BFH Urteil v. - X R 63/01

Anteiliger Abzug der Schuldzinsen als Vorkosten; Revisionsbegr. ausnahmsweise durch Verweisung auf die NZB

Gesetze: EStG § 10e Abs. 6; FGO § 120

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erbte im August 1990 von seiner Mutter ein Grundstück mit einem im Jahr 1952 errichteten Einfamilienhaus. In den Jahren 1994 und 1995 sanierten und renovierten die Kläger das zunächst leer stehende Haus. Außerdem vergrößerten sie im Dachgeschoss die Wohnfläche. Seit Juni 1995 nutzen die Kläger das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken.

Für die mit den Ausbaumaßnahmen zusammenhängenden Herstellungskosten begehrten die Kläger für das Jahr 1995 einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für dieses und das Streitjahr maßgebenden Fassung (EStG). Für das Streitjahr 1994 beantragten sie erfolglos, Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 59 756 DM (Heizungserneuerung, Umstellung Wechsel- auf Drehstrom, Malerarbeiten im Außenbereich, Glaserarbeiten, Dacharbeiten, Sanierung der Außenwände) und Schuldzinsen in Höhe von 7 279 DM als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abzuziehen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Soweit sich die Erhaltungsaufwendungen auf das Altgebäude bezögen, komme ein Vorkostenabzug nicht in Betracht. Die Aufwendungen hingen nicht mit der Anschaffung, also mit einem entgeltlichen Erwerb einer Wohnung zusammen, weil der Kläger das Gebäude unentgeltlich im Wege der Erbfolge erworben habe. Ein unmittelbarer Zusammenhang der Erhaltungsaufwendungen mit einem Ausbau/einer Erweiterung i.S. des § 10e Abs. 2 EStG liege nicht vor, denn bei einem hergestellten (neuen) Objekt könnten ”denklogisch” keine Erhaltungsmaßnahmen in Bezug auf das neue Objekt anfallen. § 10e Abs. 6 Satz 4 EStG verweise deshalb nur auf § 10e Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG, aber nicht auf § 10e Abs. 6 Satz 3 EStG, der die (beschränkte) Abziehbarkeit von Erhaltungsaufwendungen regele. Soweit die Maßnahmen bautechnisch mit dem Ausbau zusammenhingen, seien sie den Herstellungskosten des Ausbaus zuzurechnen.

Auch ein Abzug der Schuldzinsen als Vorkosten scheide aus, weil sie nicht einzelnen Baumaßnahmen zuzuordnen seien. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass sie sich auf die Instandsetzungsarbeiten am Altbau bezögen.

Nachdem der Senat auf die Beschwerde der Kläger die Revision gegen das FG-Urteil durch Beschluss vom X B 24/01 zugelassen hatte, erbaten die Kläger eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist und verwiesen ”vorsorglich” und ”vollinhaltlich” auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Innerhalb der bis zum verlängerten Begründungsfrist ging kein weiterer Schriftsatz der Kläger beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.

Der zum damaligen Zeitpunkt zuständige Berichterstatter teilte daraufhin den Beteiligten mit Schreiben vom mit, dass der erkennende Senat im Streitfall nach Beratung die Anforderung an die Begründungspflicht nach den Grundsätzen im (BFH/NV 1996, 385) als gewahrt ansehe. Die mit gleichem Schreiben eingeräumte Möglichkeit, abschließend bis zum zur Begründetheit der Revision Stellung zu nehmen, nutzten die Kläger nicht.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb einer bestimmten Frist, deren Einhaltung hier nicht problematisch ist, zu begründen. Die Revisionsbegründung oder die Revision muss einen bestimmten Antrag enthalten und die Revisionsgründe angeben (§ 120 Abs. 3 FGO). Eine nicht form- und fristgerecht begründete Revision ist unzulässig (§ 124 Abs. 1 FGO).

a) Zwar haben die Kläger keinen ausdrücklichen Revisionsantrag i.S. des § 120 Abs. 3 Nr. 1 FGO gestellt. Ein förmlicher Antrag ist jedoch entbehrlich, wenn sich aus dem Vorbringen des Revisionsklägers eindeutig ergibt, inwieweit er eine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Urteils erstrebt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 53, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, da sich aus der Bezugnahme der Kläger im Schriftsatz vom auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ergibt, dass sie weiterhin die Berücksichtigung der Erhaltungsaufwendungen und Schuldzinsen als Vorkosten gemäß § 10e Abs. 6 EStG begehren.

b) Der Zweck des § 120 Abs. 3 FGO, das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger anzuhalten, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen, erfordert es, dass der Revisionskläger dartut, welche Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Die Revisionsbegründung muss aus sich selbst heraus erkennen lassen, dass der Revisionskläger anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils sein bisheriges Vorbringen überprüft hat; dazu sollte die Revisionsbegründung eine —wenn auch kurze— Auseinandersetzung mit den Gründen des FG-Urteils enthalten (Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 59, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH). Daraus folgt, dass eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung durch Bezugnahme auf Schriftsätze, die im außergerichtlichen Vorverfahren oder im Klageverfahren eingereicht wurden, grundsätzlich nicht möglich ist, weil es dann an einer Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fehlt (Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 61, m.w.N.). Auch eine Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist regelmäßig wegen der unterschiedlichen Anforderungen an die Begründung der Revision einerseits und der Nichtzulassungsbeschwerde andererseits nicht zulässig. Eine Ausnahme gilt u.a. aber dann, wenn die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ihrem Inhalt nach auch zur Begründung der Revision genügt (, BFHE 126, 260, BStBl II 1979, 116; vom I R 102/77, BFHE 133, 247, BStBl II 1981, 578, 579; vom IX R 149/84, BFH/NV 1988, 497; in BFH/NV 1996, 385; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 62; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 120 FGO Tz. 90).

Die Revision der Kläger ist nach den vorstehenden Grundsätzen durch die Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde i.S. des § 120 Abs. 3 FGO ausreichend begründet worden. Die Kläger haben sich im Beschwerdeverfahren mit den Entscheidungsgründen des FG-Urteils auseinander gesetzt und aufgezeigt, aus welchen Gründen sie diese für unzutreffend halten. Sie haben unter Hinweis auf Stimmen in der Literatur und die Gesetzesmaterialien dargelegt, dass auch bei einem Ausbau oder einer Erweiterung nach § 10e Abs. 2 EStG Erhaltungsaufwendungen und Schuldzinsen als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG berücksichtigt werden können. Damit reicht die Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zur Begründung der Revision aus.

2. Die Revision ist begründet. Zwar hat das FG zu Recht erkannt, dass im Streitfall die Erhaltungsaufwendungen nicht als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abgezogen werden können. Sofern jedoch die Baumaßnahme der Kläger im Dachgeschoss nach § 10e Abs. 2 EStG als Ausbau/Erweiterung begünstigt ist, sind die hierauf entfallenden Schuldzinsen anteilig als Vorkosten abziehbar.

a) Die Voraussetzungen für einen Abzug der geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen nach § 10e Abs. 6 EStG liegen nicht vor.

aa) Nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige Aufwendungen wie Sonderausgaben abziehen, die —unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen— unmittelbar mit der Anschaffung des Gebäudes oder des dazugehörenden Grund und Bodens zusammenhängen. Da der Kläger im Streitfall das Gebäude von seiner Mutter geerbt hat, kommt danach ein Vorkostenabzug nicht in Betracht. Unter Anschaffung i.S. des § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG ist nach ständiger Senatsrechtsprechung nur ein entgeltlicher Erwerb zu verstehen (vgl. z.B. , BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346; vom X R 23/93, BFH/NV 1994, 707; vom X R 66/95, BFHE 190, 130, BStBl II 2000, 61; vom X R 36/97, BFH/NV 2001, 595). Im Fall einer unentgeltlichen Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge sind Erhaltungsaufwendungen nicht als Vorkosten wie Sonderausgaben abziehbar. Zudem besteht zwischen den im Streitjahr 1994 getätigten Aufwendungen kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mit dem Erwerb des Eigentums am Grundstück im Jahr 1990 (vgl. Senats-Urteil vom X R 29/98, BFH/NV 2003, 755, m.w.N.).

bb) Gemäß § 10e Abs. 6 Satz 4 EStG gilt § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG entsprechend für Ausbauten und Erweiterungen an einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung. Selbst wenn die Kläger in zeitlichem Zusammenhang mit der Renovierung und Modernisierung des Altbaus die Wohnfläche im Dachgeschoss des Gebäudes vergrößert haben und diese Maßnahme nach § 10e Abs. 2 EStG (Ausbau, Erweiterung) begünstigt ist —entsprechende Feststellungen des FG fehlen—, ergibt sich daraus jedoch nicht, dass die Erhaltungsaufwendungen als Vorkosten abziehbar wären. § 10e Abs. 2 EStG erweitert den Kreis der begünstigten Objekte nach § 10e EStG um Ausbauten und Erweiterungen. Ein Ausbau/eine Erweiterung ist ein selbständiges Objekt, das der eigenen Förderung zugänglich ist. Bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen kann der Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 2 EStG (im Rahmen des Höchstbetrags) über den vollen Begünstigungszeitraum in Anspruch genommen werden. Ein Ausbau/eine Erweiterung zählt bei § 10e EStG auch hinsichtlich der Vorkosten als eigenständiges Objekt (Abs. 6 Satz 4 EStG). Erhaltungsaufwendungen für die vor dem Ausbau/der Erweiterung bestehende Wohnung hängen nicht unmittelbar mit dem nach § 10e Abs. 2 EStG geförderten Objekt zusammen und sind deshalb nicht als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar (vgl. zu § 10e Abs. 6 EStG: , BStBl I 1994, 887, Rz. 103; , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1990, 520; , Der Betrieb 1992, 1453; Kleeberg in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 10e Rz. H 1 bzw. zu § 10i EStG, bei dem sich die gleiche Frage stellt: Kleeberg, a.a.O., § 10i Rz. B 28; B. Meyer in Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 21. Aufl., § 10i EStG Rz. 68; Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 2. Aufl., § 10i EStG Rz. 53; Brandenberg/Küster, Die Eigenheimzulage, 2. Aufl., Rz. 443; Hausen/Kohlrust-Schulz, Die Eigenheimzulage, 2. Aufl., Rz. 371, 751; B. Meyer, Finanz-Rundschau 1996, 197, 204). Nur wenn ausnahmsweise ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Erhaltungsaufwendungen und Ausbauten/Erweiterungen besteht, wenn also beispielsweise im Zuge eines Dachgeschossausbaus ein bereits vorhandenes Dachflächenfenster gegen ein neues ausgetauscht wird, sind Erhaltungsaufwendungen als Vorkosten einer Ausbau-/Erweiterungsmaßnahme nach § 10e Abs. 2 EStG abziehbar (vgl. auch Senatsurteil vom X R 186/93, BFH/NV 1997, 344).

b) Sofern die Baumaßnahme der Kläger im Dachgeschoss als Ausbau/Erweiterung nach § 10e Abs. 2 EStG begünstigt ist, kommt ein anteiliger Abzug der Schuldzinsen als Vorkosten nach dem Verhältnis der Aufwendungen für den Ausbau zu den Sanierungskosten des Altbestandes in Betracht (vgl. Senatsurteil vom X R 32/00, BFH/NV 2003, 1178), da durch das FG nicht geklärt werden konnte, ob die Kläger das Darlehen und dementsprechend die Zinsen, deren Abzug als Vorkosten begehrt wird, für den Ausbau des Dachgeschosses, für die Sanierung und Modernisierung der bestehenden Wohnung oder für beides verwendet haben.

3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

Die Sache ist nicht spruchreif. Zwar hat das FG die Höhe der Aufwendungen für die Sanierung und Modernisierung des Altbaus festgestellt. Offen blieb in der Entscheidung des FG aber, ob die Baumaßnahme im Dachgeschoss als Ausbau/Erweiterung nach § 10e Abs. 2 EStG begünstigt ist. Zudem fehlen bisher auch tatsächliche Feststellungen zur Höhe der durch diese Baumaßnahme verursachten Kosten. Diese Feststellungen wird das FG nun —notfalls im Wege der Schätzung— im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 36
BFH/NV 2004 S. 36 Nr. 1
UAAAA-69664