BFH Beschluss v. - X B 75/02

Schönheitsreparaturen an einer Altenteiler-Wohnung als dauernde Last; Berücksichtigung von Übergangsregelungen der FinVerw

Gesetze: EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a; AO § 163

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Ebenso wenig rechtfertigt § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO die Zulassung der Revision.

1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Diese Voraussetzungen müssen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (Senatsentscheidung vom X B 102/01, BFH/NV 2002, 1045).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Kläger haben bereits keine bestimmte —abstrakte— Rechtsfrage herausgearbeitet, deren Beantwortung nach ihrer Auffassung eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Darüber hinaus fehlen Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit. Soweit die Kläger geltend machen, das Finanzgericht (FG) habe zu Unrecht die Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) im Schreiben vom IV B 3 -S 2257-54/96 (BStBl I 1996, 1508 in Rz. 58 und 59) nicht beachtet, handelt es sich um einen Einwand, der die im gesonderten Billigkeitsverfahren zu beurteilende Frage betrifft, ob die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit an die Anwendungsregelung in Tz. 59 i.V.m. Tz. 10 des Schreibens des BMF in BStBl I 1996, 1508 gebunden sind.

a) Gerichte haben Verwaltungserlasse zu berücksichtigen, die aus Gründen des Vertrauensschutzes die Anpassung der Verwaltungspraxis an eine verschärfende Rechtsprechung oder an geänderte Rechtsauffassungen erleichtern sollen (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluss des Großen Senats vom GrS 4/82, BFHE 141, 405, 417, BStBl II 1984, 751, 757; , BFHE 163, 562, BStBl II 1991, 572; vom XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754; vom IV R 69/95, BFHE 182, 56, BStBl II 1997, 245; vom IX R 68/95, BFH/NV 1998, 700; , BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188).

Solche Übergangsregelungen stehen jedoch nicht im Belieben der Finanzverwaltung, sondern müssen jeweils durch § 163 oder § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) als Rechtsgrundlage gedeckt sein. Andernfalls würde das aus Art. 20 des Grundgesetzes (GG) abzuleitende verfassungsmäßige Recht der Rechtsprechung auf Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beeinträchtigt. Hiernach bleibt eine ”Übergangsregelung” wirkungslos, wenn es in Wahrheit keine verschärfende Rechtsprechung gegeben hat, darum auch belastende Rechtsfolgen fehlen, die zu mildern wären. Die Berufung auf eine geänderte Rechtsauffassung setzt voraus, dass eine gesicherte, für die Meinung des Steuerpflichtigen sprechende Rechtsauffassung bestand (, BFHE 145, 453, BStBl II 1986, 418). Die Verwaltung ist zu einem Billigkeitserlass wegen einer verschärfenden Änderung der Rechtsauffassung auch dann nicht verpflichtet, wenn den (dem) Steuerpflichtigen zumindest Zweifel an der günstigeren rechtlichen Behandlung hätten kommen müssen und daher kein schützenswertes Vertrauen vorlag (, BFHE 163, 478, BStBl II 1991, 610).

b) Ob die Voraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme vorliegen, kann hier indes dahingestellt bleiben. Die Zulassung einer niedrigeren Besteuerung nach § 163 AO 1977 und die Steuerfestsetzung bilden zwei in getrennten Verfahren ergehende selbständige Verwaltungsakte (vgl. , BFHE 149, 50, BStBl II 1987, 682; vom IV R 196/85, BFHE 156, 489, BStBl II 1989, 614). Der Verwaltungsakt, der die Billigkeitsmaßnahme zulässt, bildet einen Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung. Folgt die Billigkeitsmaßnahme der Steuerfestsetzung nach, so muss diese nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert werden (BFHE 163, 562, BStBl II 1991, 572). Im Hinblick auf die sich aus § 163 Abs. 1 Satz 3 und § 348 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 a.F. ergebende Zweigleisigkeit des Veranlagungsverfahrens und des Billigkeitsverfahrens ist es den FG seit In-Kraft-Treten der AO 1977 verwehrt, bei der Anfechtung eines Steuerbescheides Billigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. , BFHE 132, 264, BStBl II 1981, 319; vom IX R 40/81, BFH/NV 1987, 712; , BFH/NV 1992, 464). Dementsprechend ist in dem Revisionsverfahren, das allein die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung betrifft, nicht zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung einer Übergangsregelung der Finanzverwaltung erfüllt sind (ständige Rechtsprechung; BFH-Urteile in BFHE 163, 562, 566, BStBl II 1991, 572; in BFH/NV 1998, 700).

2. Die Kläger haben die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht dargelegt.

Die Rüge eines Verfahrensmangels setzt die genaue Bezeichnung der Tatsachen voraus, aus denen sich nach Ansicht der Kläger der behauptete Verfahrensverstoß ergibt. Die Verfahrensrüge muss schlüssig vorgetragen werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 41/99, BFH/NV 2000, 1102; vom X B 25/99, BFH/NV 1999, 1612). Ferner muss dargelegt werden, dass das Urteil des FG auf dem Verfahrensmangel beruht, es also ohne den Verfahrensverstoß möglicherweise anders ausgefallen wäre. Dabei kommt es auf den Rechtsstandpunkt des FG an, selbst wenn dieser nicht richtig sein sollte.

Der Vortrag der Kläger genügt diesen Anforderungen nicht. Er lässt schon nicht in ausreichender Weise erkennen, welche Verfahrensvorschrift das FG nach ihrer Ansicht verletzt hat. Sofern sie zum Ausdruck bringen wollen, das FG habe den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt, hätten sie u.a. substantiiert darlegen müssen, inwieweit eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsentscheidung vom X B 42/02, BFH/NV 2003, 70).

3. Auch hätte es Ausführungen zur materiell-rechtlichen Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensmangels bedurft, angesichts der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass als dauernde Last abziehbar/steuerbar sind eindeutig und klar vereinbarte, übliche oder sich aus den landesrechtlichen Ausführungsgesetzen zum Bürgerlichen Gesetzbuch (AGBGB) ergebende Reparaturen, die der Erhaltung des im Zeitpunkt der Übergabe vertragsgemäßen Zustandes der vom Übergeber des Vermögens genutzten (Altenteiler-)Wohnung dienen (, BFHE 167, 408, BStBl II 1992, 1012; vom X R 38/95, BFHE 190, 302, BStBl II 2000, 21; siehe auch , BFHE 198, 446, BStBl II 2003, 644). Hierzu zählen auch Schönheitsreparaturen, soweit sie das Versorgungsbedürfnis des Versorgungsberechtigten berühren (siehe hierzu bereits , BStBl II 1985, 610, unter 4. der Entscheidungsgründe; in BFHE 167, 408, BStBl II 1992, 1012). Es besteht eine Vermutung dafür, dass die Beteiligten die beiderseitigen Rechte im Übergabevertrag umfassend und abschließend umschrieben haben (, BFH/NV 2000, 1089, betreffend die Erneuerung von Fenstern und Rollläden; in BFHE 190, 302, BStBl II 2000, 21).

Außergewöhnliche Aufwendungen des Eigentümers/Übernehmers auf das Gebäude sind —auch wenn sie tatsächlich die Altenteilswohnung betreffen— nicht zuletzt wegen des offenkundigen Interesses des Eigentümers an Modernisierungsmaßnahmen als dauernde Last allenfalls dann abziehbar, wenn sich der Übernehmer hierzu im Übergabevertrag eindeutig und klar gegenüber dem Übergeber verpflichtet hat (BFH-Beschlüsse vom X B 108/97, BFH/NV 1998, 1467; vom X B 81/00, BFH/NV 2001, 600). Diese Instandhaltungen —insbesondere solche im Interesse des Vermögensübernehmers an der Werterhöhung und Werterhaltung— sind nicht als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie den im Zeitpunkt der Übergabe vertragsgemäßen Zustand wesentlich verbessern und deswegen nicht mehr den Charakter von Versorgungsleistungen haben.

Die Revision war auch nicht wegen einer Abweichung vom Beschluss des Großen Senats des (Deutsches Steuerrecht 2003, 1700) zuzulassen. Dieser hat entschieden, dass auch der Vorteil der Nutzung einer vom Übernehmer des Vermögens bewohnten Wohnung als Ertrag des übergebenen Vermögens anzusehen ist. Indes war das von den Klägern bewohnte Wirtschaftsgebäude nach den Feststellungen des FG wirtschaftlich verbraucht, so dass aus ihm auch im Wege der Eigennutzung keine Erträge erwirtschaftet werden konnten, die sich die Übergeberin hätte vorbehalten können.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 44
BFH/NV 2004 S. 44 Nr. 1
PAAAA-69618