Gründe
I. Der (62-jährige) Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) unterhielt einen Gewerbebetrieb mit dem Gegenstand Kleintransporte und Vermietung, den er im April 1998 abmeldete. Bereits ab 1996 hatte er sich auf die Durchführung von Garten- und Landschaftsarbeiten verlegt. Zum meldete er ein Gewerbe ”Erdbewegungen – Ausschachtungen” an. Er führt nach eigenen Angaben vor allem Pflaster- und Teerarbeiten durch.
Am beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Gesetzes zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom (BGBl I 2001, 2267). Das FA lehnte dies ab, da angesichts des bisherigen steuerlichen Verhaltens des Antragstellers der Steueranspruch nicht gesichert sei. Er sei seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gemäß § 90 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht nachgekommen und habe fällige Steuern nicht entrichtet. Seine Steuerrückstände beliefen sich für Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag sowie für Umsatzsteuer ab 1999 und für steuerliche Nebenleistungen auf über 80 000 EUR. Der Antragsteller hat gegen die Ablehnung Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.
Zugleich begehrte er beim Finanzgericht (FG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das FG lehnte diesen Antrag ab.
Mit seiner Beschwerde rügt der Antragsteller Verletzung des § 48b EStG. Er beantragt, den FG-Beschluss aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm zumindest eine vorübergehende Freistellungsbescheinigung auszustellen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Um eine solche Regelungsanordnung geht es, wenn der Antragsteller auf dem Weg über eine einstweilige Anordnung die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung erreichen will (Senatsbeschluss vom I B 246/93, BFHE 175, 205, BStBl II 1994, 899, 900).
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats darf eine Regelungsanordnung grundsätzlich nicht erlassen werden, wenn sie die Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorwegnehmen würde. Unter diesem Gesichtspunkt ist es regelmäßig insbesondere unzulässig, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Freistellungsbescheinigung zu erteilen (Senatsbeschluss in BFHE 175, 205, BStBl II 1994, 899; Gosch in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 114 FGO Rz. 18, 81). Eine Ausnahme davon besteht nur dann, wenn der Erlass der Regelungsanordnung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unumgänglich und der Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich ist und wenn der Anordnungsgrund eine besondere Intensität aufweist (Senatsbeschluss vom I B 82/98, BFHE 186, 433, BStBl II 2000, 320). Diese Voraussetzungen sind im summarischen Verfahren nach Aktenlage zu prüfen, wobei nur die schlüssig dargelegten und glaubhaft gemachten Umstände berücksichtigt werden können.
3. Im Streitfall könnte der Antrag hiernach nur Erfolg haben, wenn sich aus dem Vortrag des Antragstellers und aus den von ihm beigebrachten Unterlagen ergäbe, dass seine Existenz gefährdet und die begehrte einstweilige Anordnung zur Beseitigung dieser Existenzgefährdung einerseits geeignet und andererseits unerlässlich ist. Daran fehlt es.
Denn der Antragsteller hat die von ihm behauptete Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz durch Nichterteilung der Freistellungsbescheinigung und damit den sog. Anordnungsgrund als Ausdruck der besonderen Eilbedürftigkeit der erstrebten gerichtlichen Entscheidung nicht in der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Weise dargelegt. Er unterstellt, dass der in dem Steuerabzug liegende Mehraufwand einen potentiellen Auftraggeber von einem Geschäftsabschluss bei fehlender Freistellungsbescheinigung abhalten könnte. Dieser würde stattdessen einen Mitbewerber, dem eine solche Bescheinigung erteilt worden sei, bevorzugen. Ein solches Vorgehen lässt sich indes nicht generell annehmen. Zwar bedeutet der Steuerabzug für den Auftraggeber eine gewisse Erschwernis. Hat dieser sich in seiner internen Organisation aber auf die Durchführung des Abzugsverfahrens eingestellt, kann diese Erschwernis —nicht anders als bei vergleichbaren steuerlichen Obliegenheiten (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer)— zu vernachlässigen sein. Das Vorhandensein oder Fehlen einer Freistellungsbescheinigung wird oftmals auch nur eines von mehreren Kriterien für die Gesamtbeurteilung des jeweiligen Angebots sein.
Davon ausgehend ist die allgemeine Behauptung des Antragstellers, er könne ohne Erteilung der Freistellungsbescheinigung seinen Beruf nicht mehr ausüben und seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft nicht mehr verdienen, nicht geeignet, die Erteilung der Bescheinigung mittels einstweiliger Anordnung und damit die ausnahmsweise Vorwegnahme der Hauptsache zu rechtfertigen. Es hätte zumindest einer substantiierten Darlegung bedurft, dass es ihm aufgrund konkreter Anhaltspunkte und infolge konkreter Erfahrungen nicht möglich sei, ohne Freistellungsbescheinigung die für ein wirtschaftliches Überleben erforderlichen Aufträge zu bekommen. Dazu gehören regelmäßig Angaben dazu, in welchem Umfang das Unternehmen von Aufträgen steuerabzugspflichtiger Leistungsempfänger abhängig ist und in welchem Umfang die fehlende Freistellungsbescheinigung die Auftragserteilung verhindert hat oder zu verhindern droht. Es hätte auch näherer Angaben zur Kundenstruktur bedurft, weil der Leistungsempfänger ohnehin vom Steuerabzug befreit ist, wenn er kein Unternehmer ist oder wenn sein Unternehmen die Vermietung von Wohnungen zum Gegenstand hat und er nicht mehr als zwei Wohnungen vermietet (§ 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG). Da die Freistellungsbescheinigung objekt- oder auftragsbezogen erteilt werden kann (vgl. § 48b Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 EStG), wären überdies Angaben dazu geboten, weshalb eine derartige beschränkte Bescheinigung nicht ausreichen würde, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Schließlich müssen die erforderlichen Angaben glaubhaft gemacht werden, was entweder durch die in der Zivilprozeßordnung (ZPO) vorgesehenen Beweismittel oder im Wege der eidesstattlichen Versicherung geschehen kann (§ 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO). Auch das ist im Streitfall unterblieben. Das FG hat die Erteilung der Freistellungsbescheinigung deswegen zu Recht versagt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 313
BFH/NV 2003 S. 313 Nr. 3
QAAAA-69862