BFH Beschluss v. - II B 199/01

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden als Eheleute zusammen zur Vermögensteuer veranlagt. Nach einer Fahndungsprüfung setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) durch vom August 1989 bis Januar 1990 ergangene Bescheide Vermögensteuer für 1977 bis 1982, 1985 und 1986 fest. Die Kläger legten gegen diese Bescheide Einsprüche ein und beantragten Aussetzung der Vollziehung (AdV). Diese wurde ihnen gewährt. Nach erfolglos gebliebenen Klageverfahren wurden die angefochtenen Vermögensteuerbescheide im Jahr 1999 rechtskräftig. Durch Bescheid vom setzte das beklagte FA für die Dauer der gewährten AdV nach § 237 der Abgabenordnung (AO 1977) Aussetzungszinsen fest.

Gegen die Zinsfestsetzung legten die Kläger Einspruch ein und beantragten zugleich Erlass der Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen. Zur Begründung machten sie in erster Linie geltend, es seien ihnen Steuererstattungen mit ”alter Wertstellung” in einer Gesamthöhe ausgezahlt worden, die deutlich höher sei als die geschuldete Vermögensteuer, für die das FA Aussetzungszinsen festgesetzt habe. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück und lehnte den beantragten Erlass der Zinsen ebenfalls ab. Auch den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.

Die hiergegen gerichteten Klagen wurden vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Die Revision hat das FG nicht zugelassen.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger, mit der diese Verfahrensmängel und Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als Gründe zur Zulassung der Revision geltend machen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist unbegründet. Es liegt kein Grund zur Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

1. Die von den Klägern als Zulassungsgrund (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO) geltend gemachte Abweichung von Entscheidungen des BFH besteht schon deshalb nicht, weil sich der angeführte Rechtssatz, ein Billigkeitserlass nach § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO 1977 könne dann nicht gewährt werden, wenn ein Steuerpflichtiger AdV in Anspruch genommen habe, der Entscheidung des FG nicht entnehmen lässt. Die Aussage des FG, ein Steuerpflichtiger habe es in der Hand, von einem Antrag auf AdV abzusehen, und die festgesetzte Steuerschuld bei Fälligkeit zu begleichen, weist lediglich auf diese Dispositionsmöglichkeit eines Steuerpflichtigen hin, besagt jedoch keinesfalls, dass nach Auffassung des FG ein Billigkeitserlass stets ausgeschlossen sein soll.

2. Die sonstigen von den Klägern gegen das FG-Urteil erhobenen (materiell-rechtlichen) Rügen verhelfen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg, da sie dem Begründungserfordernis des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht entsprechen. In der Beschwerdebegründung (B. II. und III.) werden einzelne Ausführungen in der FG-Entscheidung zwar in Frage gestellt bzw. für rechtlich unzutreffend gehalten, es wird jedoch nicht dargelegt —wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt—, warum sich daraus ein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO ergibt.

3. Auch die geltend gemachten Verfahrensmängel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen nicht vor.

Das FG hat den von den Klägern (auch) in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, das FA zur Vorlage eines Journals über die Buchungsvorgänge auf ihren Steuerkonten aufzufordern, nicht berücksichtigt. Darin liegt jedoch kein Verfahrensmangel, der zur Aufhebung der Entscheidung führen könnte. Für die Frage, ob ein Verfahrensverstoß vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen. Der betreffende Beweisantrag der Kläger zielte dahin, den Nachweis zu erbringen, dass während des Zeitraums der AdV Steuererstattungsansprüche der Kläger bestanden haben. Nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG kommt es darauf jedoch für seine Entscheidung nicht an. Das FG ist vielmehr der Auffassung, dass das Bestehen von Steuererstattungsansprüchen während des Zeitraums der AdV für sich allein kein Grund für eine Billigkeitsmaßnahme ist. Die Ausführungen des FG darüber, dass Guthaben der Kläger im betreffenden Zeitraum nicht bestanden bzw. von den Klägern auch nicht schlüssig behauptet worden seien, sind daher nur eine hilfsweise Begründung. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde erhobene Einwendungen gegen diese Hilfsbegründung sind im Beschwerdeverfahren nur dann von Bedeutung, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde zugleich aufgrund zulässig erhobener Rügen die Hauptbegründung des FG in Frage gestellt wird. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die von den Klägern gegen die Ablehnung ihres Beweisantrags geltend gemachten Verfahrensmängel (Verletzung rechtlichen Gehörs, Verstoß gegen die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 76 FGO, Verletzung richterlicher Hinweispflicht) gehen daher ins Leere.

4. Die Entscheidung des FG verletzt entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht § 119 Nr. 6 FGO. Es ist zwar zutreffend, dass ein Urteil auch dann nicht als mit Gründen versehen anzusehen ist, wenn das Gericht einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergeht (Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rdnr. 25, m.w.N.). Es kann dahingestellt bleiben, ob die vorgeblich vom FG nicht berücksichtigten Ausführungen der Kläger als selbständige Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel angesehen werden könnten, da das FG sich in seiner Entscheidung auch mit diesen Argumenten der Kläger auseinander gesetzt hat (vgl. z.B. —worauf das FA hinweist— 2. b der Entscheidungsgründe).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 330
BFH/NV 2003 S. 330 Nr. 3
DAAAA-70120