Verfahrensrecht | Erstattungszinsen bei Rückabwicklung von Bauträgerfällen (FG)
Das FG Baden-Württemberg hat ein
Finanzamt verpflichtet, zu Gunsten eines Bauträgers Erstattungszinsen in Höhe
von insgesamt 204.630 € festzusetzen, weil in den Streitjahren 2009 bis
2011 auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung zu Unrecht
Umsatzsteuer für die Eingangsleistungen des Bauträgers erhoben worden war
(,
Revision anhängig, BFH-Az. XI R 4/18).
Sachverhalt: Die Klägerin ist als Bauträger tätig. Sie erwirbt Grundstücke, lässt diese von Bauunternehmern bebauen, teilt die Gebäude in Wohnungen auf und verkauft diese. Die Klägerin setzte in ihren ursprünglichen Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011 nach § 13b Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 UStG die Umsatzsteuer für Bauleistungen von Bauunternehmern an (Reverse Charge), die sie für ihre steuerfreien Grundstückslieferungen verwendete. Die Klägerin folgte dabei der damaligen Verwaltungsauffassung. Im Anschluss an das , BStBl II 2014, 128 berichtigte die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011 und forderte die zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer zurück. Das FA erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide und verrechnete die Umsatzsteuererstattung mit den an sie abgetretenen (zivilrechtlichen) Ansprüchen der Bauunternehmer gegen die Klägerin auf Nachzahlung der Umsatzsteuer. Das FA setzte in den Änderungsbescheiden keine Erstattungszinsen fest. Einen Antrag auf Festsetzung von Erstattungszinsen lehnte es ab.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Das FA ist verpflichtet, den Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 233a Abs. 1 und 3 AO zu verzinsen.
Die Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuern für die Jahre 2009 bis 2011 führt zu einem Unterschiedsbetrag zugunsten der Klägerin.
Der Zinslauf beginnt jeweils 15 Monate nach Ablauf eines jeden Streitjahrs (§ 233a Abs. 2 AO) und nicht etwa aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Die Abtretung des (zivilrechtlichen) Anspruchs des leistenden Bauunternehmers auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer an die Finanzbehörde ist kein rückwirkendes Ereignis im Hinblick auf den Umsatzsteuererstattungsanspruch der Klägerin.
Die Steuerfestsetzung bei ihr ist von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil zu keiner Zeit die Voraussetzungen für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vorgelegen haben.
Die Abtretung des (zivilrechtlichen) Umsatzsteueranspruchs des leistenden Bauunternehmers an die Finanzbehörde stellt auch keine aufschiebende Bedingung für die Entstehung des (zu verzinsenden) Umsatzsteuererstattungsanspruchs der Klägerin dar.
Das FA hat keinen Verwaltungsakt erlassen, in dem es eine solche aufschiebende Bedingung ausgesprochen hat (§ 120 Abs. 2 Nr. 2 AO).
Der (zu verzinsende) Anspruch der Klägerin auf Erstattung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer entsteht vielmehr - unbedingt - kraft Gesetzes ohne weitere Voraussetzungen bzw. Handlungen der Beteiligten.
Die Klägerin muss ihrem Zinsanspruch auch nicht den Grundsatz von Treu und Glauben entgegenhalten lassen. In dem Antrag auf Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuer um die zu Unrecht festgesetzte Steuer kann kein treuwidriges Verhalten der Klägerin gegenüber dem FA erblickt werden.
Die Klägerin hat - wie die gesamte Baubranche - auf Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung irrig angenommen, Steuerschuldnerin zu sein. Diese Annahme hat sich als unrichtig erwiesen. Der Antrag auf Herstellung eines rechtmäßigen Zustands kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden.
Im Übrigen hat die Klägerin die vom FA erbetenen Auskünfte zu den leistenden Bauunternehmern erteilt, damit diese ihre (zivilrechtlichen) Ansprüchen auf Nachzahlung der Umsatzsteuer an das FA abtreten.
Die Revision ist beim BFH unter dem Az. XI R 4/18 anhängig
Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 2/2018 (il)
Fundstelle(n):
SAAAG-82374