Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - sachlicher Zusammenhang - Überprüfung des Straßenbelags - Eisglätte - keine straßenverkehrsrechtliche Pflicht - subjektiv erforderliche Vorbereitungshandlung - geringfügige Unterbrechung - natürliche Betrachtungsweise - Ausweitung des Versicherungsschutzes auf weitere Vorbereitungshandlungen - besonders enger Zusammenhang - natürliche Einheit - Ende der Unterbrechung - Erreichen des ursprünglichen und direkten Arbeitswegs
Leitsatz
Wer den Weg zur Arbeitsstätte verlässt, um den Straßenbelag auf Glätte zu überprüfen, steht hierbei nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Gesetze: § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7, § 8 Abs 1 S 1 SGB 7, § 1 StVO, § 3 Abs 1 S 1 StVO, § 3 Abs 1 S 2 StVO
Instanzenzug: Az: S 15 U 170/13 Urteilvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Az: L 3 U 112/14 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger auf dem Weg zu seiner Arbeitsstätte einen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten hat.
2Der Kläger verließ am Morgen des sein Wohnhaus und ging zu seinem auf dem Grundstück abgestellten Pkw, um mit dem Fahrzeug zu seiner Arbeitsstätte zu fahren. Er legte seine Arbeitstasche in den Wagen, verließ anschließend das Grundstück zu Fuß und ging wenige Meter auf die öffentliche Straße, um zu überprüfen, ob diese glatt sei. Der Deutsche Wetterdienst hatte am Tag zuvor eine Warnung herausgegeben, dass im Bereich des Wohnortes des Klägers bei weiter sinkenden Temperaturen in der kommenden Nacht mit Glätte durch überfrierende Nässe zu rechnen sei. Während des Rückweges zu seinem Pkw knickte der Kläger in der Regenrinne am Bordstein um, fiel auf seinen rechten Arm und erlitt dadurch Unterarmfrakturen.
3Die Beklagte lehnte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Die Prüfung der Straße auf mögliche Glätte sei eine dem Privatbereich zuzuordnende Vorbereitungshandlung, die den Versicherungsschutz auf dem Weg zur Arbeitsstätte unterbrochen habe (Bescheid vom und Widerspruchsbescheid vom ). Das SG hat diese Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, die unfallbringende Verrichtung sei eine versicherte Vorbereitungshandlung für das Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte gewesen. Die Prüfung der Fahrbahnverhältnisse sei erforderlich gewesen, um die witterungsbedingten Gefahren auf der Fahrt zur Arbeit abschätzen zu können (Urteil vom ). Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall erlitten, weil er zum Zeitpunkt des Unfalls nicht den unmittelbaren Weg nach dem Ort seiner versicherten Tätigkeit zurückgelegt habe. Die Prüfung der Fahrbahnverhältnisse habe in keinem ausreichenden sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden. Die den Weg unterbrechende Prüfung der Fahrbahn auf Glätte sei als Vorbereitungshandlung dem nicht versicherten persönlichen Lebensbereich des Klägers zuzurechnen. Die im Winter durch überfrierende Nässe glatte Straße sei, auch angesichts der Wetterberichte, kein unvorhergesehenes Ereignis gewesen. Auch habe die Prüfung des Fahrbahnzustandes unmittelbar vor dem Grundstück kein vollständiges Bild der Fahrbahnverhältnisse auf dem gesamten Weg zur Arbeit vermitteln können (Urteil vom ).
4Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Seine Handlungstendenz sei darauf gerichtet gewesen, die Fahrbahn auf Glätte zu prüfen, um den versicherten Weg zu seinem Arbeitsplatz sicher zurücklegen zu können. Auch sonst würde selbst leichtsinniges, unbedachtes Verhalten den bestehenden inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit nicht beseitigen.
5Der Kläger beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom zurückzuweisen.
6Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
7Sie hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend.
Gründe
8Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG auf die Berufung der Beklagten das der Klage stattgebende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der angefochtene Verwaltungsakt in dem Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ist rechtmäßig, denn der Kläger hat bei seinem Sturz am keinen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten.
9Die zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Var 1, § 55 Abs 1 Nr 1, § 56 SGG, vgl zB - SozR 4-2700 § 8 Nr 62; - SozR 4-2700 § 8 Nr 60 RdNr 11; - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 9 mwN), mit der der Kläger unter Aufhebung der ablehnenden Verwaltungsakte der Beklagten die Feststellung des Ereignisses vom als Arbeitsunfall verfolgt, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, weil er keinen Arbeitsunfall erlitten hat.
10Nach § 8 Abs 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätig-keit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 S 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeits-unfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (stRspr; vgl zuletzt - SozR 4-2700 § 8 Nr 62; vgl auch - SozR 4-2700 § 8 Nr 60; - SozR 4-2700 § 2 Nr 37; - SozR 4-2700 § 8 Nr 58; - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 9; - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 Nr 11; - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 11; - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49; - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12).
11Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der als Beschäftigter gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Kläger erlitt zwar bei seinem Sturz am eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS von § 8 Abs 1 S 2 SGB VII. Er fiel im Bereich der Straße auf seinen rechten Arm, wodurch ein Teil der Außenwelt auf seinen Körper einwirkte (vgl hierzu - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 14). Dies führte zu seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Brüchen des rechten Unterarms und damit zu Gesundheitserstschäden. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses, das Zurücklegen des Weges von der Straße zu seinem Pkw, stand jedoch in keinem sachlichen Zusammenhang zu seiner versicherten Tätigkeit. Zum Unfallzeitpunkt legte der Kläger keinen durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII geschützten Weg zurück. Zwar stand der Kläger während des Zurücklegens des Weges von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte grundsätzlich unter Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII (dazu unter 1.). Er hatte jedoch diesen versicherten Weg für die Prüfung des Straßenbelags auf Glätte mehr als nur geringfügig aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen (dazu unter 2.). Diese Unterbrechung hatte zum Zeitpunkt des Unfallereignisses bereits begonnen und war - beim Rückweg von der Fahrbahn in Richtung auf den Pkw - auch noch nicht beendet (dazu unter 3.).
121. Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Tätigkeiten zählt das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dabei ist nicht der Weg als solcher, sondern dessen Zurücklegen versichert, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf einer Strecke, die durch einen Ausgangs- und einen Zielpunkt begrenzt ist ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 62; - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46a RdNr 47; - SozR 2200 § 550 Nr 24b RdNr 15). Versichert ist in der gesetzlichen Unfallversicherung mithin als Vorbereitungshandlung der eigentlichen Tätigkeit das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach dem Ort der Tätigkeit. Der Versicherungsschutz besteht deshalb, wenn der Weg erkennbar zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit - oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung - zu erreichen. Maßgebliches Kriterium für den sachlichen Zusammenhang ist, ob die anhand objektiver Umstände zu beurteilende Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges darauf gerichtet ist, eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung auszuüben, dh ob sein Handeln auf das Zurücklegen des direkten Weges zu oder von der Arbeitsstätte bezogen ist (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 62; - SozR 4-2700 § 8 Nr 60 RdNr 15; - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 14; - SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 9; - SozR 4-2700 § 8 Nr 24 RdNr 12; - SozR 3-2700 § 8 Nr 9 S 33, jeweils mwN).
13Nach den für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG hatte der Kläger mit dem Verlassen seines Wohnhauses den nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Weg zu seiner Arbeitsstätte angetreten. Er bewegte sich nach dem Verlassen seines Wohnhauses zu Fuß zunächst mit der Handlungstendenz fort, seinen auf seinem Grundstück abgestellten Pkw zu erreichen, um mit ihm zur Aufnahme seiner versicherten Beschäftigung zu fahren. Der versicherte Weg iS von § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII von einem Wohnhaus zur Arbeitsstätte beginnt grundsätzlich mit dem Durchschreiten der Außentür des Wohnhauses (stRspr, vgl zuletzt - SozR 4-2700 § 8 Nr 61 RdNr 16; - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen = SozR 4-2700 § 2 Nr 35 RdNr 21). Unter Versicherungsschutz steht auch das Zurücklegen des Weges von der Außentür des Wohnhauses zu einem Fahrzeug, um mit ihm die Fahrt zur Arbeitsstätte anzutreten (vgl zB - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 14).
142. Der Kläger hatte den an sich versicherten Weg zur Arbeitsstätte unterbrochen, als er zur Straße ging, um die Fahrbahn auf Glätte zu überprüfen. Diese Prüfung der Fahrbahnverhältnisse stand als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung .
15Die Prüfung des Straßenbelages auf Glätte stand als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung. Wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII und dem dort verwendeten Begriff "unmittelbar" ergibt, steht grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl zB - SozR 4-2700 § 8 Nr 62; - SozR 4-2700 § 8 Nr 60 RdNr 17 mwN). Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin - hier der Arbeitsstätte des Klägers - dient, ist die Handlungstendenz der Versicherten (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 mwN und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49; - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3). Wird der Weg zum oder vom Ort der versicherten Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen, entfällt der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit der Versicherungsschutz. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Versicherte lediglich seine Fortbewegung beendet, um sich an Ort und Stelle einer anderen, nicht nur geringfügigen Tätigkeit zuzuwenden, oder ob er den eingeschlagenen Weg verlässt, um an anderer Stelle einer privaten Verrichtung nachzugehen und erst danach auf den ursprünglichen Weg zurückzukehren (vgl zB - SozR 4-2700 § 8 Nr 62 mwN). Die Prüfung der Fahrbahn auf Glätte stand weder als geringfügige Unterbrechung (dazu unter a) noch unter dem Gesichtspunkt der Vorbereitungshandlung unter Versicherungsschutz (dazu unter b).
16a) Es lag keine grundsätzlich den Versicherungsschutz unberührt lassende, lediglich geringfügige Unterbrechung des Weges vor (vgl dazu - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 21 mwN). Eine Unterbrechung ist nur dann geringfügig, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann (vgl zB - SozR 4-2700 § 8 Nr 62; - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 21 mwN). Das Zurücklegen des Weges von dem Grundstück des Klägers auf die Fahrbahn, die Prüfung der Fahrbahnverhältnisse und der Weg zurück waren keine geringfügigen, "nur nebenbei" erfolgenden Handlungen. Sie führten zu einer erheblichen Zäsur, auch wenn der Zeitaufwand für die Prüfung gering gewesen sein sollte. Der Kläger musste zu Fuß sein Grundstück verlassen, auf die Fahrbahn treten und dann zu Fuß zu seinem Pkw zurückkehren. Dies setzte eine neue Handlungssequenz in Gang, die sich - auch äußerlich - deutlich von dem weiteren Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte, nämlich dem Einsteigen in den Pkw und die Aufnahme der Fahrt, abgrenzen lässt (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 16).
17b) Gründe dafür, dass die Prüfung der Fahrbahnverhältnisse als Vorbereitung der Fahrt zur Arbeitsstätte versichert gewesen sein könnte, sind weder festgestellt noch erkennbar. Nur bestimmte Handlungen zur Vorbereitung einer versicherten Tätigkeit stehen nach § 8 Abs 2 SGB VII unter Versicherungsschutz, während sonstige typische Vorbereitungshandlungen grundsätzlich nicht versicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeiten sind. Wege, die nur zur Vorbereitung des eigentlichen Weges zur Aufnahme der Arbeit am Ort der Tätigkeit dienen, sind grundsätzlich nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung geschützt (vgl - USK 91162). Dabei sind Vorbereitungshandlungen oder vorbereitende Tätigkeiten Maßnahmen, die einer versicherten Tätigkeit vorangehen und ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (vgl - NZS 2013, 351; - SozR 4-2700 § 8 Nr 32; - SGb 2005, 171).
18Diese Beschränkung des Versicherungsschutzes trägt den gesetzlichen Vorgaben und der Systematik des § 8 SGB VII Rechnung. Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen in § 8 Abs 2 SGB VII bestimmte typische Vorbereitungshandlungen selbst dem Versicherungsschutz unterstellt, weil er insoweit ein über den Schutzbedarf der eigentlichen beruflichen Tätigkeit hinausgehendes soziales Schutzbedürfnis angenommen hat. Er ist dabei ersichtlich davon ausgegangen, dass es für die Einbeziehung in den Unfallversicherungsschutz klassischer Vorbereitungshandlungen - etwa wie hier des Zurücklegens des Weges zum und vom Ort der Arbeitsstätte - einer besonderen Regelung bedurfte. Der Versicherungsschutz für vorbereitende Tätigkeiten ist deshalb grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt, die das Gesetz selbst ausdrücklich nennt (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 5). Keine solche ausdrücklich unter Versicherungsschutz gestellte Verrichtung ist die Prüfung der Fahrbahn auf Glätte.
19Handelt es sich - wie hier - nicht um eine von § 8 Abs 2 SGB VII erfasste vorbereitende Tätigkeit, kommt eine Ausweitung des Versicherungsschutzes auf weitere Vorbereitungshandlungen nur dann in Betracht, wenn diese mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung so eng verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden. Hierfür ist ein besonders enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang erforderlich, der die Vorbereitungshandlung nach den Gesamtumständen selbst bereits als Bestandteil der versicherten Tätigkeit erscheinen lässt (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 32; - SozR 4-2700 § 8 Nr 5). Ausnahmsweise lässt daher eine mehr als geringfügige Unterbrechung eines versicherten Weges den Versicherungsschutz unberührt, wenn die Unterbrechung in einem inneren, nämlich engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, zB als Vorbereitungshandlung mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung eng verbunden ist (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 5; - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3; vgl weiter - SozR 4-2700 § 8 Nr 32; - SozR 4-2700 § 8 Nr 25). Die Rechtsprechung hat deshalb auch bei solchen Verrichtungen einen Versicherungsschutz bejaht, bei denen die Gesamtumstände dafür sprachen, das unfallbringende Verhalten dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung zuzurechnen. Dabei handelte es sich um Sachverhalte, bei denen die betreffende Verrichtung während der Dienstzeit bzw bei der Zurücklegung des Betriebsweges oder des Weges zum oder vom Ort der Tätigkeit unerwartet notwendig geworden war, um weiterhin die betriebliche Arbeit verrichten bzw den Weg zurücklegen zu können (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN; - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 mwN; - SozR 4-2700 § 8 Nr 24; - SozR 4-2700 § 8 Nr 6 RdNr 13 mwN). So ist Versicherungsschutz angenommen worden bei Maßnahmen zur Behebung einer während eines versicherten Weges auftretenden Störung am benutzten Fahrzeug ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 24; - BSGE 16, 245 = SozR Nr 36 zu § 543 RVO aF; vgl - USK 88112), beim Auftanken eines Kraftfahrzeugs bei unvorhergesehenem Benzinmangel ( - SozR Nr 63 zu § 543 RVO aF; - SozR 3-2200 § 548 Nr 23) oder beim Beschaffen von Medikamenten, wenn dies dazu diente, trotz einer während der Dienstzeit oder auf einer Geschäftsreise plötzlich aufgetretenen Gesundheitsstörung die betriebliche Tätigkeit fortsetzen zu können (vgl - USK 70105; - SozR 2200 § 548 Nr 31; vgl auch - SozR 3-2200 § 548 Nr 43 S 164) bzw bei unmittelbar vor Dienstantritt aufgetretenen Beschwerden dies erst zu ermöglichen ( - SozR 3-2200 § 550 Nr 16). Während der Durchführung allgemeiner Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines der Zurücklegung des Weges dienenden Pkw's, zB Tanken, Inspektionen, Reparaturen, besteht dagegen kein Versicherungsschutz (stRspr, vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 5; - BSGE 7, 255; - BSGE 16, 77 = SozR Nr 35 zu § 543 RVO aF; - SozR 3-2200 § 550 Nr 19).
20Umstände, die einen solchen zu Versicherungsschutz führenden engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte begründen konnten, lagen hier nicht vor. Die Prüfung des Fahrbahnbelags auf Glätte war keine Verrichtung, die unerwartet notwendig geworden war, um den Weg zur Arbeitsstätte zurücklegen zu können. Eine mögliche Straßenglätte war nach den Feststellungen des LSG nicht unvorhersehbar, ua weil am Vortag eine entsprechende Meldung mit einer Warnung vor Glätte für den folgenden Tag erfolgt war, sodass es bereits deshalb an einem unerwarteten Ereignis fehlte. Die Prüfung der Fahrbahn vor dem Haus des Klägers auf Glätte und deshalb auch die damit zusammenhängenden Wege waren auch nicht notwendig, um den Weg zur Arbeitsstätte zurückzulegen. Selbst wenn die Handlungsweise des Klägers aus seiner subjektiven Sicht vernünftig gewesen sein sollte, war sie objektiv weder erforderlich noch rechtlich geboten. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich jedenfalls nicht, dass eine Prüfung durch Inaugenscheinnahme oder Rutschprobe mit den Füßen erforderlich gewesen sein könnte. Um den Zustand der Fahrbahn unmittelbar vor dem Grundstück feststellen zu können, hätte es genügt, vorsichtig auf die Fahrbahn einzubiegen und ggf Bremsproben durchzuführen.
21Der Kläger kam mit der Fahrbahnprüfung auch keiner rechtlichen Verpflichtung, insbesondere keiner straßenverkehrsrechtlichen Pflicht nach, die vor Antritt der Fahrt zu erfüllen war. § 1 StVO bestimmt, dass die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht erfordert und die Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten haben, dass kein anderer gefährdet oder geschädigt wird. Bei Glatteis, Schneeglätte, Eis- oder Reifglätte darf ein Fahrzeug nur mit bestimmten Reifen gefahren werden (vgl § 2 Abs 3a S 1 StVO in der seit dem geltenden Fassung der Verordnung vom , BGBl I 1737). Ein Fahrzeug darf nur so schnell gefahren werden, dass es ständig beherrscht werden kann; seine Geschwindigkeit ist insbesondere den Wetterverhältnissen anzupassen (vgl § 3 Abs 1 S 1 und 2 StVO). Daraus folgt zwar eine Verpflichtung, bei möglicher Fahrbahnglätte so langsam zu fahren, dass das Fahrzeug jederzeit gefahrlos angehalten werden kann. Der Fahrer eines Pkw's ist aber grundsätzlich nicht verpflichtet, bei Glätte sein Fahrzeug stehen zu lassen. Lediglich für Fahrer eines kennzeichnungspflichtigen Fahrzeuges mit gefährlichen Gütern besteht die Pflicht, bei Schneeglätte oder Glatteis ggf einen geeigneten Platz zum Parken aufzusuchen (vgl § 2 Abs 3a S 4 StVO in der seit dem geltenden Fassung der Verordnung vom , BGBl I 1737). Eine Pflicht des Fahrers eines Pkw's zur Prüfung der Straßenverhältnisse durch Inaugenscheinnahme, sensorische Prüfung, Aussteigen aus dem Fahrzeug oder ähnliche Handlungen besteht grundsätzlich nicht. Die Erfüllung der oben genannten sonstigen Pflichten nach der StVO setzt eine solche Prüfung nicht voraus, weil ein Fahrer sich grundsätzlich auch durch vorsichtiges Anfahren ggf mit Bremsprobe über den Zustand des Straßenbelags Kenntnis verschaffen kann. Dementsprechend hat auch die Rechtsprechung keine generelle Verpflichtung zur Prüfung der Fahrbahnverhältnisse durch Betreten der Fahrbahn und Inaugenscheinnahme angenommen (vgl allerdings zur Prüfung der Straßenverhältnisse des Fahrers einer Sattelzugmaschine mit Auflieger an einer Gefällestrecke mit Granitkleinsteinpflaster bei möglicher Glatteisbildung - VersR 1965, 379).
22Allein eine ggf vorhandene subjektive Überzeugung des Klägers, die Prüfung der Fahrbahn vor seinem Grundstück auf Glätte durch Inaugenscheinnahme bzw eine Rutschprobe sei erforderlich, konnte Versicherungsschutz auf dem Weg zurück zum Pkw nicht begründen. Die rein subjektive Vorstellung des Versicherten über die Erforderlichkeit einer Vorbereitungshandlung bzw einer Unterbrechung des Weges begründet grundsätzlich keinen Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Der Versicherungsschutz würde entgegen der gesetzlichen Regelung unzulässig ausgeweitet, wenn jede subjektive Überzeugung des Versicherten von der Erforderlichkeit oder Nützlichkeit seines Handelns (beispielsweise aus Überängstlichkeit etc) unabhängig von dessen Notwendigkeit oder rechtlicher Gebotenheit zu einer in der Wegeunfallversicherung versicherten Handlung führen würde.
233. Die Unterbrechung des an sich versicherten Weges hatte im Unfallzeitpunkt bereits begonnen (hierzu unter a) und war auch noch nicht beendet (hierzu unter b).
24a) Die Unterbrechung des versicherten Weges und der damit verbundene Wegfall des Versicherungsschutzes erfolgte in dem Moment, in dem der Kläger nach außen hin erkennbar seine subjektive Handlungstendenz in ein für Dritte beobachtbares "objektives" Handeln umgesetzt hatte (vgl dazu - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 13). Der Versicherungsschutz entfiel damit spätestens in dem Moment, in dem der Kläger nach dem Abstellen seiner Tasche im Pkw nicht zur Fahrertür ging, sondern sich in Richtung auf die Fahrbahn bewegte. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin - hier der Arbeitsstätte des Klägers - dient, ist ausschließlich die Handlungstendenz des Versicherten (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 mwN und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49; - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3). Nach den bindenden Feststellungen des LSG war die Handlungstendenz des Klägers nach dem Abstellen der Arbeitstasche darauf gerichtet, zunächst zu Fuß die Straße zu erreichen, den Straßenbelag auf Glätte zu prüfen und dann zu seinem Grundstück zurückzukehren, um mit seinem Pkw den Weg zur Arbeitsstätte fortzusetzen. Die nicht mehr auf das unmittelbare Zurücklegen des direkten Weges zur Arbeitsstätte gerichtete subjektive Handlungstendenz des Klägers war auch nach außen durch ein für Dritte beobachtbares "objektives" Handeln erkennbar.
25Dass der Kläger auf die Straße trat und damit den Straßenbereich nicht verließ, führt nicht dazu, dass er unter Versicherungsschutz stand. Soweit das BSG früher entschieden hat, dass der Versicherungsschutz solange erhalten bleibt, wie sich der Versicherte noch innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums der für den Weg zu der Arbeitsstätte benutzten Straße aufhält, hat der Senat an dieser Rechtsprechung seit 2003 nicht mehr festgehalten (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 12 mwN sowie - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3; kritisch zu dieser Wende der Rechtsprechung von Koppenfels-Spieß, NZS 2014, 881; anders Schur/Spellbrink, SGb 2014, 589).
26b) Die Unterbrechung des Weges war zum Zeitpunkt des Unfalls auch noch nicht beendet und der Versicherungsschutz deshalb nicht neu entstanden. Erst mit der Fortführung des ursprünglichen Weges liegt wieder eine versicherte Tätigkeit vor (vgl - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 35), es sei denn, dass aus der Dauer und der Art der Unterbrechung auf eine endgültige Lösung des Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit geschlossen werden muss (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 16 mwN). Auch wenn der Kläger nach Prüfung der Fahrbahnverhältnisse sich wieder in Richtung auf seinen Pkw zubewegte, begründete dies allein den Versicherungsschutz auf der zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Wegstrecke nicht neu. Dies gilt selbst dann, wenn seine Handlungstendenz nun darauf gerichtet war, zum Pkw zu gelangen, um mit ihm den Weg zur Arbeitsstätte zurückzulegen.
27Bei abgrenzbaren Unterbrechungen bedarf es als objektives Kriterium zur Wiederbegründung des Versicherungsschutzes einer das Ende der Unterbrechung nach natürlicher Betrachtungsweise markierenden Handlung. Denn die objektive Bewegung in die "richtige" Richtung und die damit einhergehende subjektive Handlungstendenz allein reichen zur Wiederbegründung des Versicherungsschutzes nicht aus, wenn sich der Versicherte auf einem Abweg befindet bzw den Weg unterbrochen hat (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 62; vgl für den irrtümlichen Abweg - SozR 4-2700 § 8 Nr 60 RdNr 17; vgl auch - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN). Wie soeben unter 3 a) ausgeführt, kann allein der Aufenthalt im Straßenraum den Versicherungsschutz nicht (wieder) begründen. Wird der Weg zu oder von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, setzt der Versicherungsschutz folglich erst dann wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und der ursprüngliche Weg wieder aufgenommen wird (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 62 mwN).
28Im vorliegenden Fall wollte der Kläger seinen Weg zu seiner Arbeitsstätte mit dem Pkw zurücklegen. Die konkrete, zur Zurücklegung des versicherten Weges unternommene Verrichtung, nach dem Verstauen seiner Tasche die Fahrt mit dem Pkw zu beginnen, hatte er zur Erledigung der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit der Prüfung der Fahrbahnverhältnisse unterbrochen. Der bloße Rückweg von der Fahrbahn in Richtung des Pkw's genügte nicht, diese Unterbrechung zu beenden und den Versicherungsschutz wieder zu begründen. Den direkten Weg zu seiner Arbeitsstätte hatte der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalles noch nicht wieder erreicht und diesen ursprünglichen Weg damit noch nicht wieder aufgenommen. Auch wenn er sich zu diesem Zeitpunkt von der Straße zurück in Richtung auf sein Grundstück mit der Handlungstendenz bewegte, zu seinem Pkw zurückzukehren, einzusteigen und zur Arbeitsstätte zu fahren, war damit der ursprünglich unterbrochene unmittelbare Weg zur Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht (vgl hierzu eingehend die - und - B 2 U 11/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 62). Allein eine auf das Zurücklegen des versicherten Weges ggf gerichtete Handlungstendenz vermag den Versicherungsschutz jedenfalls im Regelfall nicht zu begründen, wenn sich der Verletzte - wie hier der Kläger - noch nicht wieder auf dem ursprünglichen, versicherten direkten Weg befindet (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 60 RdNr 21 mwN).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2018:230118UB2U316R0
Fundstelle(n):
DB 2018 S. 21 Nr. 4
NJW 2018 S. 2149 Nr. 29
SAAAG-81282