Gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG beim sog. Finetrading
Finetrading ist ein verbreitetes bankenunabhängiges alternatives Finanzierungsinstrument. Gewerbesteuerlich stellt sich in Zusammenhang mit diesem Finanzierungsinstrument die Frage, ob und inwieweit verschiedene im Rahmen des Finetradings erhobene Gebühren der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG unterliegen.
I. Beschreibung des Finetradings
Das Finetrading dient regelmäßig der Finanzierung von Umlaufvermögen. Dabei agiert der „Finetrader” als Zwischenhändler zwischen dem „Lieferanten” und dem „Käufer” der Waren und finanziert die Warenlieferung für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum von weniger als einem Jahr für den „Käufer” vor. Grundlage ist ein zwischen dem „Finetrader” und dem „Käufer” geschlossener Rahmenvertrag, in dem u. a. ein bestimmtes Finetrading-Limit (= Höchstbetrag, bis zu dem der „Finetrader” in Vorleistung tritt), die vom „Käufer” an den „Finetrader” zu leistenden Finetrading-Gebühren sowie die Zahlungsfristen festgelegt werden.
I. E. vollzieht sich ein über den „Finetrader” finanzierter Wareneinkauf folgendermaßen:
Der „Lieferant” und der „Käufer” verhandeln den Wareneinkauf. Der „Käufer” holt das Verkaufsangebot des „Lieferanten” dabei für den „Finetrader” als Vertragspartner ein.
Der „Käufer” beauftragt den „Finetrader”, das Verkaufsangebot des „Lieferanten” anzunehmen. Gleichzeitig bietet der „Käufer” dem „Finetrader” an, die Waren zu erwerben. Das gegenüber dem „Finetrader” abgegebene Kaufpreisangebot des „Käufers” entspricht grds. dem Kaufpreis der Vorlieferung zwischen dem „Lieferanten” und dem „Finetrader”; ggf. erfolgt eine Anpassung aufgrund des vereinbarten Regelskontos (vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen zu den Finetrading-Gebühren).
Der „Finetrader” nimmt sowohl das Verkaufsangebot des „Lieferanten” als auch das Kaufangebot des „Käufers” an.
Der „Lieferant” liefert die Waren unmittelbar an den „Käufer”.
Der „Finetrader” bezahlt den Kaufpreis für die Waren an den „Lieferanten”.
Der „Käufer” bezahlt den Kaufpreis für die Waren nach Maßgabe der im Rahmenvertrag festgelegten Zahlungsfristen an den „Finetrader”.
Nach Zahlung des Kaufpreises sowie der Finetrading-Gebühren geht das Eigentum an den Waren vom „Finetrader” auf den „Käufer” über.
II. Finetrading-Gebühren
Folgende Finetrading-Gebühren werden vereinbart:
1. Einrichtungs-/Bereitstellungsgebühr
Für die Einrichtung sowie Aufrechterhaltung des Finetrading-Limits werden eine einmalige Einrichtungs- sowie eine jährlich zu zahlende Bereitstellungsgebühr erhoben. Hierdurch sollen insb. die dem „Finetrader” entstehenden Kosten für die Bonitätsprüfung des „Käufers” abgegolten werden. Die sich zumeist an der Höhe des Finetrading-Limits orientierenden Gebühren fallen unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme dieses Limits an.
2. Regelskonto (Tage 1–30)
In den ersten 30 Tagen erhebt der „Finetrader” vom „Käufer” keine Stundungsgebühr. Der Rahmenvertrag sieht allerdings einen sog. Regelskonto vor. Je nach Höhe des zwischen „Lieferanten” und „Finetrader” vereinbarten Skontos sind – üblicherweise – folgende Sachverhaltskonstellationen zu unterscheiden:
a) Tatsächlicher Skonto des Lieferanten = Regelskonto
Der „Käufer” muss den Kaufpreis für die Waren ohne Abzug eines Skontos an den „Finetrader” zahlen. Sofern der „Finetrader” seinerseits den Skonto des „Lieferanten” in Anspruch nimmt, verbleibt ihm ein Ertrag i. H. des Regelskontos.
b) Tatsächlicher Skonto des Lieferanten > Regelskonto
In diesem Fall mindert sich der Kaufpreis der Waren für den „Käufer” um den den Regelskonto übersteigenden Skonto aus der Vorlieferung des „Lieferanten” an den „Finetrader”. Sofern der „Finetrader” seinerseits den Skonto des Lieferanten in Anspruch nimmt, verbleibt ihm ein Ertrag i. H. des Regelskontos.
c) Tatsächlicher Skonto des Lieferanten < Regelskonto
Der Kaufpreis der Waren für den „Käufer” erhöht sich um den Betrag, um den der tatsächliche Skonto des „Lieferanten” den Regelskonto unterschreitet (sog. Malus). Auch hier verbleibt dem „Finetrader” ein Ertrag i. H. des Regelskontos.
Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise erhebt der „Finetrader” in den drei Sachverhaltskonstellationen jeweils in den ersten 30 Tagen eine Gebühr i. H. des Regelskontosatzes für das Finetrading, die im Kaufpreis für die Waren enthalten ist.
3. Stundungsgebühr (Tage 31–120)
Ab dem 31. Tag wird für das Finetrading eine prozentuale Stundungsgebühr erhoben, die tagegenau/monatsgenau berechnet wird.
4. Verzugsgebühr (ab Tag 121)
Sofern der „Käufer” seinen Zahlungsverpflichtungen innerhalb der im Rahmenvertrag vorgesehenen höchstzulässigen Zahlungsfrist von 120 Tagen nicht nachgekommen ist, fällt eine (weitere) prozentuale Verzugsgebühr pro Tag/Monat an. Hierbei soll es sich aus Sicht des „Finetraders” um eine Schadensersatzpauschale handeln, die zur Abgeltung des mit dem Verzugsschaden entstehenden Arbeitsaufwands des „Finetraders” gezahlt wird. Dem „Käufer” kann insoweit ggf. der Nachweis gestattet sein, dass kein oder ein geringerer Verzugsschaden eingetreten ist.
III. Rechtliche Würdigung
Fraglich ist, ob und inwieweit die genannten Gebühren beim „Käufer” der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG unterliegen. Hierzu wird gebeten, die folgende Auffassung zu vertreten:
1. Einrichtungs-/Bereitstellungsgebühr
Entgelte für Schulden i. S. d. § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 GewStG sind die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital (R 8.1 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009). Bereitstellungszinsen und Zusageprovisionen stellen keine Gegenleistung für die eigentliche Nutzung von Fremdkapital dar und unterliegen daher nicht der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG (R 8.1 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009; , BStBl. 1997 II S. 253). Auch Geldbeschaffungskosten, laufende Verwaltungskosten und Depotgebühren sind keine hinzurechnungspflichtigen Entgelte (R 8.1 Abs. 1 Satz 9 GewStR 2009).
Nach diesen Maßstäben unterliegt weder die Einrichtungs- noch die Bereitstellungsgebühr der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG. Die Zahlungen fallen unabhängig von der Inanspruchnahme des Finetradings an und sind von der Dauer und Höhe der tatsächlichen Kapitalüberlassung unabhängig. Sie haben die wirtschaftliche Qualität von Geldbeschaffungskosten (Einrichtungsgebühr) bzw. laufenden Verwaltungskosten/Bereitstellungszinsen (Bereitstellungsgebühr).
2. Regelskonto (Tag 1–30)
Im Fall der Vereinbarung eines Skontos entsprechen die Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts dem vereinbarten Kaufpreis ohne Abzug des Skontos. Die Inanspruchnahme des Skontos bewirkt eine Minderung der Anschaffungskosten (, BStBl. 1971 II S. 323).
Im vorliegenden Fall des Finetradings nimmt der „Käufer” keinen Skonto in Anspruch, sondern zahlt den „Bruttokaufpreis” an den „Finetrader”. In Höhe des Regelskontos werden folglich keine Finanzierungsaufwendungen in der Gewinn-/Verlustrechnung des „Käufers” ausgewiesen. Der Regelskonto ist Bestandteil der Anschaffungskosten der eingekauften Waren.
Vor diesem Hintergrund ist eine Hinzurechnung des Regelskontos gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG mangels Vorliegens gewinnmindernder Aufwendungen ausgeschlossen (vgl. BStBl. I S. 654, Rn. 2[1] ). Auf die Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 GewStG kommt es dabei nicht an. Die Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen Skonti hinzuzurechnen sind, die der Steuerpflichtige seinen Kunden gewährt hat. Vorliegend geht es dagegen um die Hinzurechnung eines Skontos, den ein Lieferant dem Steuerpflichtigen eingeräumt hat. Für diesen Fall enthält das GewStG keine dahingehende Fiktion, Anschaffungskosten der Waren teilweise in einen Finanzierungsaufwand umzuqualifizieren.
3. Stundungsgebühr (Tage 31–120)
Die Stundungsgebühren sind Gegenleistung des „Käufers” für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital durch den „Finetrader”. Die zu leistende Vergütung ist abhängig von der Höhe und der Dauer der Kapitalüberlassung. Die Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG sind daher erfüllt; die Stundungsgebühren unterliegen der Hinzurechnung.
4. Verzugsgebühr (ab Tag 121)
Auch die Verzugsgebühren unterliegen der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG. Dem steht nicht entgegen, dass es sich nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen des „Finetraders” um eine Schadensersatzpauschale handelt, die zur Abgeltung des mit dem Verzugsschaden entstehenden Arbeitsaufwands des „Finetraders” erhoben wird. Mit Blick auf die Abhängigkeit der Verzugsgebühr von der Höhe des Verzugsbetrags sowie der Verzugsdauer handelt es sich – genauso wie bei Überziehungszinsen oder Säumniszuschlägen auf betriebliche Steuern – um ein Entgelt für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital.
OFD Nordrhein-Westfalen v. - Kurzinfo GewSt 05/2017
Fundstelle(n):
WAAAG-80154