BGH Beschluss v. - 1 StR 491/17

Schwerer Bandendiebstahl: Doppelverwertung der bandenmäßigen Tatbegehung bei der Strafzumessung

Gesetze: § 25 Abs 2 StGB, § 46 Abs 3 StGB, § 244 Abs 1 Nr 2 StGB

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 6 KLs 430 Js 90450/16

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schweren Bandendiebstahls in elf tatmehrheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit versuchtem schweren Bandendiebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

2Die hiergegen gerichtete und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4Die nicht revidierenden Mitangeklagten M.   und B.    sowie der Angeklagte H.     schlossen sich gemeinsam mit den anderweitig Verfolgten P.    , C.     , D.    und Po.   und mindestens einem weiteren unbekannten Bandenmitglied zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem in der Absicht zusammen, künftig gemeinsam eine Mehrzahl von Diebstahlstaten zu begehen und sich hieraus eine Einnahmequelle von gewisser Dauer und nicht unerheblichem Umfang zu erschließen. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend begingen die nicht revidierenden Mitangeklagten M.   und B.     als unmittelbar Tatausführende elf Einbruchsdiebstähle in verschiedene Geschäftsräume, und zwar in der Nacht vom auf den in   A.    (Fälle 1.1 bis 1.3, 1.5 und 1.6 der Urteilsgründe), zwischen dem , 22.40 Uhr und dem , 22.55 Uhr in R.     (Fall 1.8 der Urteilsgründe), am zwischen 1.00 Uhr und 6.00 Uhr in Br.     (Fälle 1.10 und 1.11 der Urteilsgründe) sowie in der Nacht vom auf den in    E.    (Fälle 2.1 bis 2.3 der Urteilsgründe).

5Der Tatbeitrag des Angeklagten H.        bestand jeweils darin, die Mitangeklagten M.   und B.     von der Wohnung des weiteren - nicht revidierenden - Mitangeklagten O.     mit einem Pkw zu den Tatorten sowie nach Ausführung der Taten wieder zurück zur Wohnung des Mitangeklagten O.     zu bringen und die Tatbeute zu transportieren.

6Im Fall 3. der Urteilsgründe hebelten die Mitangeklagten M.   und B.     am , 00.24 Uhr, gemeinsam mit vier weiteren Bandenmitgliedern am und im Gebäude der Firma Re.                   GmbH in R.        eine Außentüre sowie mehrere innenliegende Türen auf und versuchten, mit einem Vorschlaghammer einen Tresor im Obergeschoss des Gebäudes zu öffnen, um daraus Stehlenswertes zu entwenden. Nach ihrer Entdeckung brachen sie das Öffnen des Tresors ab und flüchteten ohne das darin befindliche Bargeld. Der Angeklagte H.       wartete währenddessen als Fahrer mit dem Pkw im Nahbereich des Gebäudes, um den Abtransport der Beute und die Flucht der Angeklagten M.    und B.   bzw. der anderweitig Verfolgten vom Tatort zu sichern.

II.

7Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zur Teilaufhebung im Schuldspruch sowie zur Aufhebung im gesamten Strafausspruch. Im Übrigen weist das Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

81. Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu Art und Umfang der Tatbeteiligung des Angeklagten tragen - entgegen der Auffassung der Revision - in allen Fällen den Schuldspruch wegen mittäterschaftlich begangenen (versuchten) schweren Bandendiebstahls jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung.

9Für jede einzelne (Banden-)Tat ist nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt und ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Beitrag geleistet haben (st. Rspr.; vgl. nur , StV 2009, 130). Die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft an bzw. Beihilfe zu der jeweiligen Einzeltat ist in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen, die von der Vorstellung des jeweiligen Bandenmitglieds umfasst sind. Maßgeblich sind dabei insbesondere sein Interesse an der Durchführung der Tat sowie der Umfang seiner Tatherrschaft oder jedenfalls sein Wille, Tatherrschaft auszuüben, was sich danach beurteilt, ob objektiv oder jedenfalls aus der Sicht des Täters die Ausführung der Tat wesentlich von seiner Mitwirkung abhängt (, StV 2012, 669; Beschlüsse vom aaO und vom - 3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265, 267).

10Gemessen daran hat der Angeklagte auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen in allen (versuchten) Diebstahlsfällen als Mittäter gehandelt. So hatte der Angeklagte das für die Annahme der Mittäterschaft erforderliche eigene Interesse am Erfolg der Tat, weil er anteilig an der Beute beteiligt werden sollte (UA S. 15). Ihm kam nach dem gemeinsam gefassten Tatplan auch eine bedeutende Rolle zu. Er verbrachte die Mitangeklagten M.   und B.     in seinem Fahrzeug unter Verwendung des darin befindlichen Navigationsgerätes zu den jeweiligen Tatorten, stand während der Ausführung der Taten in unmittelbarer Nähe des jeweiligen Tatorts bereit und ermöglichte sodann den Abtransport des Diebesgutes und der Mitangeklagten in seinem Fahrzeug (UA S. 18).

112. Die tatrichterliche Annahme, dass die Taten 1.1 bis 1.3, 1.5, 1.6, 1.10, 1.11 und 2.1 bis 2.3 der Urteilsgründe jeweils im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehen, hält rechtlicher Nachprüfung hingegen nicht stand. Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Annahme von jeweils selbständigen, real konkurrierenden Diebstahlstaten nicht.

12a) Sind an einer Deliktserie - wie vorliegend - mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 615/16, Rn. 4; vom - 4 StR 176/14, wistra 2014, 437 und vom - 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641; Urteil vom - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.).

13b) Danach träfe die Annahme des Landgerichts, die Zahl der selbständigen Einzeltaten des Angeklagten entspreche in den zuvor bezeichneten Fällen der Anzahl der von den unmittelbar tatausführenden Tätern begangenen Diebstahlstaten, nur unter der Voraussetzung zu, dass er hinsichtlich jedes Diebstahls einen (allein) diesen fördernden Beitrag geleistet hat. Hierzu verhält sich das Urteil jedoch nicht abschließend. Insbesondere hat die Strafkammer nicht festgestellt, was der Angeklagte konkret vor Ort gemacht hat, ob der Angeklagte von Tatort zu Tatort gefahren ist oder ob er seine Tatgenossen an den jeweiligen Tattagen nur an eine Stelle, beispielsweise in ein Gewerbegebiet gefahren, diese dort abgesetzt und nach Begehung von mehreren Einbruchsdiebstählen in verschiedene Geschäftsräume wieder abgeholt hat. Sollten die Fälle 1.1 bis 1.3, 1.5 und 1.6 der Urteilsgründe (   A.    ), 1.10 und 1.11 der Urteilsgründe (Br.    ) sowie 2.1 bis 2.3 der Urteilsgründe (   E.    ) in der Person des Angeklagten jeweils durch einen einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne von § 52 StGB verknüpft werden, lägen insoweit bei dem Angeklagten lediglich drei tatmehrheitlich begangene schwere Bandendiebstähle (in gleichartiger Idealkonkurrenz, vgl. insoweit BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 615/16, Rn. 6 und vom - 4 StR 82/17, Rn. 7, mwN) vor.

14Diese Umstände zwingen zur Aufhebung der Schuldsprüche in den bezeichneten Fällen.

153. Die Aufhebung des Schuldspruchs hat die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 1.1 bis 1.3, 1.5, 1.6, 1.10, 1.11 und 2.1 bis 2.3 der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafe zur Folge. Die von dem Rechtsfehler nicht betroffenen Einzelstrafen in den Fällen 1.8 und 3. der Urteilsgründe werden ebenfalls aufgehoben, um dem neuen Tatrichter eine einheitliche, widerspruchsfreie Strafzumessung zu ermöglichen. Demgegenüber haben die zugrundeliegenden Feststellungen, die von dem Rechtsfehler in der konkurrenzrechtlichen Beurteilung der Taten nicht betroffen sind, Bestand. Der neue Tatrichter kann ergänzende, mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.

164. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird dabei darauf Bedacht zu nehmen haben, dass die Berücksichtigung einer erheblichen kriminellen Energie im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten, die die Strafkammer aus dem planmäßigen, arbeitsteiligen Vorgehen der Angeklagten schließt (UA S. 21), eine unzulässige Doppelverwertung der bandenmäßigen Begehung beinhalten könnte.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:211117B1STR491.17.0

Fundstelle(n):
YAAAG-81523