Einkommensteuer | Verlustabzug beim Anlagebetrug (BFH)
Beteiligt sich der Anleger an einem
von ihm nicht erkannten Schneeballsystem, das aus seiner Sicht zu gewerblichen
Einkünften führen soll, ist er berechtigt, den Verlust seines Kapitals
steuerlich geltend zu machen (;
veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Im Streitfall hatte der Kläger mit mehreren Gesellschaften der X-Gruppe Verträge über den Erwerb von Blockheizkraftwerken abgeschlossen und die Kaufpreise gezahlt. Den späteren Betrieb der Blockheizkraftwerke hatte er vertraglich an die X-Gruppe übertragen; die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus dem Betrieb sollten beim Kläger liegen. Tatsächlich hatten die Verantwortlichen der X-Gruppe jedoch niemals beabsichtigt, die Blockheizkraftwerke zu liefern. Sie hatten vielmehr ein betrügerisches "Schneeballsystem" aufgezogen und wurden hierfür später strafrechtlich verurteilt. Wenige Monate nachdem der Kläger die Kaufpreise gezahlt hatte, wurden die Gesellschaften der X-Gruppe insolvent. Die vom Kläger geleisteten Zahlungen waren verloren. Das FA wollte die Verluste des Klägers einkommensteuerlich nicht berücksichtigen, weil es ihn als bloßen Kapitalgeber ansah und bei den Einkünften aus Kapitalvermögen kein Abzug von Werbungskosten möglich ist (lesen Sie zur Vorinstanz auch unsere Online-Nachricht "Kauf von Blockheizkraftwerken im Schneeballsystem").
Die Richter des BFH führten hierzu u.a. Folgendes aus:
Entschließt sich der Steuerpflichtige, eine Investition zu tätigen, die letztlich nicht durchgeführt werden kann, weil sein Geschäftspartner ihm die tatsächlich niemals gegebene Lieferbarkeit des Investitionsobjekts in betrügerischer Absicht nur vorgespiegelt hat, ist die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Einkunftsart, der die verlorenen Aufwendungen des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind, nicht objektiv-rückblickend nach den tatsächlichen Verhältnissen vorzunehmen, sondern nach der Sichtweise des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Abschlusses der maßgebenden Verträge.
Aufgrund der Verträge über den Erwerb und den Betrieb der Blockheizkraftwerke durfte der Kläger hier davon ausgehen, Gewerbetreibender zu sein.
Eine nur schwach ausgeprägte, aber im Kern gleichwohl gegebene Unternehmerinitiative kann durch ein eindeutig vorhandenes Unternehmerrisiko dergestalt ausgeglichen werden, dass in der Gesamtschau die für die Annahme gewerblicher Einkünfte erforderliche Selbständigkeit der Betätigung zu bejahen ist.
Gewerbetreibende dürfen Verluste auch dann -als vorweggenommene Betriebsausgaben- abziehen, wenn letztlich niemals Einnahmen erzielt werden.
Die Entscheidung des BFH beschränkt sich auf das sog. "Verwaltungsvertragsmodell" der X-Gruppe. Über das von dieser Gruppe ebenfalls angebotene "Verpachtungsmodell" brauchte der BFH in diesem Urteil hingegen nicht zu entscheiden.
Gleichwohl wird sich das erstinstanzlich tätig gewesene FG Münster nochmals mit dem Verfahren befassen müssen. Denn der BFH hat es als möglich angesehen, dass die beabsichtigte Investition als Steuerstundungsmodell (§ 15b EStG) anzusehen ist. In diesem Fall wäre ein Abzug der Verluste nicht zulässig. Ob es sich tatsächlich um ein Steuerstundungsmodell handelt, wird in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden sein.
Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 24/2018 v. 14.05.2018 und Urteil v. - X R 10/16 (Ls)
Fundstelle(n):
LAAAG-83597