Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1991 gegründete, zwischenzeitlich mehrfach umfirmierte GmbH, die zunächst in der Baubranche tätig war. Ihr Stammkapital von 400 000 DM hielten fünf Gesellschafter (A, B, C, D und E) mit jeweils 20 v.H. der Anteile.
Am wurde das Stammkapital der Klägerin um 600 000 DM erhöht. Die Klägerin stellte das bisherige Baugeschäft ein und entließ die überwiegende Zahl an Mitarbeitern. Durch Sacheinlage wurden ihr ca. 900 000 DM neues Betriebsvermögen zugeführt, das bisherige Betriebsvermögen wurde veräußert und der Geschäftsführer abbestellt. Gegenstand des Unternehmens war nunmehr die Planung und Konstruktion, die Ausführung und der Vertrieb von kommunikationstechnischen Anlagen jeder Art, inklusive des dazugehörigen Hoch- und Tiefbaus, der Handel mit elektrischen und industriellen Maschinen, die Übernahme von Vertretungen einschlägiger Fabrikate sowie die Beteiligung an elektrischen und industriellen Bauausführungen für eigene und fremde Rechnungen. Darüber hinaus ist die Gesellschaft befugt, elektrische und industrielle Anlagen in eigener Regie zu betreiben.
Die neuen Anteile wurden von einer KG (KG I), durch Einlage eines Teilbetriebs übernommen. Die Beteiligungen der bisherigen fünf Gesellschafter verringerten sich dadurch auf je 8 v.H. Die KG I übernahm 60 v.H. der Stammeinlage. An ihr sind als persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH (GmbH II), mit 250 000 DM, und als Kommanditistin eine weitere KG (KG II), mit 4 750 000 DM beteiligt. Gesellschafter der KG II sind als Komplementärin eine dritte GmbH (GmbH III), mit 4 v.H. sowie als Kommanditistin die fünf Gesellschafter der Klägerin, von diesen A, B, C und D zu 18,89 v.H. und E zu 20 v.H.
Die Einbringung des Teilbetriebs im Rahmen der Erhöhung des Stammkapitals am erfolgte rückwirkend auf den zu Buchwerten. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr auf den 30. Juni des Jahres.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ließ im Streitjahr 1998 den zum vorhandenen Verlustvortrag unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. von Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom —KStG 1996 n.F.— (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928), § 10a Satz 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und Tz. 28 des dazu ergangenen Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 1999, 455) wegen Verlustes der wirtschaftlichen Identität nicht zum Abzug zu.
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 863 abgedruckt.
Die Klägerin stützt ihre Revision auf Verletzung des § 8 Abs. 4 KStG 1996.
Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide dahin zu ändern, dass bei der Körperschaftsteuer 1998 ein zusätzlicher Verlust von 1 650 701 DM und beim Gewerbesteuermessbetrag 1998 ein zusätzlicher Verlust von 1 703 875 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Im Streitfall sind die Rechtsfragen entscheidungserheblich,
- ob die Übernahme von 60 v.H. des Stammkapitals einer Körperschaft anlässlich einer Kapitalerhöhung einer entsprechenden Anteilsübertragung i.S. von § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n.F. gleichsteht,
- ob die Übernahme der Anteile durch eine mit den übrigen Anteilseignern annähernd personenidentische KG zum Verlust der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft i.S. des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n.F. führt.
1. Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 1996, für die Ermittlung des Gewerbeertrages i.V.m. § 10a Satz 4 GewStG, ist Voraussetzung für den Abzug von Verlusten nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) und für die Kürzung des Gewerbeertrags um Fehlbeträge bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. § 8 Abs. 4 KStG 1996 definiert die ”wirtschaftliche Identität” einer Körperschaft nicht, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft (”insbesondere"; vgl. , BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 829; vom I R 29/00, BFHE 196, 178, BStBl II 2002, 392; Senatsbeschluss vom I R 58/01, BFHE 197, 246, BStBl II 2002, 395), wann eine wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben ist. Die Vorschrift setzt damit aber zugleich mittelbar einen Maßstab für die unter Satz 1 der Vorschrift zu fassenden Sachverhalte. Sie müssen Voraussetzungen erfüllen, die mit den in Satz 2 genannten wirtschaftlich vergleichbar sind.
Nach dem Regelbeispiel in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 i.d.F. bis zur Änderung durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom (KStG 1996 a.F.) fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität, wenn —erstens— bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als 75 v.H. der Geschäftsanteile übertragen werden, —zweitens— überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und —drittens— der Geschäftsbetrieb mit diesem neuen Betriebsvermögen wieder aufgenommen wird. Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n.F. sind diese Voraussetzungen in zwei Punkten verschärft worden: Die wirtschaftliche Identität fehlt danach bereits dann, wenn mehr als 50 v.H. der Geschäftsanteile übertragen werden und wenn der Geschäftsbetrieb mit dem überwiegend neuen Betriebsvermögen fortgeführt wird.
2. Das FG hat angenommen, dass § 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F. im Streitfall anzuwenden, und dass die Voraussetzungen des gesetzlichen Hauptanwendungsfalles fehlender wirtschaftlicher Identität in Satz 2 der Vorschrift erfüllt sind.
Ob dem beizupflichten ist, hängt zum einen von der Beantwortung der Frage ab, ob eine Kapitalerhöhung einer Anteilsübertragung i.S. von § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 gleichsteht. Zum anderen ist die Frage zu beantworten, ob die Übernahme der neuen Anteile durch die KG trotz der mittelbar weiterhin bestehenden, beherrschenden Beteiligung der Altgesellschafter als Gesellschafter der KG zum Verlust der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft führt.
a) Der Senat neigt dazu, die erste Frage zu bejahen.
Bei der Kapitalerhöhung und Sacheinbringung in die Verlustgesellschaft liegt strenggenommen zwar keine Übertragung bisheriger Anteile vor. Berücksichtigt man aber, dass Satz 2 des § 8 Abs. 4 KStG 1996 nur einen Beispielsfall darstellt, so spricht viel dafür, dass diese Sachverhalte nicht anders behandelt werden dürfen als die eigentliche Anteilsübertragung (so z.B. Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz § 8 KStG Rz. 191 d ff.; Dötsch in Dötsch/ Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8 KStG Rz. 575; derselbe, Der Betrieb —DB— 1988, 1767, 1769; Moog, DB 2000, 1638; kritisch demgegenüber z.B. B. Lang in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz. 1289.1).
b) Wie sich die geschilderten Vorgänge auf die wirtschaftliche Identität der Körperschaft i.S. des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n.F. auswirken, wenn die neuen Anteile von einer mit den übrigen Anteilseignern annähernd personenidentischen KG übernommen werden, ist umstritten. Das hängt davon ab, ob man auf den wirtschaftlichen Fortbestand der Gesellschafterstruktur ohne Austausch des ”personalen Substrats” abstellt, oder aber auf den Umstand des formalen Austauschs der Anteilseigner.
Der Senat hat dazu durch Gerichtsbescheid vom heutigen Tage I R 61/01 entschieden, dass die Veräußerung von Geschäftsanteilen einer Kapitalgesellschaft, die an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, nicht gemäß § 8 Abs. 4 KStG 1991 den Verlust der wirtschaftlichen Identität dieser anderen Kapitalgesellschaft nach sich zieht. Unterstellt, man folgt dieser Rechtsauffassung, könnte dem auch für den —umgekehrten und im Streitfall in Rede stehenden— Sachverhalt Bedeutung zukommen, dass zwar die bisherigen, unmittelbar beteiligten Anteilseigner ihren beherrschenden Einfluss auf die betreffende Körperschaft behalten, dass sie diesen Einfluss aber nur noch mittelbar als Gesellschafter jener Personengesellschaft ausüben, die nunmehr als unmittelbare Gesellschafterin der Körperschaft in Erscheinung tritt (z.B. Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 8 KStG Rz. 191 g ff. und 185 a; kritisch Moog, DB 2000, 1638; Djanani/Brähler/Zölch, Betriebs-Berater 2000, 1497; B. Lang in Arthur Andersen, a.a.O., § 8 Rz. 1291 ff.): Stellt man auf die zivilrechtliche Subjektivität der Personengesellschaft als Anteilseignerin ab, hätte dies den Verlust der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft zur Folge. Stellt man hingegen die ertragsteuerrechtliche Sichtweise in den Vordergrund, müsste ggf. berücksichtigt werden, dass bei einer Personengesellschaft anders als bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft die einzelnen Gesellschafter gemäß § 15 EStG unmittelbar an dem im Gesamthandsvermögen befindlichen Beteiligungsbesitz beteiligt bleiben (vgl. dazu Moog, ebenda; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, a.a.O., § 8 Abs. 4 KStG n.F. Rz. 529).
3. Die beiden aufgeworfenen Rechtsfragen stellen sich unabhängig von der daneben bestehenden Frage nach der formellen Verfassungsmäßigkeit von § 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F. gemäß Art. 20 Abs. 3, Art. 76 Abs. 1 des Grundgesetzes (vgl. den gleichgelagerten Vorlagebeschluss des Senats vom I R 38/99, BFHE 196, 232, BStBl II 2002, 27 betreffend § 12 Abs. 2 Satz 4 des Umwandlungssteuergesetzes 1995, ebenfalls i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform). Nur dann, wenn die ersteren zuungunsten der Klägerin zu beantworten wären, ergäbe sich insoweit eine Entscheidungsrelevanz.
4. Der Senat hält es für zweckmäßig, wenn das BMF zu den beiden Ausgangsfragen Stellung nähme. Dieses wird deswegen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung aufgefordert, dem Verfahren beizutreten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 348
BFH/NV 2003 S. 348 Nr. 3
DStRE 2003 S. 166 Nr. 3
KÖSDI 2003 S. 13639 Nr. 3
IAAAA-70059