Aufwendungen für Baumaßnahmen nach Erwerb eines Wohngebäudes als Vorkosten nach § 10e EStG
Gesetze: EStG § 10e Abs. 6
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom ... Oktober 1989 ein Einfamilienhaus für 290 000 DM. Für verschiedene vor dem Einzug durchgeführte Baumaßnahmen in und am Gebäude wendete sie bis Ende 1991 insgesamt 57 089 DM auf. Im Streitjahr 1991 verausgabte sie davon 41 853 DM. Ab dem nutzten die Kläger das Grundstück zu eigenen Wohnzwecken.
Die Bauaufwendungen entfallen in Höhe von 36 685,20 DM auf eine Gaszentralheizung, die aus Gründen der Umweltverträglichkeit und Kostenersparnis anstelle einer ca. 10 Jahre alten, funktionsfähigen Ölheizung eingebaut wurde. Für ca. 10 000 DM ersetzte die Klägerin vier einfach verglaste Fenster durch isolierverglaste. Ca. 11 000 DM wendete sie für Schönheitsreparaturen auf.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) gewährte für das Streitjahr 1991 gemäß § 82a Abs. 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) einen Abzugsbetrag in Höhe von 10 v.H. (= 3 669 DM) für den Einbau der Heizung. Die übrigen im Streitjahr 1991 abgeflossenen Aufwendungen von 5 169 DM rechnete er als Herstellungskosten der Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu. Einen Abzug von Vorkosten lehnte das FA ab.
Im finanzgerichtlichen Verfahren beantragten die Kläger, Vorbezugskosten nach § 10e Abs. 6 EStG wie Sonderausgaben zu berücksichtigen, den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG insoweit zu kürzen und die Absetzung nach § 82a Abs. 3 EStDV rückgängig zu machen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zwar bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Vermutung, dass Aufwendungen, die in zeitlicher Nähe zur Anschaffung anfielen und im Verhältnis zum Kaufpreis hoch seien (mehr als 20 v.H. der Gebäudeanschaffungskosten), zu einer wesentlichen Verbesserung führten und damit als Herstellungskosten zu beurteilen seien, auch wenn es sich isoliert betrachtet um Erhaltungsaufwendungen handle. Trotzdem müsse im Einzelfall stets geprüft werden, ob aufgrund der Art der Baumaßnahmen im konkreten Fall eine wesentliche Verbesserung eingetreten sei; die 20 v.H.-Grenze gebe hierfür lediglich einen Anhaltspunkt. Im Streitfall handle es sich um typische Erhaltungsaufwendungen, die weder den Wohnkomfort wesentlich verbessert noch den Gebrauchswert des Hauses gesteigert oder dessen tatsächliche Nutzungsdauer verlängert hätten. Auch würden die Maßnahmen im Falle der Vermietung nicht zu einem deutlichen Anstieg der Miete führen.
Am erließ das FA gegenüber dem Kläger, am gegenüber der Klägerin aus den vorliegenden Rechtsstreit nicht berührenden Gründen einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr. Der Kläger beantragte, den geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, der geänderte Einkommensteuerbescheid der Klägerin wurde nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) in das laufende Revisionsverfahren übergeleitet (Art. 6 2.FGOÄndG).
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 10e Abs. 6 EStG. Das FG habe verkannt, dass nach der Rechtsprechung des BFH auch dann anschaffungsnaher Aufwand und somit Herstellungskosten anzunehmen seien, wenn es sich bei den Baumaßnahmen —isoliert betrachtet— um Reparatur- oder Modernisierungsaufwendungen handle.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG die Aufwendungen für die Modernisierung und Instandsetzung des Gebäudes als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG berücksichtigt.
1. Aufwendungen, die vor der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen, sind nur dann nach § 10e Abs. 6 EStG als Vorkosten abziehbar, wenn sie nicht zu den Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören. Welche Aufwendungen dies sind, bestimmt sich bei den Gewinn- und Überschusseinkünften nach § 255 des Handelsgesetzbuchs —HGB— (vgl. , BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. b). § 10e Abs. 6 EStG enthält keine davon abweichende Definition. Vielmehr folgt aus der Bezugnahme zum Begriff der Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, dass die Begriffe Anschaffungskosten und Herstellungskosten in dem im Einkommensteuerrecht verwendeten Sinn zu verstehen sind (Senatsbeschluss vom X B 5/91, BFH/NV 1992, 379).
2. Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.
Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: ein Gebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann (BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 2. b.; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 255 HGB, Tz. 13). Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um das erworbene Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß nutzen zu können.
Wird —wie im Streitfall— ein Gebäude vor der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken renoviert und modernisiert, zählen Aufwendungen, die erforderlich sind, um das Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß nutzen zu können, zu den Erhaltungs- oder Anschaffungskosten.
Zur Zweckbestimmung eines Gebäudes, das Wohnzwecken dient, gehört auch die Entscheidung, welchem Standard es entsprechen soll (sehr einfacher, mittlerer oder sehr anspruchsvoller Standard). Eine Steigerung des Wohnstandards setzt voraus, dass die Kernbereiche der Ausstattung einer Wohnung wesentlich verbessert werden; das ist der Fall, wenn bei mindestens drei der Bereiche Heizung, Sanitär und Elektroinstallation sowie Fenster der Nutzungswert durch die Baumaßnahmen deutlich gesteigert wird. Reparaturen oder auch das Ersetzen des Vorhandenen durch Gleichwertiges in zeitgemäßer Form erweitern den Nutzungswert nicht (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. a).
3. Nach den Feststellungen des FG, die vom FA nicht angegriffen wurden und für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), betrafen die streitigen Aufwendungen für das Gebäude übliche, regelmäßig wiederkehrende Instandsetzungsarbeiten. Insoweit liegen deshalb keine die Betriebsbereitschaft herstellenden Anschaffungskosten, sondern Vorkosten i.S. von § 10e Abs. 6 EStG vor. Das gilt vor allem für die Schönheitsreparaturen (vgl. dazu Wolf, Wertpapiermitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1990, 1769, und , BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966). Der Austausch einer funktionstüchtigen Ölheizung gegen eine Gaszentralheizung hat ebenfalls keine Steigerung des Gebrauchswerts (Nutzungspotenzial) und damit eine Hebung des Wohnstandards zur Folge. Auch wenn im Zuge der Renovierungsmaßnahmen anstelle einfachverglaster vier isolierverglaste Fenster eingesetzt wurden, wird hiervon lediglich ein einziger der Bereiche, die für den Wohnstandard eines Gebäudes von entscheidender Bedeutung sind, berührt. Den Standard eines Wohngebäudes heben und es betriebsbereit machen, kann jedoch nur ein Bündel von Baumaßnahmen, bei dem mindestens drei der o.g. wesentlichen Bereiche —Heizung, Sanitär und Elektroinstallation, Fenster— betroffen sind. Daran fehlt es im Streitfall.
4. Die Aufwendungen sind auch keine Herstellungskosten i.S. von § 255 Abs. 2 HGB. Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die für sich allein noch als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären, könnten in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 HGB führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das Nutzungspotenzial) des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand, d.h. dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs, deutlich erhöht wird (, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, zu I. 2. c und 3. b cc). Eine wesentliche Verbesserung ist danach immer dann gegeben, wenn der Gebrauchswert eines Gebäudes von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird (vgl. dazu im Einzelnen BFH in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3.). Ob Baumaßnahmen an einem Wohngebäude zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB geführt haben, ist mithin im Wesentlichen nach den gleichen Maßstäben zu entscheiden, nach denen die Betriebsbereitschaft gemäß § 255 Abs. 1 HGB zu beurteilen ist (, BFH/NV 2003, 35).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 762
BFH/NV 2003 S. 762 Nr. 6
XAAAA-69637