Anforderungen an die Rüge einer Divergenz; Hinweis auf die Monatsfrist nach § 68 FGO a. F. in der Rechtsbehelfsbelehrung des neuen Verwaltungsakts
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, § 68
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO— i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze —2.FGOÄndG— vom , BGBl I 2000, 1757; im Folgenden: FGO n.F.) oder wegen Verfahrensmängeln des angefochtenen Urteils (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.
1. Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO n.F. —der Zulassungsgrund ”Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung” erfasst auch die Divergenz der Entscheidung des Finanzgerichts (FG) von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)— kommt nicht in Betracht, da die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO n.F. nicht dargelegt haben. Zur schlüssigen Rüge einer Divergenz muss der Beschwerdeführer auch nach neuem Zulassungsrecht tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. , juris, STRE200251084).
Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Die Kläger stellen darin keine miteinander unvereinbaren abstrakten Rechtssätze aus der Vorentscheidung und entscheidungserhebliche Rechtssätze in dem (BFHE 193, 19, BStBl II 2001, 662) gegenüber. Sie wenden sich nur dagegen, dass das FG den Steuerbescheid vom nicht wegen fehlender Bestimmtheit als nichtig i.S. von § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gewertet hat. Sie rügen insgesamt nur die Beurteilung ausschließlich tatsächlicher Fragen durch das FG, somit also eine falsche Subsumtion. Das reicht auch nach neuem Recht für die Revisionszulassung grundsätzlich nicht aus.
Überdies ist das FG nicht von dem bezeichneten Urteil des BFH abgewichen. Der BFH sah einen schwerwiegenden, zur Nichtigkeit der Steuerfestsetzung führenden Mangel darin, dass das FA einen Steuerbescheid zusätzlich zu einem bereits bestandskräftigen Bescheid, der den gleichen Veranlagungszeitraum betraf, erlassen hat, ohne das Verhältnis zwischen beiden Bescheiden klarzustellen. Insbesondere konnte der erneute Bescheid nach den Feststellungen des BFH weder nach seinem Wortlaut noch im Wege der Auslegung als Änderungsbescheid zum Erstbescheid angesehen werden, weil er diesen als geänderten Bescheid nicht erkennen ließ. Im Streitfall wurde der Steuerbescheid vom hingegen als Änderungsbescheid gekennzeichnet. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass der Bescheid nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 geändert ist; daneben wird in den Erläuterungen der Steuerfestsetzung festgestellt, dass der mit der Klage angefochtene Bescheid vom geändert wird. Auch wenn am nicht der von den Klägern angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1993 erlassen, sondern der dagegen erhobene Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde, und unter dem gleichen Datum auch die Einspruchsentscheidung wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Einkommensteuer 1993 erging, ist durch Auslegung eindeutig zu ermitteln, dass durch den Bescheid vom der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom geändert werden sollte. Den Klägern als Adressaten bzw. ihrem Prozessvertreter musste angesichts der ihnen bekannten Umstände nach Treu und Glauben klar sein, dass der Bescheid vom ausschließliche Rechtsgrundlage der Durchsetzung des Steueranspruchs des Jahres 1993 sein sollte.
2. Entgegen der Auffassung der Kläger hat das FG § 68 FGO a.F. fehlerfrei angewendet; ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor.
a) Nach § 68 Satz 1 in der bis zum geltenden Fassung der FGO wurde ein Änderungsbescheid, der nach Klageerhebung erlassen wurde, (nur) auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens. Diese Bestimmung war im Streitfall noch anzuwenden, weil der Änderungsbescheid am erlassen wurde. Die geänderte Fassung des § 68 FGO trat erst am in Kraft (Art. 6 2.FGOÄndG; , BFH/NV 2002, 349).
b) Einen förmlichen Antrag nach § 68 FGO a.F. haben die Kläger nicht gestellt und auch aus ihrem gesamten Vorbringen ergibt sich nicht, dass der Änderungsbescheid vom zum Gegenstand des Verfahrens werden solle.
c) Das FG war auch nicht verpflichtet, auf die Monatsfrist nach § 68 FGO a.F. hinzuweisen. Dem berechtigten Interesse der Kläger, über die Frist unterrichtet zu werden, wird durch den in § 68 Satz 3 FGO a.F. vorgeschriebenen Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung des neuen Verwaltungsakts ausreichend Rechnung getragen (, BFHE 173, 305, BStBl II 1994, 405). Das Gericht kann davon ausgehen, dass Rechtsbehelfsbelehrungen zur Kenntnis genommen und beachtet werden (BFH-Beschluss in BFHE 173, 305, BStBl II 1994, 405).
d) Das FG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verfahrensfehlerfrei abgelehnt. Die im finanzgerichtlichen Verfahren steuerlich beratenen und durch einen fach- und sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretenen Kläger haben die Antragsfrist nach § 68 FGO a.F. nicht ohne Verschulden versäumt. Der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom war entgegen der Rüge der Kläger eindeutig und steht auch nicht in Widerspruch zum Hinweis auf das Fortbestehen der bis dahin gewährten AdV der Steuerfestsetzung, da die Steuerfestsetzung für das Jahr 1993 im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids nicht bestands- bzw. rechtskräftig war. Am und somit vor Verkündung des 2.FGOÄndG am konnte sich die Rechtsbehelfsbelehrung nur auf § 68 FGO in der bis einschließlich geltenden Fassung beziehen. Zudem wird nach In-Kraft-Treten von § 68 i.d.F. des 2. FGOÄndG der neue Verwaltungsakt kraft Gesetzes, d.h. ohne Antrag, zum neuen Verfahrensgegenstand. Eines entsprechenden Hinweises auf den nach § 68 Satz 3 FGO erforderlichen Antrag in der Rechtsbehelfsbelehrung hätte es in diesem Fall nicht bedurft.
Zudem hatten die Prozessbevollmächtigten der Kläger spätestens seit dem Erörterungstermin am positive Kenntnis von der versäumten Frist nach § 68 Satz 3 FGO a.F. Ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin kündigten sie eine Stellungsnahme zur Zulässigkeit der Klage —die sich angesichts der zitierten BFH-Entscheidung nur auf die versäumte Frist nach § 68 Satz 3 FGO a.F. beziehen konnte— bis an. Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellten sie hingegen nicht bereits im Erörterungstermin, sondern erst mit Schriftsatz vom und somit nicht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO).
3. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F. abgesehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 803
BFH/NV 2003 S. 803 Nr. 6
VAAAA-69493