BFH Beschluss v. - I B 130/01

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Zahlungen der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) steuerlich als Leistungsentgelte oder als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) anzusehen sind.

Die Klägerin ist eine GmbH, an deren Stammkapital zunächst X zu 85 v.H. und dessen Ehefrau zu 15 v.H. beteiligt waren. Seit November 1994 ist alleinige Gesellschafterin der Klägerin die englische H-Ltd., an der X zu 90 v.H. beteiligt ist. Direktoren der H-Ltd. sind X und sein Sohn Y. Die H-Ltd. hält außerdem 99 v.H. der Anteile an der K-Ltd., deren Sitz sich ebenfalls in England befindet.

Im Jahr 1994 zahlte die Klägerin auf Grund von Rechnungen der K-Ltd. an diese insgesamt 5 742 DM. Ferner stellte am die H-Ltd. der Klägerin Leistungen im Zeitraum vom bis zum in Rechnung. Abrechnungsgrundlage hierfür war eine Zusammenstellung von Gesamtstundenzahlen; detaillierte Stundenaufzeichnungen oder Rapportzettel liegen nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) nicht vor.

Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) die Ansicht, dass die Zahlungen der Klägerin an die K-Ltd. und an die H-Ltd. nicht auf hinreichend eindeutigen Absprachen beruhten und deshalb vGA seien. Er erließ Steuerbescheide für 1994 und 1995, in denen er den Gewinn der Klägerin u.a. um die Rechnungsbeträge erhöhte. Ferner wurden im Gefolge der Außenprüfung weitere Bescheide erlassen, die die Besteuerung der Jahre 1993 bis 1995 betrafen.

Die Klägerin focht sämtliche genannten Bescheide mit Einspruch und Klage an. Das FG entschied über diese Klage durch ein Urteil, das ausweislich seines Tenors folgende Streitgegenstände betrifft: Gewerbesteuermessbeträge 1993 bis 1995, Körperschaftsteuer 1993 bis 1995, Solidaritätszuschlag 1993 bis 1995, gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes 1993 bis 1995, gesonderte Feststellung des Gewerbeverlustes auf den bis , Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den bis , Umsatzsteuer 1993 bis 1995, Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags 1995. Mit diesem Urteil gab es der Klage hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Zahlungen an die K-Ltd. und an die H-Ltd. statt; in weiteren Streitpunkten hatte die Klage nur teilweise Erfolg. Die Revision gegen das Urteil ließ das FG nicht zu.

Das FA legte daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde ein, wobei es sowohl in der Beschwerdeschrift als auch in der Beschwerdebegründung sämtliche im Urteil aufgeführten Streitgegenstände angab. Zur Begründung des Rechtsmittels beruft es sich auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie darauf, dass das FG-Urteil teilweise von der Entscheidung des (BFHE 157, 138, BStBl II 1989, 673) abweiche.

Die Klägerin ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist, soweit sie Steuerbescheide für das Jahr 1993 sowie die Umsatzsteuerbescheide 1994 und 1995 betrifft, unzulässig. Hinsichtlich der übrigen Bescheide für die Jahre 1994 und 1995 ist sie unbegründet.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich ausweislich der Angaben in der Beschwerdeschrift und in der Beschwerdebegründung gegen alle Bescheide, die im Tenor des angefochtenen Urteils benannt sind. Dazu zählen u.a. die Bescheide wegen Umsatzsteuer 1993 bis 1995 sowie die weiteren Steuerfestsetzungen und Feststellungen für 1993. Es ist jedoch weder vom FA aufgezeigt worden noch sonst erkennbar, inwieweit sich die in der Beschwerdebegründung genannten Punkte auf die Rechtmäßigkeit jener Bescheide auswirken könnten. Mithin hat das FA insoweit dem Erfordernis, die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung darzulegen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), nicht genügt. Soweit das FG-Urteil die genannten Bescheide betrifft, ist die Nichtzulassungsbeschwerde mithin unzulässig.

2. Hinsichtlich der übrigen Bescheide ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet, da der vom FA geltend gemachte Grund für eine Revisionszulassung nicht vorliegt.

a) Allerdings geht das FA zu Recht davon aus, dass auch nach neuem Recht die Zulassungsvoraussetzung des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO gegeben ist, wenn die Entscheidung des FG auf einer Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO i.d.F. vor Geltung des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze —2.FGOÄndG— vom —BGBl I 2000, 1757— (FGO a.F.) beruht (BFH-Beschlüsse vom XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51; vom VII B 109/01, BFH/NV 2002, 663; vom IX B 130/01, BFH/NV 2002, 802). Eine solche Divergenz ist jedoch im Streitfall nicht gegeben.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt nämlich eine Divergenz im revisionsrechtlichen Sinne nur dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung des FG auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem die Divergenzentscheidung tragenden Rechtssatz abweicht (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 54, m.w.N.). Als einen solchen Rechtssatz hat das FA in der Beschwerdeschrift denjenigen bezeichnet, dass Leistungen einer Gesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter grundsätzlich vGA darstellen, wenn sie nicht auf einer im Vorhinein eindeutig getroffenen Vereinbarung beruhen. Von diesem Rechtssatz ist indessen auch das FG ausgegangen. Das ergibt sich, auch wenn es in dem angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, in hinreichender Weise aus der Urteilsbegründung.

Dort heißt es nämlich, dass zwar ”vorherige schriftliche Vereinbarungen über die Höhe der Vergütungen” nicht vorgelegen haben, jedoch nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ”solche Vereinbarungen mündlich getroffen worden waren”. Die Bezugnahme durch das Wort ”solche” kann hierbei nach dem Gesamtzusammenhang nur so verstanden werden, dass sie sowohl den ”vorherigen” Abschluss der Vereinbarungen als auch deren Inhalt (”Höhe der Vergütungen”) erfassen soll. Das FG hat mithin die Überzeugung gewonnen, dass den streitigen Leistungen mündliche Verträge zu Grunde lagen, die einerseits u.a. Bestimmungen zur Höhe der Vergütungen enthielten und andererseits vorab geschlossen worden waren. Auf dieser Annahme beruht das angefochtene Urteil.

Eine abweichende Deutung ergibt sich nicht aus der im Urteil enthaltenen Wendung, es sei ”entscheidend,…ob die berechneten Leistungen tatsächlich erbracht wurden”. Diese vom FA zitierte Formulierung bezieht sich erkennbar nur auf die ihr unmittelbar voraufgehende Aussage des FG, es sei unerheblich, ob die H-Ltd. und die K-Ltd. Domizilgesellschaften seien. Das FG ist damit also nicht von der Forderung nach einer vorherigen klaren Vereinbarung abgerückt; es hat vielmehr nur klargestellt, dass die von ihm festgestellte Vereinbarung seitens der englischen Gesellschaften unabhängig von deren Domizileigenschaft tatsächlich vollzogen worden sei. Die von der Klägerin erhobene Rüge wird von ihr folglich nicht gestützt.

Im Ergebnis weicht das angefochtene Urteil mithin nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. von der vom FA zitierten BFH-Entscheidung ab. Das gilt unabhängig davon, ob das FG den Begriff ”eindeutige Vereinbarung” zutreffend ausgelegt hat oder nicht. Letzteres könnte allenfalls zu einer Abweichung von anderen höchstrichterlichen Rechtssätzen führen; solche hat das FA aber nicht benannt.

b) Über den Bereich der bisherigen Divergenzrevision hinaus gebietet § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO eine Zulassung der Revision auch dann, wenn die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung aus anderen Gründen eine Entscheidung des BFH erfordert. Welche Fälle diese Erweiterung betrifft, ist bislang nicht abschließend geklärt. Im Streitfall muss auf diese Frage jedoch nicht eingegangen werden, da § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO in der nunmehr geltenden Fassung jedenfalls nicht diejenigen Fälle erfasst, in denen das FG lediglich einen Einzelfall unrichtig entschieden hat (BFH-Beschlüsse vom XI B 25/01, BFH/NV 2002, 213; vom X B 60/01, BFH/NV 2002, 347; vom III B 61/01, BFH/NV 2002, 666). Nur hierum könnte es indessen im Streitfall gehen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die vom FA begehrte Revision nicht zugelassen werden kann.

Fundstelle(n):
PAAAA-69858