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Online-Nachricht - Montag, 02.07.2018

Verfahrensrecht | Gemeinnützigkeit einer islamischen Religionsgemeinschaft (FG)

Eine islamische Religionsgemeinschaft kann gemeinnützig sein (; rkr.).

Sachverhalt: Der Kläger ist nach seiner Vereinssatzung eine islamische Religionsgemeinschaft, die unmittelbar und mittelbar durch ihre Mitglieder der umfassenden Glaubensverwirklichung dient. Der Kläger widmet sich der Pflege, Vermittlung und Ausübung der islamischen Religion im Rahmen des Grundgesetzes und der Pflege des interkulturellen und interreligiösen Dialogs. Jede Person muslimischen Glaubens kann Mitglied werden. Auf seiner Internetseite distanziert sich der Kläger von Personen, die zu Gewalt, Extremismus und Fremdfeindlichkeit aufrufen. Seine Aktivitäten bestehen insbesondere in der Durchführung und Organisation des wöchentlichen Freitagsgebets, des Fastenmonats Ramadan mit Abendessen, Infoständen zum Islam in der Fußgängerzone, der Unterstützung von Gemeindemitgliedern, der Reparaturen in Gebetsräumen, der Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge sowie Arabischunterricht. Der Kläger nimmt an interreligiösen Dialogen der Stadt und am Erfahrungsaustausch zwischen Landratsamt, Polizeipräsidium, Stadt und muslimischen Gemeinden teil. Er beteiligt sich aktiv an den internationalen Wochen gegen Rassismus. Der Verein ist nicht im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt.

Das beklagte Finanzamt erteilte zunächst eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit mit Widerrufsvorbehalt. Nachdem in der Moschee des Klägers ein Theologe, dem die Einreise nach Deutschland verboten gewesen war, einen Vortrag gehalten hat, widerrief das Finanzamt die Anerkennung der Gemeinnützigkeit.

Das FG Baden-Württemberg verpflichtete das Finanzamt, die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen gesondert festzustellen:

  • Grundlage der Feststellung ist die Satzung des Klägers. Diese erfüllt die abgabenrechtlichen Anforderungen.

  • Danach verfolgt der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Er fördert die Allgemeinheit, auch wenn nur Personen muslimischen Glaubens Mitglieder werden können. Dies ist bei einer muslimischen Religionsgemeinschaft sachlich gerechtfertigt.

  • Religion ist nicht auf christliche Religionsrichtungen beschränkt. Auf die tatsächliche Geschäftsführung kommt es bei einer Grundlagenfeststellung nicht an.

  • Die Tatsachenermittlung bleibt dem Veranlagungsverfahren vorbehalten.

  • Im Übrigen gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gegen die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit verstoßen hat: Dieser wird nicht in einem Verfassungsschutzbericht als extremistisch eingestuft. Mehrstufige Verlinkungen von seiner Homepage auf Literatur zum Islam sind nicht geeignet, von verfassungsfeindlichen Aktivitäten des Klägers selbst auszugehen.

  • Dies gilt auch für die Rede des Theologen: Nach den Videoaufzeichnungen und der Zeugenaussage ist es um ein vorbildliches Leben in einem nicht muslimischen Umfeld gegangen. Ein einmaliger Auftritt eines ggf. salafistischen Predigers reicht nicht aus, an der Verfassungstreue zu zweifeln.

  • Außerdem engagiert sich der Kläger im interreligiösen Dialog.

Hinweis:

Offen ließ das Gericht, "wie der Sachverhalt zu beurteilen wäre, wenn es zu regelmäßigen Auftritten solch umstrittener Persönlichkeiten kommen würde". Der Senat wies den Kläger darauf hin, "dass er künftig bei der Auswahl seiner Gastredner größere Sorgfalt walten lassen sollte". Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
VAAAG-87671