BFH Urteil v. - X R 108/96

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden für das Streitjahr 1993 als Eheleute zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erwarb im Jahr 1990 als Alleineigentümer das unbebaute Grundstück K-Weg 4 in W. Er errichtete auf dem Grundstück ein Doppelhaus, das er im Jahr 1993 an einen Erwerber veräußerte. Im Jahre 1993 erwarben die Kläger als Miteigentümer je zur Hälfte das unbebaute Grundstück K-Straße 7 in O. Sie errichteten darauf ein Doppelhaus. ”Die beiden bebauten Grundstücke” veräußerten sie im Dezember 1993. Hierzu haben die Kläger im Revisionsverfahren vorgetragen, entgegen dem insoweit missverständlichen Urteil sei auch dieses Doppelhaus an einen einzigen Erwerber veräußert worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ging davon aus, dass der Kläger innerhalb von fünf Jahren vier Objekte angekauft und veräußert habe und ermittelte einen gewerblichen Gewinn in Höhe von 243 428 DM.

Die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Klage hat das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen als unbegründet abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Der Kläger sei gewerblich tätig geworden. ”Objekt” im Sinne der Rechtsprechung zum sog. gewerblichen Grundstückshandel sei jede einzelne Immobilie, die selbständig veräußert und genutzt werden könne, z.B. ein Einfamilienhaus, eine Doppelhaushälfte oder ein Reihenhaus. Als ”Objekt” gelte auch der Miteigentumsanteil an einem Grundstück. Ein Doppelhaus könne nicht mit einem Zweifamilienhaus bzw. eine Doppelhaushälfte nicht mit einer Wohnung in einem Zweifamilienhaus gleichgesetzt werden. Das Urteil des FG ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 1218.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Einkommensteuer 1993 unter Abänderung des Änderungsbescheids vom ohne Ansatz eines Gewinns aus gewerblichem Grundstückshandel festzusetzen.

Das FA beantragt, Die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass der Kläger mit dem An- und Verkauf der hier fraglichen Grundstücke wegen Überschreitens der Drei-Objekt-Grenze gewerblich tätig geworden ist (unten 1.). Es hat indes —ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu Recht— ungeprüft gelassen, ob der Kläger unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten einen gewerblichen Grundstückshandel (§ 15 des EinkommensteuergesetzesEStG—) betrieben und sich nicht auf eine private Vermögensverwaltung beschränkt hat (unten 2.).

1. Der Kläger ist —in eigener Person sowie handelnd als Beteiligter einer zwischen ihm und seiner Ehefrau bestehenden Gesellschaft/Gemeinschaft— nicht bereits deswegen gewerblich tätig geworden, weil er —unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG— ”mehr als drei Objekte” veräußert hätte.

Nach der Rechtsprechung zur ”Objektzählung” ist ”Objekt” im Sinne der Rechtsprechung zum gewerblichen Grundstückshandel jedes einzelne Immobilienobjekt, das selbständig veräußert und genutzt werden kann. Die Indizwirkung der diesbezüglichen numerischen Voraussetzungen hängt in der Regel weder von der Größe und dem Wert des einzelnen Objekts noch von dessen Nutzungsart ab (zuletzt , BStBl II 2002, 571). Der I. Senat des BFH und der erkennende Senat haben durch Urteile vom I R 118/97 (BFHE 188, 561, BStBl II 2000, 28) und vom X R 130/97 (BFHE 191, 360, BStBl II 2001, 530) für Fälle des Erwerbs eines bebauten Grundstücks und dessen anschließender Veräußerung entschieden, Objekte im Sinne der sog. Drei-Objekt-Grenze könnten nicht nur Ein- und Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen, sondern auch Mehrfamilienhäuser und Gewerbebauten sein. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen ( BStBl I 2001, 512) mit dem ausdrücklichen Bemerken, dass die sog. Drei-Objekt-Grenze auch beim An- und Verkauf von Großobjekten, u.a. von Mehrfamilienhäusern anzuwenden ist. Diese Rechtsauffassung beruht auf der gedanklichen Voraussetzung, dass es hierbei nicht darauf ankommen kann, ob ein ”Großobjekt” —etwa ein Mehrfamilienhaus— mehrere wohnungswirtschaftliche Funktionseinheiten enthält, die, eine bauliche Abgeschlossenheit vorausgesetzt, in mehrere Wohn- oder Teileigentumseinheiten aufgeteilt und sodann selbständig veräußert werden könnten, sofern sie nicht ihrerseits ein einheitliches (§ 93 des BewertungsgesetzesBewG—) Wirtschaftsgut sind. Bei einem Mehrfamilienhaus liegen erst dann mehrere Objekte vor, wenn eine Teilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) vollzogen ist. Denn erst eine solche Teilung schafft die zivilrechtliche Voraussetzung für das Entstehen selbständiger Wirtschaftsgüter (, BFH/NV 1992, 238, 239; vom VIII R 74/87, BFHE 164, 347, BStBl II 1991, 844; vom XI R 17/90, BFHE 167, 401, BStBl II 1992, 1007; vom VIII R 10/92, BFH/NV 1994, 94; vom VIII R 27/94, BFH/NV 1997, 170). ”Objekt” ist dann der einzelne Miteigentumsanteil und nicht das gesamte Grundstück. Dementsprechend hat der BFH die zur Vermietung an verschiedene Interessenten bestimmten Wohneinheiten eines ungeteilten Mehrfamilienhauses als rechtlich unselbständige Teile des Gesamtobjekts beurteilt (, BFHE 151, 74, BStBl II 1988, 65, unter 3.). Wird allerdings ein Antrag auf Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung (§§ 3 Abs. 2, 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG) gestellt, so spricht dies bereits eher für eine von Anfang an bestehende bedingte Verkaufsabsicht (, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143, 145). Eine solche Aufteilung ist freilich im Streitfall —soweit ersichtlich— nicht vorgenommen worden.

Hiernach ist das angefochtene Urteil, das von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, rechtsfehlerhaft.

2. Ob sich die Entscheidung des FG aus anderen Gründen als richtig darstellt, vermag der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht zu entscheiden. Insbesondere ist derzeit ungeklärt, ob der Kläger mit nachhaltiger Tätigkeit die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschritten hat.

a) Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als andere selbständige Arbeit anzusehen ist und sich nicht als private Vermögensverwaltung darstellt.

aa) Der Kläger ist mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden.

bb) Er hat auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Hierfür ist nicht erforderlich, dass die Tätigkeit für das Publikum erkennbar ist; es genügt bereits die Erkennbarkeit für die beteiligten Kreise, ohne dass die Leistungen einer Mehrzahl von Interessenten angeboten werden müssen (vgl. , BFHE 164, 53, BStBl II 1991, 631, m.w.N.).

cc) Nachhaltig ist eine Tätigkeit, die von der Absicht getragen wird, sie zu wiederholen; bei einer Mehrzahl von Handlungen ist die Nachhaltigkeit zu bejahen (vgl. , BFHE 180, 42, BStBl II 1996, 367, unter 1. c; vom IV R 2/92, BFHE 180, 121, BStBl II 1996, 369, unter I. 3.). Im Streitfall ist der Kläger wiederholt tätig geworden, weil er jedenfalls mindestens zwei Wohnungen in zwei verschiedenen Kaufverträgen mit Gewinnerzielungsabsicht veräußert hat. Nach dem Beschluss des Großen Senats des (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. III. 5.) stellt die Drei-Objekt-Grenze keine Mindestgrenze in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit dar.

b) Ob der Kläger auch die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten hat, vermag der Senat nicht zu beurteilen.

aa) Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nichtsteuerbaren Sphäre sowie den anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 bis 7 EStG) andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen (BFH-Beschlüsse vom GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, 618, unter C. I.; in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. II.).

bb) Zur Konkretisierung dieser Unterscheidung hat der BFH die sog. Drei-Objekt-Grenze eingeführt. Sie besagt, dass kein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, sofern weniger als vier Objekte veräußert werden. Je geringer der Umfang von Anschaffungen und Veräußerungen ist, desto weniger ist anzunehmen, dass der Zweck der Vermögensmehrung durch Umschichtung (Ausnutzung substantieller Vermögenswerte) im Vordergrund steht. Eine zahlenmäßige Begrenzung auf drei Wohneinheiten trägt der gebotenen Vereinfachung Rechnung. Werden hingegen innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs —in der Regel fünf Jahre— zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf mindestens vier Objekte veräußert, kann von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, weil die äußeren Umstände den Schluss zulassen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (, BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135, und vom XI R 17/90, BFHE 167, 401, BStBl II 1992, 1007).

Soweit der erkennende Senat die Auffassung vertreten hat, dass die Drei-Objekt-Grenze nur für den reinen Handel und nicht auf Fälle der Veräußerung nach Bebauung anzuwenden sei (Vorlagebeschluss vom X R 183/96, BFHE 184, 355, BStBl II 1998, 332), ist ihm der Große Senat des BFH in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 nicht gefolgt. Er hat vielmehr entschieden, dass die Errichtung von Wohnobjekten auf dem eigenen Grundstück und deren Veräußerung nicht unabhängig von der als Indiz wirkenden Drei-Objekt-Grenze bereits wegen der Ähnlichkeit mit dem ”Bild des produzierenden Bauunternehmers/Bauträgers” eine gewerbliche Tätigkeit darstellt.

Der Große Senat hat in seinem Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 jedoch betont, dass der Drei-Objekt-Grenze nur eine indizielle Bedeutung zukommt und auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten besondere Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen lassen können. So kann beispielsweise auf eine gewerbliche Betätigung geschlossen werden, wenn das im zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung und Veräußerung (ggf. auch durch Schenkung) erworbene Grundstück schon vor seiner Bebauung verkauft worden ist oder wenn ein solches Grundstück von vornherein auf Rechnung und nach Wünschen des Erwerbers bebaut wird (unter C. III. 5.). Ebenso kann für eine gewerbliche Betätigung der Umstand sprechen, dass das Bauunternehmen des das Grundstück bebauenden Steuerpflichtigen erhebliche Leistungen für den Bau erbringt, die nicht wie unter Fremden abgerechnet werden (unter C. III. 5.).

c) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen kann für den Streitfall nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger nicht nur vermögensverwaltend, sondern gewerblich tätig geworden ist.

Zwar hat er die Drei-Objekt-Grenze nicht überschritten. Das FG wird nun auf der Grundlage des Beschlusses in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 zu prüfen haben, ob ein vom Großen Senat ausdrücklich und beispielhaft anerkannter Ausnahmefall vorliegt oder andere gewichtige Umstände auf eine gewerbliche Betätigung auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten schließen lassen. So wie die Errichtung von Gebäuden auf fremden Grundstücken oder die Errichtung eines Gebäudes auf verkauftem Grund und Boden die Gewerblichkeit indiziert (vgl. , BFH/NV 2002, 1535), kann sich auch aus dem Verhalten des Steuerpflichtigen vor, während oder nach der Bauphase eine unbedingte Veräußerungsabsicht ergeben. Hierbei ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Wurde das Bauvorhaben beispielsweise nur kurzfristig finanziert, hat der Steuerpflichtige bereits während der Bauzeit eine Maklerfirma mit dem Verkauf des Objekts beauftragt oder selbst Veräußerungsannoncen geschaltet, wurde gar vor Fertigstellung des Bauwerks ein Vorvertrag mit dem künftigen Erwerber geschlossen oder hat er Gewährleistungspflichten über den bei Privatverkäufen üblichen Bereich hinaus übernommen, kann auch dann eine unbedingte Veräußerungsabsicht vorliegen, wenn keiner der vom Großen Senat in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 angesprochenen Ausnahmefälle greift. Die Möglichkeit, dass das Gebäude für Zwecke der eigenen Vermögensverwaltung hergestellt wird, scheidet dann aus. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger außerdem hauptberuflich einer Tätigkeit nachgeht, die der Baubranche zuzurechnen ist (vgl. BFH in BFH/NV 2002, 1535).

3. Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück. Dieses wird im zweiten Rechtsgang auch prüfen, ob hinsichtlich des wirtschaftlichen Ergebnisses aus der Bebauung und dem Verkauf des Grundstücks K-Straße 7 eine einheitliche und gesonderte Feststellung in Betracht kommt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 455
BFH/NV 2003 S. 455 Nr. 4
KÖSDI 2003 S. 13706 Nr. 5
NAAAA-69636