Einkommensteuer | Prozesskosten als agB (FG)
Prozesskosten, die im Rahmen von Verfahren zum Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) entstanden sind, sind als außergewöhnliche Belastungen abziehbar (; Revision zugelassen).
Sachverhalt: In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das FA berücksichtigte die Prozesskosten nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht, da die Existenzgrundlage nicht gefährdet gewesen sei. Hiergegen wandte sich der Kläger. Er führte aus, dass es sich um Prozesskosten handele, die im Rahmen von Verfahren zum Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) entstanden seien. Er führe diese Verfahren seit Mitte 2012, nachdem seine frühere Ehefrau die gemeinsame Tochter nach einer Urlaubsreise nicht nach Deutschland zurückgebracht, sondern in Südamerika behalten habe. Da er sehr an seiner Tochter hänge und den Kindesentzug nicht habe akzeptieren können, habe er den Rechtsweg beschreiten müssen. Dies sei unausweichlich gewesen, um seine Tochter nach Deutschland zurückholen zu können. Die Zivilprozesskosten seien weder mutwillig noch leichtfertig entstanden und hätten auch hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten, da die Widerrechtlichkeit des Kindesentzugs vom Gericht festgestellt worden sei.
Das FG Düsseldorf führte hierzu u.a. aus:
Die Aufwendungen sind nicht nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vom Abzug ausgeschlossen.
Bei den in Rede stehenden Aufwendungen des Klägers für das Verfahren nach dem HKÜ handelt es sich zwar um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.
Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten allerdings dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Nach den Ausführungen des kann „Existenzgrundlage“ in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie. Der BFH hat sich in dem genannten Urteil, das den Abzug von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung zum Gegenstand hatte, jedoch für eine Auslegung als materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen entschieden, weil im Hinblick auf den Zusatz in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG „in dem üblichen Rahmen“ ein Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse naheliege und im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar seien.
Der Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang dieser Regelung und ihr Sinn und Zweck lassen, neben dem Verständnis der Existenzgrundlage als materielle Lebensgrundlage, auch eine Deutung als immaterielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen in Form der Eingebundenheit einer Person in eine Familie zu.
In Folge verfassungskonformer Auslegung des Begriffs der Existenzgrundlage gehören hierzu auch Prozesskosten im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit über das Umgangsrecht eines Vaters mit seinem Kind und der Rückkehr des bei der Mutter im Ausland lebenden Kindes nach Deutschland.
Eine gesetzliche Regelung der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten aus tatsächlichen Gründen dahingehend, dass eine solche bejaht wird, wenn die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen ohne den Rechtsstreit gefährdet wäre, nicht aber wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine immaterielle Lebensgrundlage zu verlieren, indem er seine ins Ausland entführte Tochter nicht wiedersehen würde, wäre im Hinblick darauf, dass Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie unter einem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, nicht gerechtfertigt. Zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 6 GG ist § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend zu deuten, dass die Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen auch dann gefährdet ist, wenn er ohne den Prozess keine (legale) Möglichkeit hat, seine von der Kindesmutter ins Ausland entführte Tochter nach Deutschland zurückzuholen.
Das Urteil ist auf der
Homepage des FG Düsseldorf
veröffentlicht.
Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in
Kürze.
Quelle: (Ls)
Fundstelle(n):
DAAAG-80827