Strafurteil: Nachteilsausgleich des Gesamtstrafenübels bei mehreren Gesamtstrafen
Gesetze: § 46 Abs 1 StGB, § 55 StGB, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Bayreuth Az: 1 KLs 127 Js 12763/16
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten rechtskräftigen Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten sowie wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zehn Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
21. Die von dem Landgericht vorgenommene Schätzung des Wirkstoffgehaltes des Betäubungsmittels ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
3Zwar lässt sich den schriftlichen Urteilsgründen entnehmen, dass im Rahmen einer Durchsuchung der Wohnung der Angeklagten am geringe Mengen Methamphetamin sichergestellt worden sind, sodass jedenfalls eine exakte Feststellung des Wirkstoffgehalts dieser Menge mithilfe eines Sachverständigengutachtens möglich gewesen wäre. Dem Grunde nach begegnet die unterbliebene Begutachtung rechtlichen Bedenken, denn wegen der Bedeutung der Wirkstoffmenge für eine sachgerechte, schuldangemessene Festsetzung der Strafen im Betäubungsmittelstrafrecht kann grundsätzlich auf eine nach den Umständen des Falles mögliche genaue Feststellung des Wirkstoffgehalts nicht verzichtet werden (vgl. dazu , StV 2018, 22 mwN). Allerdings bedurfte es im vorliegenden Fall ausnahmsweise keiner Begutachtung des sichergestellten Betäubungsmittels, weil die von der Angeklagten begangenen Taten in den Zeiträumen April bis Oktober 2014 und November 2015 bis April 2016 der Sicherstellung zeitlich weit vorgelagert waren und das erheblich später sichergestellte Betäubungsmittel keinen verlässlichen Rückschluss auf die Qualität der Betäubungsmittel in den urteilsgegenständlichen Zeiträumen erlaubt.
42. Die Gesamtstrafenaussprüche haben indes keinen Bestand.
5Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung rechtsfehlerhaft das Gesamtstrafübel für die Angeklagte nicht in den Blick genommen, das - infolge der Zäsurwirkung des Urteils des Amtsgerichts Kulmbach vom - aus der obligatorischen Bildung von zwei Gesamtstrafen resultierte. Sofern die Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Strafe zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen führt, muss das Gericht grundsätzlich einen sich daraus möglicherweise für die Angeklagte ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen. Hierzu muss es für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen, dass es sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist, und erkennen lassen, dass es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310 [313]; vom - 4 StR 237/07, StV 2007, 632; vom - 4 StR 118/08, NStZ-RR 2008, 234 und vom - 1 StR 350/17). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil, das bei einer Methamphetamingesamtmenge im zweistelligen Grammbereich gegen die Angeklagte einen Freiheitsentzug von insgesamt fünf Jahren und vier Monaten anordnet und keinerlei Ausführungen zum Gesamtstrafübel enthält, nicht.
6Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bemessung der Gesamtstrafen auf diesem Mangel beruht.
73. Weder die Einzelstrafen noch die der Zumessung der Gesamtstrafen zugrunde liegenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) sind von dem Rechtsfehler betroffen, sodass sie bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann weitere, mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.
84. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
9Das neue Tatgericht wird außerdem zu prüfen haben, ob der zuvor nicht inhaftierten Angeklagten darüber hinaus noch ein Widerruf der Bewährung der mit Urteil vom verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten droht. Sollte dies der Fall sein, muss mit Rücksicht auf die Wirkungen der Strafe, die für das künftige Leben des Täters zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB), auch insoweit das Gesamtstrafübel bei Festsetzung der neuen Strafe(n) im Auge behalten werden. Es obliegt dem Tatgericht, bei der Straffestsetzung den Umstand zu berücksichtigen, dass wegen der neuerlichen Taten der Widerruf einer früher gewährten Strafaussetzung zur Bewährung zu erwarten ist und die Angeklagte deshalb eine weitere Strafe zu verbüßen haben wird (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310 [314]; vom - 2 StR 386/08 und vom - 5 StR 432/09, NJW 2010, 2677 [2678]; Urteil vom - 2 StR 235/12).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:070218B1STR582.17.0
Fundstelle(n):
WAAAG-85961