BGH Urteil v. - 5 StR 603/17

Brandstiftung: Begriff des Warenvorrats

Leitsatz

Zum Begriff des Warenvorrats im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 3 Alternative 2 StGB.

Gesetze: § 306 Abs 1 Nr 3 Alt 2 StGB

Instanzenzug: Az: I KLs 15/16

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen Brandstiftung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, und wegen Diebstahls in zwei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb“, unter Einbeziehung von Geldstrafen aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall 2 verschaffte sich der Angeklagte Zugang zum Innenraum eines Getränkekühlanhängers, der vom Pächter eines Getränkemarktes zum Zwecke der Auslieferung mit alkoholfreien Getränken und Gläsern im Wert von etwa 1.000 Euro beladen und in einer Entfernung von zwei bis vier Metern neben dem Geschäft abgestellt worden war. Der Angeklagte, der erhofft hatte, aus dem Anhänger hochwertige Spirituosen entwenden zu können, hatte keine Verwendung für die vorgefundenen Waren. Er zündete eine Pappverpackung der Gläser an, um auf ihn deutende Spuren zu vernichten. Dabei nahm er billigend in Kauf, neben sämtlichen Waren den Anhänger in Brand zu setzen und vollständig zu zerstören, was auch geschah. Am Anhänger entstand ein Schaden in Höhe von 4.000 Euro.

32. Das Landgericht hat die Tat 2 rechtlich (unter anderem) als Inbrandsetzen eines Warenvorrats gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 3 Alternative 2 StGB gewürdigt. Es hat insoweit eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten gegen den Angeklagten verhängt.

II.

4Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Der Erörterung bedarf nur die Frage, ob im Fall 2 auch der Straftatbestand der Brandstiftung erfüllt ist. Dies hat das Landgericht zu Recht bejaht.

51. Mit den Getränken und Gläsern im Kühlanhänger setzte der Angeklagte einen fremden Warenvorrat im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 3 Alternative 2 StGB in Brand und zerstörte ihn hierdurch.

6a) Ein Warenvorrat ist eine größere Menge von körperlichen Gegenständen, die nicht dem Eigenverbrauch, sondern typischerweise dem gewerblichen Umsatz dienen. Nach dem Gesetzeswortlaut setzt der Begriff des Warenvorrats – anders als nach § 308 Abs. 1 Variante 6 StGB aF – nicht voraus, dass die Waren an einem bestimmten Ort, etwa in einem Warenlager, aufbewahrt werden (vgl. MüKo-StGB/Radtke, 2. Aufl., § 306 Rn. 36 aE; LK-StGB/Wolff, 12. Aufl., § 306 Rn. 31 aE; aM womöglich Fischer, StGB, 65. Aufl., § 306 Rn. 6b). Ausgehend von der Schutzrichtung der Brandstiftung, deren Unrechtsgehalt sich aus der Verletzung fremden, von § 306 Abs. 1 StGB erfassten Eigentums sowie der – regelmäßig schon allein daraus herzuleitenden – brandbedingten generellen Gemeingefährlichkeit ergibt (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 87 zu § 306; , NJW 2001, 765; ausführlich Radtke ZStW 110 [1998], 848, 857; aA – qualifizierte Sachbeschädigung – Fischer aaO, § 306 Rn. 1; LK-StGB/Wolff aaO, § 306 Rn. 3 alle mwN), scheiden unbedeutende Vorratsmengen als Tatobjekt nach § 306 Abs. 1 Nr. 3 Alternative 2 StGB aus. Allein unter dem Aspekt eines typischerweise dem gewerblichen Umsatz dienenden Eigentumsschutzes kann ihre Beschädigung oder Zerstörung die qualifizierte Strafdrohung nicht rechtfertigen (vgl. Radtke aaO, S. 861 f.; im Ergebnis ebenso LK-StGB/Wolff, 12. Aufl., § 306 Rn. 32; NK-StGB/Kargl, 5. Aufl., § 306 Rn. 7; SSW-StGB/Wolters, 3. Aufl., § 306 Rn. 5 aE).

7b) Dies zugrunde gelegt begegnet der Schuldspruch wegen Brandstiftung keinen rechtlichen Bedenken.

8Bei den vom Getränkehändler zur Auslieferung bereitgestellten Getränken und Gläsern handelt es sich um einen Warenvorrat ausreichenden Umfangs. Auch unter dem Gesichtspunkt der Gemeingefährlichkeit bestehen keine rechtlichen Einwände. Dies gilt schon deswegen, weil der – überdies vom Feuer erfasste – Anhänger auf öffentlichem Verkehrsgrund und in der Nähe eines Gebäudes abgestellt war.

92. Der Senat kann daher offen lassen, ob der Kühlanhänger selbst als mobiles Warenlager der Vorschrift des § 306 Abs. 1 Nr. 3 Alternative 1 StGB unterfällt. Mit Blick auf die Zielrichtung der Neuregelung durch das 6. StrRG, den Katalog der Tatobjekte den Erfordernissen der heutigen Wirtschaftsordnung anzupassen (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 25 f., 87 zu § 306), liegt es jedoch nahe, auch mobile Lagerstätten unter den mit dem vormaligen Terminus des „Magazins“ nicht deckungsgleichen Begriff des Warenlagers zu fassen (vgl. bejahend SSW-StGB/Wolters aaO, § 306 Rn. 5; aA Heine/Bosch in Schönke/Schröder-StGB, 29. Aufl., § 306 Rn. 6 aE; ebenso wohl MüKo-StGB/Radtke aaO, § 306 Rn. 35, „ortsgebundene Räumlichkeit“).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:220318U5STR603.17.0

Fundstelle(n):
NJW 2018 S. 1766 Nr. 24
NJW 2018 S. 9 Nr. 23
RAAAG-83757