BGH Beschluss v. - 4 StR 550/17

Strafverfahren: Grenzen der Mitwirkung eines als Zeuge vernommenen Staatsanwalts

Gesetze: § 24 StPO, § 337 StPO

Instanzenzug: LG Essen Az: 64 KLs 26/16

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Auch soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dass Staatsanwältin B.    nach ihrer Zeugenvernehmung weiter als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung mitgewirkt hat, bleibt die Verfahrensrüge ohne Erfolg.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Staatsanwalt, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen worden ist, insoweit an der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung gehindert, als zwischen dem Gegenstand seiner Zeugenaussage und der nachfolgenden Mitwirkung an der Hauptverhandlung ein unlösbarer Zusammenhang besteht (vgl. , BGHSt 21, 85, 89 f.; vom - 5 StR 529/75; vom - 1 StR 327/76; vom - 5 StR 171/93, NStZ 1994, 194; vom - 5 StR 84/04, bei Becker, NStZ-RR 2006, 257; Beschluss vom - 5 StR 465/06, BGHR StPO § 24 Staatsanwalt 7; enger , bei Dallinger, MDR 1957, 16; vom - 1 StR 155/60, BGHSt 14, 265; zweifelnd , NStZ 1989, 583; Beschluss vom - 1 StR 480/07, StV 2008, 337; vgl. Rogall in SK-StPO, 5. Aufl., vor § 48 Rn. 51 ff.). Nimmt der Staatsanwalt im Rahmen der weiteren Sitzungsvertretung eine Würdigung seiner eigenen Zeugenaussage vor oder bezieht sich seine Mitwirkung auf einen Gegenstand, der mit seiner Aussage in einem untrennbaren Zusammenhang steht und einer gesonderten Bewertung nicht zugänglich ist, liegt ein relativer Revisionsgrund nach § 337 StPO vor (vgl. aaO), der im Falle eines gegebenen Beruhenszusammenhangs zur Aufhebung des Urteils führt (vgl. ; vom - 5 StR 408/82, StV 1983, 53; Beschluss vom - 5 StR 854/82, StV 1983, 497; Urteile vom - 2 StR 697/86, NJW 1987, 3088, 3090; vom - 2 StR 377/88, BGHR StPO § 24 Staatsanwalt 2). Soweit sich die Aufgabenwahrnehmung in der Hauptverhandlung inhaltlich von der Erörterung und Bewertung der eigenen Zeugenaussage trennen lässt, ist der Staatsanwalt dagegen von einer weiteren Sitzungsvertretung nicht ausgeschlossen.
In Fällen, in denen - wie hier - nach der Zeugenvernehmung der vernommene Staatsanwalt und ein weiterer hinzugezogener Staatsanwalt gemeinsam als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft auftreten, liegt ein Verfahrensfehler nur dann vor, wenn der vernommene Staatsanwalt bei seiner weiteren Aufgabenwahrnehmung die dargestellten Grenzen einer zulässigen Mitwirkung nicht beachtet. Mit der Verfahrensrüge, die eine verfahrensfehlerhafte Wahrnehmung der Sitzungsvertretung durch den als Zeugen vernommenen Staatsanwalt geltend macht, muss daher im Rahmen des nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen Tatsachenvortrags konkret dargetan werden, dass der Staatsanwalt bei der Aufgabenwahrnehmung in der Hauptverhandlung seine eigenen zeugenschaftlichen Bekundungen gewürdigt oder in sonstiger Weise die Grenzen einer zulässigen Mitwirkung überschritten hat (vgl. , NStZ 1984, 182; vom - 3 StR 50/96, BGHR StPO § 24 Staatsanwalt 5; Beschluss vom - 5 StR 465/06, BGHR StPO § 24 Staatsanwalt 7; Häger in Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, 1990, S. 170, 180 f.).
2. Dass Staatsanwältin B.    im Rahmen der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft bis zu den Schlussvorträgen eine Würdigung der eigenen Zeugenvernehmung vorgenommen oder ihre Mitwirkung sonst einen mit der Aussage untrennbar verbundenen Gegenstand betroffen hat, wird von der Revision nicht vorgetragen. Soweit die Revisionsbegründung auf Stellungnahmen zu von der Verteidigung gestellten Beweisanträgen und auf einen von der Staatsanwältin gestellten Antrag auf Aufrechterhaltung und weitere Vollstreckung des Haftbefehls gegen den Angeklagten verweist, wird deren Inhalt ebenso wenig mitgeteilt, wie das der Stellungnahme zur Haftfrage vorausgegangene Verfahrensgeschehen. Auch dem Vorbringen zur Beteiligung von Staatsanwältin B.    an dem von der Strafkammervorsitzenden angeregten Verständigungsgespräch lässt sich eine Würdigung des Beweisergebnisses durch die Staatsanwältin nicht entnehmen. Die hierbei im Zusammenhang mit einer bei der Strafhöhe zu vermeidenden Schlechterstellung des gesondert Verfolgten K.   von ihr zum Ausdruck gebrachte Einschätzung von dessen Einlassungsverhalten in seiner Hauptverhandlung war so bereits Gegenstand der Anklage und beinhaltete keine Stellungnahme zur Beweisaufnahme.
Zu den Schlussvorträgen führt die Revision selbst aus, dass die Bewertung der Zeugenaussage der Staatsanwältin B.    durch die weitere an der Hauptverhandlung mitwirkende Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft erfolgt ist. Ob mit dem weiteren Vortrag der Revision, wonach sich Staatsanwältin B.    auch einer Würdigung der Aussagen der zu den Angaben des gesondert Verfolgten K.   in dessen Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Richter F.     und Dr. H.    hätte enthalten müssen, was nicht der Fall gewesen sei, eine unzulässige Wahrnehmung der Aufgaben als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft durch Staatsanwältin B.    ausreichend dargetan wird, kann schließlich offenbleiben, weil auszuschließen ist, dass das angefochtene Urteil hierauf beruht. Die Verurteilung gründet auf dem im Rahmen einer Verständigung abgelegten, umfassenden und von der Strafkammer als uneingeschränkt glaubhaft bewerteten Geständnis des Angeklagten. Zur Bestätigung dieses Geständnisses hat sich die Strafkammer - neben einer mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Angeklagten zuzuordnenden DNA-Spur auf dem Bett des Opfers und den Bekundungen des Tatopfers zum Tatgeschehen - auch auf die Angaben der Zeugen F.     und Dr. H.    gestützt, nach denen der gesondert Verfolgte K.   in der ihn betreffenden Hauptverhandlung den Tathergang und die Tatbeiträge des Angeklagten in Übereinstimmung mit dem Geständnis des Angeklagten schilderte. Angesichts dieser eindeutigen Beweislage schließt der Senat aus, dass Staatsanwältin B.    durch eine unzulässige Würdigung der Aussagen der Zeugen F.     und Dr. H.    in entscheidungserheblicher Weise auf die Überzeugungsbildung des Landgerichts Einfluss genommen hat.
Sost-Scheible     
      
Cierniak     
      
Franke
      
Bender     
      
Quentin     
      

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:140218B4STR550.17.0

Fundstelle(n):
QAAAG-82139