OFD Frankfurt/M. - - S 2225 A - 009 - St 213

Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags

Verfahrensfragen

I. Antragstellung

1 Antragstellung vor dem

1 Eine formlose Antragstellung auf Durchführung der Verlustfeststellung ist nicht möglich. Vielmehr ist die Verlustfeststellungserklärung auf amtlichem Vordruck abzugeben (§ 181 Abs. 1 AO i. V. m. § 150 Abs. 1 AO und § 51 Abs. 4 Nr. 1 Buchstabe c EStG).

2 Wird der Antrag ohne gleichzeitige Abgabe einer Einkommensteuererklärung gestellt, ist ihm eine Aufstellung über die Zusammensetzung des geltend gemachten Verlustes beizufügen, die einzelnen Positionen sind nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Wie das im Einzelnen zu geschehen hat, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.

2 Antragstellung nach dem

3 Auch hier ist der amtliche Erklärungsvordruck zu verwenden. Wegen der Bezugnahme auf die Einkommensteuerfestsetzung sind dabei die beiden Kästchen „Einkommensteuererklärung” und „Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags” anzukreuzen.

4 Fehlt das Kreuz bei „Einkommensteuererklärung”, bitte ich aus Praktikabilitätsgründen davon auszugehen, dass die Einkommensteuererklärung ebenfalls gemeint war, wenn die Umstände des Einzelfalls diesen Schluss zulassen, z. B., aufgrund vorangegangenen Schriftverkehrs, wenn der Steuerpflichtige nicht beraten ist, die Erklärung bis zum Ende ausgefüllt wurde.

5 Wurde dagegen die Erklärung durch einen Angehörige der steuerberatenden Berufe erstellt, dem die Verfahrensvorschriften bekannt sind, oder fehlen Angaben zu Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen etc., macht dies Rückfragen erforderlich. Nur wenn ausnahmsweise keine Klärung herbeigeführt werden kann, ist die Verlustfeststellung wegen fehlender Einkommensteuererklärung abzulehnen.

II. Verlustkompensation durch bereits festsetzungsverjährte Einkommensteuerveranlagungen

6 Ein verbleibender Verlustvortrag kann lt. BStBl 2011 II, 963) nach Ablauf der Feststellungsfrist nicht mehr nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO gesondert festgestellt werden, wenn der Steuerpflichtige in den bereits festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträumen, in die der Verlust nach § 10d Abs. 2 EStG hätte vorgetragen werden müssen, über zur Verlustkompensation ausreichende Gesamtbeträge der Einkünfte verfügt.

7 Sofern die Gesamtbeträge der Einkünfte nur zur teilweisen Verlustkompensation ausreichen, tritt für die bereits verjährten Vortragsjahre ein Verlustverbrauch ein, ohne dass es zur Änderung der Einkommensteuerbescheide kommt. Zum jeweiligen Jahresende ist dann ein Verlustfeststellungsbescheid zu erlassen, der den Verlustverbrauch dokumentiert und den verbleibenden vortragsfähigen Verlust ausweist. Erst ab dem nächsten, noch nicht festsetzungsverjährten Veranlagungszeitraum, ist der dann noch verbliebende vortragsfähige Verlust ggf. abzugsfähig.

III. Verhältnis zwischen Einkommensteuerbescheid und Verlustfeststellungsbescheid

1 Antragstellung vor dem

8 Es besteht keine Bindungswirkung zwischen dem Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr und dem Verlustfeststellungsbescheid.

9 Mit Urteil vom (BStBl 2009 II, 897) hat der BFH entschieden, dass ein verbleibender Verlustvortrag auch dann erstmals gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen ist, wenn der Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr bestandskräftig ist, darin aber keine nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte berücksichtigt worden sind.

10 Die Möglichkeit des Erlasses eines Verlustfeststellungsbescheides ist damit nicht von der verfahrensrechtlichen Änderungsmöglichkeit der Steuerfestsetzung im Verlustentstehungsjahr abhängig.

2 Antragstellung nach dem

11 Nach der Neufassung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind. Eine entsprechende Anwendung der Regelungen in § 171 Abs. 10 AO (Ablaufhemmung), § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (Änderung von Folgebescheiden) sowie § 351 Abs. 2 AO und § 42 FGO (Anfechtung von Folgebescheiden) lässt der jeweiligen Steuerfestsetzung eine inhaltliche Bindungswirkung für die Verlustfeststellung zukommen ohne jedoch verfahrensrechtlich ein Grundlagenbescheid im Sinne des § 182 AO zu sein.

12 § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG lässt eine Ausnahme von der Bindungswirkung der Steuerfestsetzung für die Verlustfeststellung nur für den Fall zu, dass die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.

13 Ist der Einkommensteuerbescheid des erlustentstehungsjahres bestandskräftig geworden und auch nicht nach den Vorschriften der AO änderbar, kann einem später gestellten Antrag auf Verlustfeststellung für einen nicht bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigten Verlust nicht entsprochen werden. Dies gilt nach dem auch dann, wenn der Verlust bereits vor der Gesetzesänderung entstanden ist.

Mit Gerichtsbescheid hat der BFH diese Rechtsauffassung bestätigt.

Mit der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i. d. F. des JStG 2010 werde eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheides an den Einkommensteuerbescheid erreicht, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid sei. Daraus folge, dass im Feststellungsverfahren des verbleibenden Verlustvortrags die Einkünfte nicht eigenständig zu ermitteln seien. Werde der Einkommensteuerbescheid bestandskräftig und berücksichtige er keinen Verlust, komme eine Verlustfeststellung nur noch in Betracht, wenn und soweit der Steuerbescheid des Verlustentstehungsjahres nach den Vorschriften der AO änderbar sei.

Zudem sei die Regelung in § 52 Abs. 25 Satz 5 i. d. F. des JStG 2010, nach der § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG auf alle nach dem abgegebenen Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags anzuwenden ist, von Verfassungswegen nicht zu beanstanden. Sie überschreite nicht die Grenzen einer verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung.

Die bisher nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruhend gestellten Einspruchsverfahren bitte ich im Sinne des Gerichtsbescheids vom zu erledigen.

IV. Anfechtbarkeit von Verlustfeststellungsbescheiden

1 Antragstellung vor dem

14 Da die Einkommensteuerbescheide für das Verlustentstehungsjahr und ein evtl. Rücktragsjahr keine Bindungswirkung für den Verlustfeststellungsbescheid entfalten, ist der Verlustfeststellungsbescheid auch hinsichtlich der Höhe des festgestellten Verlustes selbständig anfechtbar.

15 Beläuft sich die festgesetzte Einkommensteuer auf 0,-€, ist ein Einspruch dagegen mangels Beschwer nach § 350 AO unzulässig.

2 Antragstellung nach dem

16 Einsprüche gegen Verlustfeststellungsbescheide, mit denen eine geänderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortags der Höhe nach beantragt wird, sind nach § 351 Abs. 2 AO i. V. m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG unbegründet (s. AEAO zu § 351, Nr. 4). Hier muss die zugrunde liegende Einkommensteuerfestsetzung angefochten werden. Zu den Besonderheiten in Körperschaftsteuerfällen siehe ergänzend Rz. 28.

17 Dies gilt trotz fehlender Beschwer nach § 350 AO auch dann, wenn die Steuerfestsetzung auf 0,- € lautet, da der Einspruch gegen die Steuerfestsetzung die Änderungsmöglichkeit nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG für die Verlustfeststellung eröffnet (s. AEAO zu § 350 AO, Nr. 3b). Ist der zugrunde liegende Einkommensteuerbescheid allerdings vorläufig nach § 165 AO ergangen und wurde keine Aussetzung der Vollziehung beantragt, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis und Einsprüche sind aus diesem Grund unzulässig. Eine Anfechtung ist in diesen Fällen auch nicht erforderlich.

18 Unterbleibt eine Verlustfeststellung, obwohl die Besteuerungsgrundlagen in zutreffender Höhe im Steuerbescheid erfasst wurden, ist zunächst ein Antrag auf Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides zu stellen und ggf. gegen dessen Ablehnung im Einspruchswege vorzugehen.

19 Begehrt der Steuerpflichtige den erstmaligen oder geänderten Verlustrücktrag, ist ein Einspruch gegen den Verlustfeststellungsbescheid zulässig.

V. Verjährung

1 Antragstellung vor dem

20 Nach dem BStBl 2009 II, 816) ist § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i. d. F. des JStG 2007 bei Eintritt der Feststellungsverjährung – ohne Berücksichtigung der Wirkung des § 181 Abs. 5 AO – vor dem Inkrafttreten des JStG 2007 nicht anwendbar und eine erstmalige Verlustfeststellung auch dann noch – zeitlich unbegrenzt – möglich, wenn die Einkommensteuerveranlagung für das Verlustentstehungsjahr nicht durchgeführt wurde oder wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist (beachte , ofix: EStG/46/2) bzw. Ablaufs der Antragsfrist gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a. F. nicht mehr durchgeführt werden kann. § 181 Abs. 5 AO bleibt weiterhin uneingeschränkt anwendbar.

21 Hinsichtlich der Frage, ob die (reguläre) Feststellungsfrist für den verbleibenden Verlustvortrag bei Inkrafttreten des JStG 2007 bereits abgelaufen war, ist die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sinngemäß zu berücksichtigen (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO). D. h., die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Feststellungserklärung eingereicht worden ist, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das dem Kalenderjahr folgt, auf dessen Schluss der Verlustabzug verbleibt.

22 Sofern § 181 Abs. 5 AO zur Anwendung kommt, bitte ich, den Erläuterungstext 742 („Dieser Feststellungsbescheid ist nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen; er ist nur für solche Steuerfestsetzungen (Folgebescheide) bedeutsam, bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 AO)”) zu verwenden.

2 Antragstellung nach dem

23 Für die Berechnung der Feststellungsfrist gilt Tz. 21 entsprechend. Nach § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG endet sie nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen ist; § 181 Abs. 5 AO, wonach die Feststellung auch nach Eintritt der Verjährung noch möglich ist, wenn sie für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, deren Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist, kommt nur zur Anwendung, wenn das Finanzamt die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat.

24 Sofern erst jetzt entsprechende Verluste nachträglich geltend gemacht werden, liegt kein pflichtwidriges Unterlassen des Finanzamtes vor und § 181 Abs. 5 AO kommt nicht zur Anwendung. Die zur Frage, ob in der Nichtanwendbarkeit des § 181 Abs. 5 EStG eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung besteht, eingelegte Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 2582/16) hat das nicht zur Entscheidung angenommen. Diesbezügliche, bisher ruhend gestellte Einspruchsverfahren bitte ich im Sinne dieses Beschlusses zu erledigen.

25 Der entschieden, dass für nicht feststellungsverjährte Jahre ein Verlustfeststellungsbescheid auch dann noch ergehen kann, wenn für das Verlustentstehungsjahr kein Einkommensteuerbescheid existiert und auch nicht mehr erlassen werden kann, weil bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Das Urteil ist im BStBl 2015 II, 829 veröffentlicht und auf alle offenen Fälle anzuwenden.

VI. Begründung von Ablehnungen

26 Sollten nach den vorstehenden Grundsätzen Anträge auf Verlustfeststellungen abgelehnt werden müssen, bitte ich, diese Ablehnungen vorrangig mit den verfahrensrechtlichen Argumenten zu begründen und erst nachrangig auf materiell-rechtliche Gründe und ggf. Verfahrensruhe (z. B. im Zusammenhang mit § 12 Nr. 5 EStG) einzugehen.

VII. Verlustrücktrag

27 Über die Höhe des zurückzutragenden Verlustes wird nach wie vor im Rücktragsjahr entschieden. Die Neufassung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG hat keine Auswirkungen auf das Verfahren.

VIII. Anwendbarkeit auf Körperschaftsteuerfälle

28 Die in dieser Rundverfügung enthaltenen Anweisungen sind grundsätzlich auch bei Körperschaftsteuerfällen anzuwenden (Verweis auf Vorschriften des EStG gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG und R 8.1 Abs. 1 Nr. 1 KStR 2015).

In Fällen des § 8c KStG bitte ich ergänzend zu Rz. 16 ff. Folgendes zu beachten:

Findet § 8c KStG Anwendung, dürfen die noch nicht abgezogenen oder ausgeglichenen Verluste quotal (§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG) oder vollumfänglich (§ 8c Abs. 1 Satz 2 KStG) nicht (mehr) weiter genutzt werden. Über die weitere Nutzung der Verluste ist zum Ende des Veranlagungszeitraums zu entscheiden, in dem das schädliche Ereignis eingetreten ist.

Die Feststellung über die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit wirkt sich für den „laufenden” Verlust (bis zum schädlichen Ereignis) und für einen Verlustabzug nach § 10d EStG bei einem ausreichen hohen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte im Körperschaftsteuerbescheid aus, der wiederum Bindungswirkung auf den Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12. diese Jahres hat.

Soweit der Gesamtbetrag der Einkünfte so gering ist, dass es auf einen Verlustabzug nach § 10d EStG nicht ankommt („Nullfestsetzung der Körperschaftsteuer”), wird die Entscheidung zu § 8c KStG im Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12. des Jahres des schädlichen Erwerbs getroffen.

Fraglich ist, ob in Fällen der „Nullfestsetzung der Körperschaftsteuer” der Körperschaftsteuerbescheid und/oder der Verlustfeststellungsbescheid anzufechten sind. Hierzu bitte ich folgende Auffassung zu vertreten:

Eine Beschwer kann in Fällen der Verlustkürzung nach § 8c KStG sowohl im Körperschaftsteuer- als auch im Verlustfeststellungsbescheid ausgelöst werden.

In seinem Urteil vom , BStBl 2017 II, 921 erkennt der BFH eine zur Anfechtung berechtigende Beschwer bei „Nullfestsetzung der Körperschaftsteuer” aus der in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG resultierenden „Quasi-Grundlagenbescheidswirkung” des Steuerbescheids ausdrücklich an.

Allerdings ist durch die alleinige Anfechtung des Körperschaftsteuerbescheides der Rechtsschutz der Körperschaft nicht in jeder Hinsicht sichergestellt.

Auf der Grundlage von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG kann zwar eine inhaltlich verbindliche Regelung auch im Falle einer „Nullfestsetzung” vorliegen, diese macht den Rechtsbehelf gegen den Verlustfeststellungsbescheid aber nicht zwangsläufig unzulässig bzw. unbegründet. Denn die Regelungswirkung des § 8c KStG bezieht sich auch auf den zum vorherigen Stichtag festgestellten verbleibenden Verlustvortrag, der dann, wenn im Jahr des schädlichen Beteiligungserwerbs ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte erzielt wird, nicht Gegenstand der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens im Rahmen der Steuerfestsetzung ist. Insoweit wird eine verbindliche Entscheidung über die Kürzung des zum 31.12. des Vorjahres festgestellten verbleibenden Verlustvortrags bei der Ermittlung des zum 31.12. dieses Jahres festzustellenden Verlustvortrags erst im Feststellungsbescheid getroffen.

Die vorgenannten Ausführungen gelten entsprechend bei Anwendung des § 8d KStG und des § 10a Satz 10 GewStG.

OFD Frankfurt/M. v. - - S 2225 A - 009 - St 213

Fundstelle(n):
YAAAG-86030