Anteile an der B B.V. alle Anteile an der A B.V. in ihrer Hand vereinigt. Hierdurch hat sie zugleich mittelbar, vermittelt durch die 100 v.H.-Beteiligung der A B.V. an der C B.V. sowie deren teils unmittelbare (60 v.H.) teils mittelbare (40 v.H.), über die 100 v.H.-Beteiligung an der D B.V. vermittelte Beteiligung an der N-GmbH, alle Anteile an einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz, nämlich der N-GmbH in ihrer Hand vereinigt.
Das FG ist auch ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, dass es für die Entstehung der Grunderwerbsteuer unerheblich ist, dass an dem im Ausland abgewickelten Anteilserwerb ausschließlich Gesellschaften mit Sitz in den Niederlanden beteiligt waren. Denn Gegenstand der Steuer ist —wie dargelegt— nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete Zuordnung aller Anteile in einer Hand und die damit verbundene Fiktion des Erwerbs eines (inländischen) Grundstücks. Dementsprechend kommt es nur auf die Lage der von dem fiktiven Grunderwerb erfassten Grundstücke im Inland an (so schon Urteil des Reichsfinanzhofs —RFH— vom II A 346/29, RStBl 1929, 498).
Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer beschränkt nicht die in Art. 52 EUVtr —entspricht 43 EGVtr— garantierte Niederlassungsfreiheit der Klägerin und verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot. Gemäß Art. 52 EUVtr gewährt die Niederlassungsfreiheit nur ein Recht auf Inländergleichbehandlung. Die Mitgliedstaaten haben deshalb bei der Ausgestaltung ihres nationalen Steuerrechts das Beschränkungsverbot des Art. 52 EUVtr zu berücksichtigen und müssen jede offensichtliche oder versteckte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unterlassen (s. hierzu Bröhmer in Callies/Ruffert, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl. 2002, Art. 43 EGVtr Rdnr. 21, 33, m.w.N.). Ein Verstoß des nationalen Steuergesetzes gegen die Niederlassungsfreiheit liegt nur vor, wenn die steuerliche Belastung unmittelbar oder mittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpft oder die Steuerpflicht in ihren Auswirkungen Inländer und EG-Ausländer ungleich betreffen. Entgegen der Auffassung der Klägerin können bloße Unterschiede in der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten nicht als Niederlassungsbeschränkung aufgefasst werden (Bröhmer in Callies/Ruffert, a.a.O., Rdnr. 32).
Die hier maßgebliche Regelung in § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. knüpft weder unmittelbar noch mittelbar an die Staatsangehörigkeit der Beteiligten an. Auch ist nicht erkennbar, dass es sich um eine versteckte Niederlassungsbeschränkung handelt. Denn von dieser Steuernorm werden EG-Ausländer typischerweise nicht häufiger betroffen als Inländer. Der Mitgliedstaat ist nicht verpflichtet, einen im Inland durchgängig steuerbaren Grunderwerb nur deshalb von der Besteuerung auszunehmen, weil dieser in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Niederlassung steht und im Wohnsitzstaat des EG-Ausländers von der Grunderwerbsteuer freigestellt ist.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 505
BFH/NV 2003 S. 505 Nr. 4
NAAAA-70160