Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Truvada (ergänzendes Schutzzertifikat)" – zu den Voraussetzungen und zum Prüfungsumfang für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel – zur Spezifizierung eines Wirkstoffs – zur Verwendung von Oberbegriffen und funktionellen Umschreibungen - zu den Erteilungsvoraussetzungen eines Schutzzertifikats bei Wirkstoffkombinationen zweier antiretroviraler Wirkstoffe
Leitsatz
Truvada
1. Art. 3 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 469/2009 (AM-VO) weist mit der Forderung für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (ESZ), dass „das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist“, ein eigenständiges Kriterium auf, für welches nicht nur eine am Schutzumfang des Patentanspruchs nach Art. 69 EPÜ orientierte Prüfung maßgeblich ist. Umfasst ist auch die Forderung, dass der Erfindungsgegenstand des Grundpatents in den Patentansprüchen erkennbar hinreichend konkretisiert zum Ausdruck kommt, nämlich der durch das ergänzende Schutz-zertifikat verlängerte Schutz des konkreten Wirkstoffs oder der Wirkstoffzusammensetzung als Schutz-gegenstand i. S. v. Art. 4 AM-VO.
2. Als nicht maßgeblich und bereits aus dogmatischen Gründen unerheblich für die Feststellung des erkennbaren Erfindungsgegenstandes sieht der Senat im Rahmen der Erteilungsvoraussetzungen des Art. 3 AM-VO sonstige Kriterien an, wie die Frage, ob der Wirkstoffzusammensetzung oder dem Wirkstoff, welche die durch das ESZ geschützte Erzeugnis bilden, im Rahmen des Grundpatents Erfindungsqualität zukommt (core invention-Ansatz).
3. Für die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zumindest erforderliche Spezifizierung eines Wirkstoffs als Erfindungsgegenstand des Grundpatents im Falle bloßer funktioneller Umschreibung in den Patentansprüchen (GRUR 2014, 163 – Eli Lilly) sind nicht die Kriterien maßgeblich, welche an eine ausreichende ursprüngliche Offenbarung einer Lehre im Rahmen möglicher Beschränkungen des erteilten Patents im Bestandsverfahren oder nach § 64 PatG, Art. 105a EPÜ zu stellen sind.
4. Oberbegriffe oder funktionelle Umschreibungen beziehen sich nur dann stillschweigend, aber notwendigerweise und in spezifischer Art und Weise auf einen im Grundpatent nicht als erfindungsgemäß angesprochenen Wirkstoff, wenn zugleich ausgeschlossen ist, dass auch andere Wirkstoffe ebenfalls derartige Repräsentanten der in den Patentansprüchen des Grundpatents enthaltenen funktionellen Umschreibung oder des enthaltenen Oberbegriffs sein können, welche zwar unter diese subsumiert werden können, die aber die spezifischen arzneilichen Eigenschaften bzw. Wirkweisen des in Rede stehenden Wirkstoffs trotz sonstiger Gemeinsamkeiten im weiteren Sinne gerade nicht teilen.
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