Keine ao. Beschwerde im finanzgerichtlichen Verfahren
Gesetze: FGO § 155; ZPO § 321a
Gründe
I. Die Einkommensteuer der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) für 1999 wurde vom Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt —FA—) wegen fehlender Erklärung durch Schätzung festgesetzt. Im Einspruchsverfahren setzte das FA eine Ausschlussfrist gemäß § 364b der Abgabenordnung (AO 1977), die fruchtlos verstrich. Mit der beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Klage legten die Kläger die Steuererklärung vor. Sie wurde vom FA nicht, wohl aber vom FG nach § 76 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 79b Abs. 3 FGO mit der Folge berücksichtigt, dass sie der dem FA gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragenen Neuberechnung der Einkommensteuer zugrunde gelegt wurde.
Zum Kostenausspruch, mit dem dem FA die nach dem entstandenen Kosten auferlegt wurden, führte das FG aus, trotz § 137 Satz 3 FGO müsse das FA einen nach Verfahrensabschnitten abgegrenzten Teil der Kosten tragen, da es sich nach Vorlage der Steuererklärung pflichtwidrig geweigert habe, die Steuerfestsetzung zu ändern. § 137 Satz 3 FGO sei so auszulegen, dass den Kläger nur dann die volle Kostenpflicht treffe, wenn dem Beklagten keine Pflichtverletzung hinsichtlich der Nichtveranlagung im Klageverfahren zur Last gelegt werden könne.
Gegen den Kostenausspruch hat das FA mit Schriftsatz vom die außerordentliche Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der ”greifbaren Gesetzeswidrigkeit” eingelegt, weil die Entscheidung des FG zu einer Gesetzesanwendung führe, die der Gesetzgeber ersichtlich habe ausschließen wollen. Die Entscheidung widerspreche dem Wortlaut des Gesetzes. Danach ”sind dem Kläger insoweit die Kosten aufzuerlegen”, als das Gericht nach § 76 Abs. 3 FGO Erklärungen und Beweismittel berücksichtigt, die im Einspruchsverfahren nach § 364b AO 1977 rechtmäßig zurückgewiesen wurden. Somit habe das FG kein Ermessen, weil die Rechtsfolge des § 137 Satz 3 FGO zwingend sei. Dieses Verständnis des Gesetzeswortlauts entspreche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, wie er auch in dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags zum Ausdruck gekommen ist (vgl. BTDrucks 14/7471, S. 9). Entgegen der Auffassung des FG habe das FA wegen § 364b Abs. 2 Satz 1 AO 1977 den Erlass eines Änderungsbescheids im finanzgerichtlichen Verfahren ablehnen müssen.
Der außerordentlichen Beschwerde stehe nicht entgegen, dass sie vom Bundesgerichtshof (BGH) und vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wegen § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossen worden sei, weil eine entsprechende Regelung in der FGO nicht ersichtlich sei.
Das FA beantragt, die Kostenentscheidung im aufzuheben und den Klägern die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang aufzuerlegen.
Die Kläger beantragen unter Hinweis auf die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. und IV B 190/02 und V B 185/02 (BFHE 200, 42, 46, BStBl II 2003, 269, 270) die außerordentliche Beschwerde zurückzuweisen, das Verfahren an das funktional zuständige FG Köln zurückzugeben und die Kosten ”entsprechend der Kostengrundentscheidung im - festzusetzen”.
II. Die außerordentliche Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.
Das FA geht zu Recht davon aus, dass eine Beschwerde nach § 128 FGO gegen die Kostenentscheidung des FG nicht gegeben ist. Sie ist durch § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO ausgeschlossen. Aber auch die vom FA eingelegte außerordentliche Beschwerde ist nicht statthaft und daher unzulässig.
1. Der BFH hat allerdings in der Vergangenheit den Rechtsbehelf der außerordentlichen Beschwerde unter der engen Voraussetzung einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit zugelassen, d.h. in Fällen, in denen der kraft Gesetzes unanfechtbare Beschluss unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist oder auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (vgl. dazu BFH-Beschlüsse in BFHE 200, 42, 46, BStBl II 2003, 269, 270, und vom X B 81/02 BFH/NV 2003, 499).
Allerdings besteht auch im finanzgerichtlichen Verfahren nach Einfügung des § 321a ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz vom (BGBl I 2001, 1887) kein Raum mehr für eine außerordentliche Beschwerde.
2. Mit § 321a ZPO hat der Gesetzgeber für den Bereich der ZPO für diejenigen Fälle, die im Wesentlichen der Anlass zur Entwicklung der außerordentlichen Beschwerde waren, entschieden, dass bei einer unanfechtbaren Entscheidung selbst im Urteilsverfahren keine weitere Instanz über eine etwaige Verletzung eines Verfahrensgrundrechts entscheidet. Vielmehr erhält auf Rüge des Betroffenen das Ausgangsgericht (der judex a quo) im Wege der Selbstkontrolle die Gelegenheit, eine möglicherweise begangene Verletzung eines Verfahrensgrundrechts selbst zu korrigieren. Diese für das Urteilsverfahren getroffene Regelung muss für Entscheidungen im Beschlussverfahren erst recht gelten (Senatsbeschluss in BFH/NV 2003, 499). Sie ist über § 155 FGO auch in der Finanzgerichtsbarkeit anwendbar.
Diese Auffassung entspricht in jüngster Zeit der ständigen Rechtsprechung des BFH (Entscheidungen in BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269; in BFHE 200, 46, BStBl II 2003, 270; vom VII B 157/02, BFH/NV 2003, 633; vom IV B 225/02, juris Nr. STRE200350134; vom III B 120/02, juris Nr. STRE200350314; vom IV B 43/02, BFH/NV 2003, 790 - keine außerordentliche Beschwerde gegen isolierte Kostenentscheidung; vom I B 114/02, BFHE 201, 11, BStBl II 2003, 317; vom X B 148/02, BFH/NV 2003, 813; vom VII B 37/03, juris Nr. STRE200350356; vom III B 9/03 und 10/03, juris Nr. STRE200350455/6; s. ferner Lange, Der Betrieb 2002, 2396). Schon nach bisheriger Rechtsprechung des BFH konnte eine außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit im Finanzprozess nicht auf die Verletzung rechtlichen Gehörs gestützt werden.
3. Die mit § 321a ZPO getroffene Grundentscheidung des Gesetzgebers und ihre Anwendung in der Finanzgerichtsbarkeit kann als durch den Plenumsbeschluss des (NJW 2003, 1924) bestätigt angesehen werden. Das BVerfG bejaht die Notwendigkeit einer gesetzlich geregelten Abhilfemöglichkeit durch die Fachgerichte, wenn ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzt hat. Es führt aus, dass die von der Rechtsprechung außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffene außerordentliche Beschwerde verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht genügt (unter C. IV. 1.). Auch aus diesem Grund besteht nach Einfügung des § 321a ZPO kein Anlass mehr, im finanzgerichtlichen Verfahren an einer außerordentlichen Beschwerde festzuhalten.
4. Eine Abgabe der außerordentlichen Beschwerde an das FG kommt nicht in Betracht, weil der Rechtsbehelf ausdrücklich als außerordentliche Beschwerde beim BFH eingelegt wurde (vgl. , BFH/NV 2003, 634).
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TAAAA-69579