Mehrwertsteuer – Mehrwertsteuerrichtlinie: Befreiung für Vermietungen und Verpachtungen von Grundstücken – Optionsrecht für die Steuerpflichtigen – Durchführung durch die Mitgliedstaaten – Vorsteuerabzug – Verwendung für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen – Berichtigung des ursprünglich vorgenommenen Vorsteuerabzugs – Unzulässigkeit
Leitsatz
Die Art. 167, 168, 184, 185 und 187 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die eine Berichtigung der ursprünglich abgezogenen Vorsteuer vorsieht, weil hinsichtlich einer Immobilie, für die das Optionsrecht in Bezug auf die Besteuerung ausgeübt wurde, davon ausgegangen wird, dass diese vom Steuerpflichtigen nicht mehr für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet wird, wenn diese Immobilie mehr als zwei Jahre lang leer stand, selbst wenn der Steuerpflichtige erwiesenermaßen versucht hat, sie während dieses Zeitraums zu verpachten.
Gesetze: EGRL 112/2006 Art 167, EGRL 112/2006 Art 168, EGRL 112/2006 Art 184, EGRL 112/2006 Art 185, EGRL 112/2006 Art 187, EGRL 112/2006 Art 137
Instanzenzug: ,
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 137, 167, 168, 184, 185 und 187 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Imofloresmira – Investimentos Imobiliários SA (im Folgenden: Imofloresmira) und der Autoridade Tributária e Aduaneira (Finanz- und Zollbehörde, Portugal) über die Berichtigung der Vorsteuerabzüge, die die Imofloresmira im Rahmen ihrer Tätigkeit des Kaufs, des Verkaufs, der Verpachtung und der Verwaltung von Immobilien vorgenommen hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Art. 18 in Kapitel 1 („Lieferung von Gegenständen”) des Titels IV („Steuerbarer Umsatz”) der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten können der Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt folgende Vorgänge gleichstellen:
die Verwendung – durch einen Steuerpflichtigen – eines im Rahmen seines Unternehmens hergestellten, gewonnenen, be- oder verarbeiteten, gekauften oder eingeführten Gegenstands zu seinem Unternehmen, falls ihn der Erwerb eines solchen Gegenstands von einem anderen Steuerpflichtigen nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigen würde;
…”
4 Art. 27 in Kapitel 3 („Dienstleistungen”) des Titels IV der Richtlinie sieht vor:
„Um Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen, können die Mitgliedstaaten nach Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses auch die Erbringung einer Dienstleistung durch einen Steuerpflichtigen für das eigene Unternehmen einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichstellen, falls ihn die Erbringung einer derartigen Dienstleistung durch einen anderen Steuerpflichtigen nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigen würde.”
5 Gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. l in Kapitel 3 („Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten”) des Titels IX („Steuerbefreiungen”) der Mehrwertsteuerrichtlinie befreien die Mitgliedstaaten die „Vermietung und Verpachtung von Grundstücken” von der Mehrwertsteuer.
6 Art. 137 Abs. 1 im selben Kapitel dieser Richtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten, ihren Steuerpflichtigen das Recht einzuräumen, sich bei bestimmten Umsätzen, darunter jenen nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie, für eine Besteuerung zu entscheiden. Art. 137 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die Einzelheiten für die Inanspruchnahme des Wahlrechts nach Abs. 1 dieses Artikels festlegen und dass sie den Umfang dieses Wahlrechts einschränken können.
7 Gemäß Art. 167 in Kapitel 1 („Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug”) des Titels X („Vorsteuerabzug”) der Mehrwertsteuerrichtlinie „[entsteht d]as Recht auf Vorsteuerabzug …, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht”.
8 Art. 168 im selben Kapitel der Richtlinie bestimmt:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;
die Mehrwertsteuer, die für Umsätze geschuldet wird, die der Lieferung von Gegenständen beziehungsweise dem Erbringen von Dienstleistungen gemäß Artikel 18 Buchstabe a sowie Artikel 27 gleichgestellt sind;
…”
9 Art. 176 der Richtlinie in Kapitel 3 („Einschränkungen des Rechts auf Vorsteuerabzug”) des Titels X bestimmt:
„Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission einstimmig fest, welche Ausgaben kein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen. In jedem Fall werden diejenigen Ausgaben vom Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.
…”
10 Gemäß Art. 184 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Kapitel 5 („Berichtigung des Vorsteuerabzugs”) des Titels X „[wird d]er ursprüngliche Vorsteuerabzug … berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war”.
11 Art. 185 Abs. 1 in Kapitel 5 dieser Richtlinie bestimmt:
„Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten.”
12 Art. 187 in diesem Kapitel der Richtlinie lautet wie folgt:
„(1) Bei Investitionsgütern erfolgt die Berichtigung während eines Zeitraums von fünf Jahren einschließlich des Jahres, in dem diese Güter erworben oder hergestellt wurden.
Die Mitgliedstaaten können jedoch für die Berichtigung einen Zeitraum von fünf vollen Jahren festlegen, der mit der erstmaligen Verwendung dieser Güter beginnt.
Bei Grundstücken, die als Investitionsgut erworben wurden, kann der Zeitraum für die Berichtigung bis auf 20 Jahre verlängert werden.
(2) Die jährliche Berichtigung betrifft nur ein Fünftel beziehungsweise im Falle der Verlängerung des Berichtigungszeitraums den entsprechenden Bruchteil der Mehrwertsteuer, mit der diese Investitionsgüter belastet waren.
Die in Unterabsatz 1 genannte Berichtigung erfolgt entsprechend den Änderungen des Rechts auf Vorsteuerabzug, die in den folgenden Jahren gegenüber dem Recht für das Jahr eingetreten sind, in dem die Güter erworben, hergestellt oder gegebenenfalls erstmalig verwendet wurden.”
Portugiesisches Recht
13 Art. 12 („Verzicht auf die Steuerbefreiung”) des Código do Imposto sobre o Valor Acrescentado (Mehrwertsteuergesetzbuch, im Folgenden: CIVA) bestimmt in seinen Abs. 4, 6 und 7:
„4 – Steuerpflichtige, die innerörtliche Gebäude oder unabhängige Teile solcher Gebäude an andere Steuerpflichtige vermieten, die diese ganz oder überwiegend für Tätigkeiten nutzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, können auf die in Art. 9 Abs. 29 vorgesehene Steuerbefreiung verzichten.
…
6 – Die Modalitäten und Bedingungen des in den Abs. 4 und 5 vorgesehenen Verzichts auf die Steuerbefreiung werden in besonderen Rechtsvorschriften festgelegt.
7 – In diesen Fällen bestimmt sich das Steuerabzugsrecht vorbehaltlich der in besonderen Rechtsvorschriften enthaltenen Bestimmungen nach den in den Art. 19 ff. festgelegten Regeln.”
14 Art. 24 CIVA („Berichtigungen des Vorsteuerabzugs in Bezug auf Anlagevermögen”) sieht in seinen Abs. 2, 3, 5 und 6 vor:
„2 – Ebenfalls jährlich sind die Abzüge auf Immobilieninvestitionsausgaben zu berichtigen, wenn zwischen dem im vorangehenden Artikel genannten endgültigen Prozentsatz, der im Jahr des Immobilienbezugs und in jedem der 19 darauffolgenden Kalenderjahre anwendbar ist, und dem im Jahr des Erwerbs oder der Fertigstellung der Bauarbeiten bestimmten Prozentsatz ein positiver oder negativer Differenzbetrag von fünf Prozentpunkten oder mehr besteht.
3 – Bei der Berichtigung der Abzüge in Bezug auf Anlagevermögen, die in den vorstehenden Absätzen genannt sind, ist wie folgt vorzugehen:
Am Ende des Jahres, in dem die Nutzung begonnen hat oder die Immobilie bezogen wurde, sowie am Ende jedes der 4 oder – je nach Fall – 19 folgenden Kalenderjahre ist der Abzugsbetrag zu berechnen, der zur Anwendung gelangen würde, wenn der Erwerb von oder die Fertigstellung der Bauarbeiten an Immobilien in dem betreffenden Jahr erfolgt wäre, und zwar nach dem endgültigen Prozentsatz für dieses Jahr.
Der so berechnete Betrag ist von dem in dem Jahr, in dem der Erwerb stattgefunden hat, vorgenommenen Abzug oder von der Summe der bis zu dem Jahr, in dem die Bauarbeiten an Immobilien abgeschlossen wurden, vorgenommenen Abzüge zu subtrahieren.
Der positive oder negative Differenzbetrag ist durch 5 oder – je nach Fall – durch 20 zu teilen. Der so ermittelte Quotient entspricht dem zu zahlenden Betrag bzw. dem in dem betreffenden Jahr zusätzlich vorzunehmenden Abzug.
…
5 – In Fällen der Übertragung von Anlagevermögen während des Berichtigungszeitraums wird die Berichtigung für den noch nicht abgelaufenen Zeitraum in einem Zug durchgeführt, wobei davon ausgegangen wird, dass dieses Vermögen in dem Jahr, in dem die Übertragung erfolgt, und in den übrigen Jahren bis zum Ablauf der Berichtigungsfrist einer vollständig besteuerten Tätigkeit zugeordnet ist. Ist die Übertragung jedoch nach Art. 9 Abs. 30 oder 32 von der Steuer befreit, wird davon ausgegangen, dass das Vermögen einer nicht besteuerten Tätigkeit zugeordnet ist, und im ersten Fall ist eine entsprechende Berichtigung vorzunehmen.
6 – Die im vorstehenden Absatz vorgesehene Berichtigung ist ferner, unter der Annahme, dass das Vermögen einer nicht besteuerten Tätigkeit zugeordnet ist, im Fall von Immobilien anwendbar, in Bezug auf die ursprünglich ein teilweise oder vollständiger Abzug der Steuer möglich war, mit der der entsprechende Bau, Erwerb oder andere damit verbundene Investitionsausgaben belegt waren, wenn
der Steuerpflichtige aufgrund einer Änderung der ausgeübten Tätigkeit oder aufgrund gesetzlicher Vorgaben fortan nur noch steuerfreie Umsätze ohne Abzugsrecht tätigt;
der Steuerpflichtige fortan nach Art. 12 Abs. 3 oder Art. 55 Abs. 3 und 4 nur noch steuerfreie Umsätze ohne Abzugsrecht tätigt;
die Immobilie fortan Gegenstand einer nach Art. 9 Abs. 28 steuerbefreiten Vermietung ist.”
15 Art. 26 („Berichtigung von Abzügen in Bezug auf nicht gewerblich genutzte Immobilien”) CIVA bestimmt in seinem Abs. 1:
„Bei Nichtnutzung von Immobilien, in Bezug auf die während eines oder mehrerer vollständiger Kalenderjahre nach Beginn des in Art. 24 Abs. 2 genannten Zeitraums von 19 Jahren ein Steuerabzug erfolgte, für die Zwecke des Unternehmens wird eine jährliche Berichtigung in Höhe von 1/20 des erfolgten Abzugs vorgenommen, der sich aus der Erklärung für den letzten Zeitraum des Jahres ergeben muss, auf das er sich bezieht.”
16 Die Modalitäten und Bedingungen für das in Art. 12 CIVA vorgesehene Recht, sich für eine Besteuerung zu entscheiden, wurden im Decreto-Lei (gesetzesvertretende Verordnung) Nr. 241/86 (Diário da República, Reihe 1, Nr. 190, vom ), geändert durch das Decreto-Lei Nr. 21/2007 (Diário da República, Reihe 1, Nr. 20, vom ) (im Folgenden: Regelung über den Verzicht auf die Mehrwertsteuerbefreiung), festgelegt.
17 Art. 10 („Berichtigung der abgezogenen Steuer”) dieser Regelung bestimmt in seiner im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung:
„1 – Ungeachtet von Art. 25 Abs. 1 [CIVA] sind Steuerpflichtige, die Immobilien nutzen, in Bezug auf die ein Recht zum vollständigen oder teilweisen Abzug der Steuer bestand, mit der der entsprechende Erwerb belegt war, verpflichtet, in einem Zug gemäß Art. 24 Abs. 5 [CIVA] die vorgenommenen Abzüge zu berichtigen, wobei davon ausgegangen wird, dass die Immobilien einer nicht besteuerten Tätigkeit zugeordnet sind, wenn
die Immobilie anderen Zwecken als denen der vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeit zugeordnet wird;
die Immobilie, auch wenn sie nicht anderen Zwecken als denen der vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeit zugeordnet wird, für einen Zeitraum von über zwei aufeinanderfolgenden Jahren nicht tatsächlich für die Zwecke des Unternehmens genutzt wird.”
18 Art. 25 Abs. 1 CIVA, der im in der vorstehenden Randnummer wiedergegebenen Art. 10 der Regelung über den Verzicht auf die Mehrwertsteuerbefreiung genannt wird, entspricht Art. 26 Abs. 1 CIVA in seiner im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung, wie er in Rn. 15 des vorliegenden Urteils wiedergegeben ist.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
19 Der Gesellschaftszweck von Imofloresmira besteht im Kauf und Verkauf sowie in der Verpachtung und Verwaltung von zu Wohnzwecken, zu Geschäftszwecken und zur gemischten Nutzung bestimmten Immobilien, die in ihrem Eigentum oder im Eigentum Dritter stehen.
20 In der Folge von in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführten Prüfungen stellte die Finanz- und Zollbehörde fest, dass bestimmte Teile zweier Immobilien im Eigentum von Imofloresmira, für die sie zugunsten der Besteuerung optiert hatte, seit über zwei Jahren leer standen und dass Imofloresmira trotz dieses Leerstands keine Berichtigung der abgezogenen Vorsteuer gemäß Art. 26 Abs. 1 CIVA und Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Regelung über den Verzicht auf die Mehrwertsteuerbefreiung vorgenommen hatte.
21 Auf dieser Grundlage machte die Finanz- und Zollbehörde geltend, dass die Gesellschaft die abgezogene Steuer für die leer stehenden Teile der in ihrem Eigentum stehenden Immobilien (je nach Fall jährlich oder endgültig) hätte berichtigen müssen, und teilte Imofloresmira mit, dass mangels Vornahme dieser Berichtigung Korrekturen hinsichtlich der nicht entrichteten Steuer in Höhe von insgesamt 1 375 954,71 Euro für die Geschäftsjahre 2011, 2012 und 2013 durchzuführen seien. Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt sich ferner, dass die Berichtigungen für das Geschäftsjahr 2013 Auswirkungen auf die im Jahr 2014 abgezogene Steuer hatten.
22 Da Imofloresmira mit der Entscheidung der Finanz- und Zollbehörde über die Vornahme dieser Berichtigungen nicht einverstanden war, erhob sie Klage beim Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD) (Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten, [Zentralstelle für das Verwaltungsschiedsverfahren], Portugal), um die Aufhebung der zusätzlichen Mehrwertsteuererhebungen zu erreichen.
23 Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts hat Imofloresmira die verfügbaren Flächen in diesen Immobilien im Hinblick auf ihre Verpachtung ständig gewerblich beworben.
24 Das vorlegende Gericht führt hierzu insbesondere aus, dass Imofloresmira in den Jahren 2011 bis 2013 zu diesem Zweck Verträge mit Immobilienagenturen abgeschlossen habe und auf deren Rat hin verschiedene Vermarktungs- und Werbeaktivitäten unternommen habe, darunter u. a. die Erstellung eines Prospekts, einer Versandliste und einer Internetseite, die Erstellung und Verbreitung von Pressemitteilungen mit weitreichender öffentlicher Verbreitung sowie die Anbringung von Werbetafeln an den betreffenden Immobilien. Des Weiteren habe Imofloresmira auch ihr Angebot angepasst, und zwar zum einen durch die Zurverfügungstellung von Pachtflächen zu wettbewerbsfähigeren Preisen und zum anderen durch die Möglichkeit, Karenzzeiten während des Einrichtungszeitraums der Pächter zu vereinbaren.
25 Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts finden sich die Aufwendungen für die gewerblichen Werbedienste für die Imofloresmira gehörenden Immobilien in den Bilanzen der Jahre 2011 bis 2013.
26 Imofloresmira macht vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass die in Rn. 21 des vorliegenden Urteils genannten Berichtigungen rechtswidrig seien, weil die von der Finanz- und Zollbehörde vertretene Auslegung der im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften dem Unionsrecht – insbesondere der Mehrwertsteuerrichtlinie – sowie Art. 26 Abs. 1 CIVA und Art. 10 Abs. 1 der Regelung über den Verzicht auf die Mehrwertsteuerbefreiung zuwiderlaufe.
27 Da das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften, insbesondere Art. 26 Abs. 1 CIVA und Art. 10 Abs. 1 der Regelung über den Verzicht auf die Mehrwertsteuerbefreiung in der von der Finanz- und Zollbehörde vertretenen Auslegung, mit dem Unionsrecht hegt, hält es eine Auslegung der Art. 137, 167, 168, 184, 185 und 187 der Mehrwertsteuerrichtlinie für erforderlich.
28 Vor diesem Hintergrund hat das Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD) (Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten, [Zentralstelle für das Verwaltungsschiedsverfahren]) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist es in dem Fall, dass eine Immobilie, obwohl sie während eines Zeitraums von zwei oder mehr Jahren leer steht, vermarktet wird, d. h., dass die auf dem Markt zur Verpachtung oder Erbringung von Dienstleistungen der Art „office centre” zur Verfügung steht, und dass der betreffende Eigentümer nachweislich die Verpachtung der Immobilie unter Erhebung von Mehrwertsteuern beabsichtigt und die erforderlichen Anstrengungen unternimmt, um diese Absicht umzusetzen, mit den Art. 167, 168, 184, 185 und 187 der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar, eine Einstufung als „fehlende tatsächliche Nutzung der Immobilie für die Zwecke des Unternehmens” und/oder „fehlende tatsächliche Nutzung der Immobilie bei steuerbaren Umsätzen” im Sinne und für die Zwecke von Art. 26 Abs. 1 CIVA und Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Regelung über den Verzicht auf die Mehrwertsteuerbefreiung bei Umsätzen in Bezug auf Immobilien, angenommen durch das Decreto-Lei Nr. 21/2007 vom , in ihren früheren Fassungen vorzunehmen und infolgedessen davon auszugehen, dass der anfänglich vorgenommene Abzug berichtigt werden muss, weil er über den Abzug hinausgeht, auf den der Steuerpflichtige Anspruch hatte?
Wird diese Frage bejaht, kann dann im Licht der korrekten Auslegung der Art. 137, 167, 168, 184, 185 und 187 der Mehrwertsteuerrichtlinie verlangt werden, dass diese Berichtigung in einem Zug für den gesamten noch nicht abgelaufenen Zeitraum vorgenommen wird – wie es im portugiesischen Recht in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b und c der Regelung über den Verzicht auf die Mehrwertsteuerbefreiung bei Umsätzen in Bezug auf Immobilien, angenommen durch das Decreto-Lei Nr. 21/2007 vom , in ihrer früheren Fassung vorgesehen ist –, wenn die Immobilie seit mehr als zwei Jahren leer steht, jedoch stets zur Verpachtung (mit der Möglichkeit des Verzichts) und/oder (steuerbaren) Dienstleistungserbringung auf dem Markt war und für die nachfolgenden Jahre die Zuordnung der Immobilie zu steuerbaren Tätigkeiten, die ein Abzugsrecht gewähren, angestrebt wird?
Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. c in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Regelung über den Verzicht auf die Mehrwertsteuerbefreiung bei Umsätzen in Bezug auf Immobilien, angenommen durch das Decreto-Lei Nr. 21/2007 vom , insoweit, als er es einem Mehrwertsteuerpflichtigen unmöglich macht, nach einer in einem Zug erfolgten Mehrwertsteuerberichtigung beim Abschluss neuer Pachtverträge auf die Mehrwertsteuerbefreiung zu verzichten, und die anschließende Anwendung der Abzugsregelung während des Berichtigungszeitraums verhindert, mit den Art. 137, 167, 168 und 184 der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
29 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 167, 168, 184, 185 und 187 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die eine Berichtigung der ursprünglich abgezogenen Vorsteuer vorsieht, weil hinsichtlich einer Immobilie, für die das Optionsrecht in Bezug auf die Besteuerung ausgeübt wurde, davon ausgegangen wird, dass diese vom Steuerpflichtigen nicht mehr für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet wird, wenn diese Immobilie mehr als zwei Jahre lang leer stand, selbst wenn der Steuerpflichtige erwiesenermaßen versucht hat, sie während dieses Zeitraums zu verpachten.
30 Vorab ist daran zu erinnern, dass nach der Logik des durch die Mehrwertsteuerrichtlinie eingeführten Systems die Steuern, mit denen auf der Vorstufe die Gegenstände oder Dienstleistungen belastet waren, die ein Steuerpflichtiger für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, abgezogen werden können. Der Vorsteuerabzug ist an die Erhebung der Steuern auf der folgenden Stufe geknüpft. Werden die von einem Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen für die Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze verwendet, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, so kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Uudenkaupungin kaupunki, , EU:C:2006:214, Rn. 24).
31 Das Recht zur Besteuerung von Vermietungs- und Verpachtungsumsätzen ist eine Befugnis, die der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten abweichend von der allgemeinen Regel des Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie eingeräumt hat, wonach Vermietungs- und Verpachtungsumsätze grundsätzlich von der Mehrwertsteuer befreit sind. Das dieser Besteuerung entsprechende Abzugsrecht gilt somit nicht automatisch, sondern nur, wenn die Mitgliedstaaten von der in Art. 137 Abs. 1 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Befugnis Gebrauch gemacht haben und soweit die Steuerpflichtigen das ihnen gewährte Optionsrecht ausüben (Urteil vom , Turn- und Sportunion Waldburg, , EU:C:2006:22, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
32 Es steht fest, dass die Portugiesische Republik von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hat. Darüber hinaus geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass Imofloresmira beim vor dem streitigen Leerstandszeitraum erfolgten Abschluss von Pachtverträgen über die im Ausgangsverfahren gegenständlichen Immobilien für die Besteuerung dieser Immobilienverpachtungen optiert hat.
33 Im Übrigen setzt das Abzugsrecht nach dem Wortlaut des Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie voraus, dass der Betreffende Steuerpflichtiger im Sinne dieser Richtlinie ist und dass die fraglichen Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet worden sind (Urteil vom , Centralan Property, , EU:C:2005:773, Rn. 52).
34 Im vorliegenden Fall wird die Eigenschaft von Imofloresmira als Steuerpflichtige nicht bestritten. Die Finanz- und Zollbehörde hat ihr jedoch die Berichtigung von Mehrwertsteuerabzügen vorgeschrieben, weil die fraglichen Immobilien seit mehr als zwei Jahren leer standen und daher davon ausgegangen wurde, dass sie nicht mehr für die Zwecke der besteuerten Umsätze von Imofloresmira verwendet würden, selbst wenn feststeht, dass die Gesellschaft während dieses Zeitraums stets die Absicht gehabt hat, diese Immobilien mehrwertsteuerpflichtig zu verpachten, und die dazu erforderlichen Schritte unternommen hat.
35 Nach Art. 167 der Mehrwertsteuerrichtlinie entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Folglich hängt das Bestehen eines Rechts auf Vorsteuerabzug allein davon ab, in welcher Eigenschaft eine Person zu diesem Zeitpunkt handelt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Lennartz, , EU:C:1991:315, Rn. 8, und vom , Uudenkaupungin kaupunki, , EU:C:2006:214, Rn. 38).
36 Hat die Steuerbehörde aufgrund der ihr von einem Unternehmen übermittelten Angaben festgestellt, dass diesem die Eigenschaft als Steuerpflichtiger zuzuerkennen sei, so kann ihm diese Stellung ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich nicht wegen des Eintritts oder des Nichteintritts bestimmter Ereignisse nachträglich aberkannt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , INZO, , EU:C:1996:67, Rn. 21), außer im Fall von Betrug oder Missbrauch.
37 Es ist daran zu erinnern, dass das in den Art. 167 bis 172 der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug nach ständiger Rechtsprechung fester Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. Dieses Recht kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden (Urteil vom , Centralan Property, , EU:C:2005:773, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet daher völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (Urteil vom , Centralan Property, , EU:C:2005:773, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Anwendung des Systems der Mehrwertsteuer und damit des Berichtigungsmechanismus vom Erwerb der Gegenstände oder Dienstleistungen durch einen als solchen handelnden Steuerpflichtigen abhängt. Die tatsächliche oder beabsichtigte Verwendung der Gegenstände oder Dienstleistungen bestimmt nur den Umfang des ursprünglichen Vorsteuerabzugs, zu dem der Steuerpflichtige nach Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie befugt ist, und den Umfang etwaiger Berichtigungen während der darauffolgenden Zeiträume, berührt jedoch nicht die Entstehung des Abzugsrechts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Lennartz, , EU:C:1991:315, Rn. 15).
40 Daraus folgt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich erhalten bleibt, selbst wenn der Steuerpflichtige später die betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen, die zu dem Abzug geführt haben, aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, nicht im Rahmen besteuerter Umsätze verwendet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , INZO, , EU:C:1996:67, Rn. 20, und vom , Ghent Coal Terminal, , EU:C:1998:1, Rn. 19 und 20).
41 Im vorliegenden Fall unterbricht der Umstand, dass eine Immobilie während eines bestimmten Zeitraums leer steht, nach der Auslegung der Finanz- und Zollbehörde die betriebliche Zuordnung der Immobilie, was den Steuerpflichtigen zur Berichtigung der abgezogenen Steuer verpflichtet, selbst wenn er erwiesenermaßen immer noch die Absicht hat, weiterhin eine besteuerte Tätigkeit auszuüben.
42 Aus der in den Rn. 39 und 40 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass ein Steuerpflichtiger das Vorsteuerabzugsrecht behält, sobald dieses Recht entstanden ist, auch wenn dieser Steuerpflichtige die Gegenstände oder Dienstleistungen, die zu dem Abzug geführt haben, aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, nicht im Rahmen besteuerter Umsätze verwenden konnte.
43 Eine andere Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinie würde gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer hinsichtlich der Abgabenbelastung des Unternehmens verstoßen. Sie könnte bei der steuerlichen Behandlung von gleichen Investitionstätigkeiten zu nicht gerechtfertigten Unterscheidungen zwischen Unternehmen, die schon steuerbare Umsätze tätigen, und solchen Unternehmen führen, die durch Investitionen versuchen, Tätigkeiten aufzunehmen, die zu steuerbaren Umsätzen führen werden. Es würden auch willkürliche Unterscheidungen zwischen diesen letzteren Unternehmen getroffen, da die endgültige Zulassung der Abzüge von der Frage abhinge, ob solche Investitionen zu steuerbaren Umsätzen führen oder nicht (Urteil vom , INZO, , EU:C:1996:67, Rn. 22).
44 Somit steht der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die, indem sie die endgültige Zulassung der Vorsteuerabzüge von den Ergebnissen der vom Steuerpflichtigen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit abhängig machen, ungerechtfertigte Unterscheidungen zwischen Unternehmen mit demselben Profil und derselben Tätigkeit in Bezug auf die steuerliche Behandlung von identischen Immobilieninvestitionstätigkeiten schaffen.
45 Dieses Ergebnis kann auch durch das Vorbringen der portugiesischen Regierung nicht in Frage gestellt werden, dass aufgrund der Auflösung der zuvor abgeschlossenen Pachtverträge eine „[Änderung der] Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden”, im Sinne des Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie stattgefunden habe, so dass eine proportionale Berichtigung der abgezogenen Steuer vorgenommen werden müsse.
46 Erstens trifft es nämlich zwar zu, dass die Notwendigkeit einer Berichtigung der abgezogenen Steuer auch unter vom Willen der Steuerpflichtigen unabhängigen Umständen bestehen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Gemeente Leusden und Holin Groep, und , EU:C:2004:263, Rn. 55), jedoch kann diese Bestimmung die grundlegenden Prinzipien des durch die Mehrwertsteuerrichtlinie geschaffenen Systems, insbesondere den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, nicht beeinträchtigen.
47 Entgegen der Auffassung der portugiesischen Regierung würde die Annahme, dass es für die Feststellung von „Änderungen” im Sinne des Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie genügt, dass ein Gebäude nach der Auflösung eines entsprechenden Pachtvertrags aus vom Willen seines Eigentümers unabhängigen Umständen leer gestanden hat, selbst wenn dieser erwiesenermaßen noch immer die Absicht hat, dieses für eine besteuerte Tätigkeit zu nutzen, und die dazu erforderlichen Schritte unternimmt, zu einer Beschränkung des Vorsteuerabzugs mittels der Bestimmungen über die Berichtigung führen.
48 Zweitens räumt Art. 137 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie den Mitgliedstaaten zwar ein weites Ermessen ein, das es ihnen ermöglicht, die Ausübungsmodalitäten des Optionsrechts festzulegen und dieses sogar auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Turn- und Sportunion Waldburg, , EU:C:2006:22, Rn. 27 bis 30), jedoch können die Mitgliedstaaten diese Befugnis nicht nutzen, um gegen die Art. 167 und 168 dieser Richtlinie zu verstoßen, indem sie ein bereits entstandenes Vorsteuerabzugsrecht entziehen.
49 Eine Beschränkung der Vorsteuerabzüge, die in Verbindung mit den besteuerten Umsätzen vorgenommen werden, nach der Ausübung des Optionsrechts würde nämlich nicht den „Umfang” des Optionsrechts, das die Mitgliedstaaten gemäß Art. 137 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie einschränken können, sondern die Folgen der Ausübung dieses Rechts betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Uudenkaupungin kaupunki, , EU:C:2006:214, Rn. 46).
50 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Eigenschaft als Steuerpflichtiger nur dann endgültig erlangt wird, wenn die Erklärung, die beabsichtigten wirtschaftlichen Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, vom Betroffenen in gutem Glauben abgegeben wurde. In Fällen von Betrug oder Missbrauch, in denen der Betroffene die Absicht, eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, nur vorgespiegelt, in Wirklichkeit jedoch versucht hat, Gegenstände, deren Erwerb zum Abzug berechtigt, seinem Privatvermögen zuzuführen, kann die Steuerbehörde rückwirkend die Erstattung der abgezogenen Beträge verlangen, da diese Abzüge aufgrund falscher Erklärungen gewährt wurden (Urteil vom , Gabalfrisa u. a., bis , EU:C:2000:145, Rn. 46).
51 Hierzu ist daran zu erinnern, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der Mehrwertsteuerrichtlinie nach ihrem Art. 131 anerkannt und gefördert wird (Urteil vom , Gemeente Leusden und Holin Groep, und , EU:C:2004:263, Rn. 76).
52 Sollte die Steuerbehörde feststellen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise ausgeübt wurde, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat, könnte sie folglich rückwirkend die Erstattung der abgezogenen Beträge verlangen (Urteil vom , Fini H, , EU:C:2005:128, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
53 Angesichts des Vorstehenden ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 167, 168, 184, 185 und 187 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die eine Berichtigung der ursprünglich abgezogenen Vorsteuer vorsieht, weil hinsichtlich einer Immobilie, für die das Optionsrecht in Bezug auf die Besteuerung ausgeübt wurde, davon ausgegangen wird, dass diese vom Steuerpflichtigen nicht mehr für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet wird, wenn diese Immobilie mehr als zwei Jahre lang leer stand, selbst wenn der Steuerpflichtige erwiesenermaßen versucht hat, sie während dieses Zeitraums zu verpachten.
Zur zweiten und zur dritten Frage
54 Angesichts der Antwort auf die erste Frage brauchen die zweite und die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.
Zur zeitlichen Begrenzung der Wirkungen des vorliegenden Urteils
55 Für den Fall, dass der Gerichtshof entscheiden sollte, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, beantragt die portugiesische Regierung, die Wirkungen des Urteils des Gerichtshofs zeitlich zu begrenzen.
56 Zur Stützung ihres Antrags trägt die portugiesische Regierung erstens vor, dass eine Einzelfallprüfung sämtlicher Rechtsverhältnisse daraufhin, ob die steuerpflichtigen Verpächter die den Mehrwertsteuerberichtigungen entsprechenden Beträge korrekt berechnet und an den betreffenden Mitgliedstaat abgeführt haben, an sich eine Aufgabe darstelle, die einen „überdimensionierten” Einsatz von administrativen und justiziellen Ressourcen erfordere, die nicht verfügbar seien, und, wenn sie nicht erfüllt werde, zu Missbräuchen und noch schwerwiegenderen Verlusten von Steuereinnahmen führen könne.
57 Zweitens macht die portugiesische Regierung geltend, dass sich in diesem Fall der Verlust der zwischenzeitlich bereits berichtigten oder entrichteten Steuer auf beträchtliche Summen belaufe und ein nicht tragbares budgetäres Ungleichgewicht schaffe.
58 Drittens solle mit den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften sichergestellt werden, dass die abziehbaren Vorsteuerbeträge unmittelbar und proportional mit der auf der nächsten Stufe tatsächlich erfolgten Besteuerung verknüpft seien, was vom guten Glauben des portugiesischen Staates und der nationalen Finanzbehörden zeuge.
59 In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass eine Begrenzung der zeitlichen Wirkungen eines Urteils eine außergewöhnliche Maßnahme ist, die voraussetzt, dass eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen besteht, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhängen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen wurden; dabei müssen die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden sein, weil eine erhebliche objektive Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Bestimmungen des Unionsrechts bestand, zu der eventuell auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission beigetragen hatte (vgl. u. a. Urteil vom , Endress, , EU:C:2013:864, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
60 Eine Beschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug gegenüber Steuerpflichtigen stellt eine Ausnahme vom Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dar, deren Rechtmäßigkeit nach ständiger Rechtsprechung nur unter außergewöhnlichen Umständen anerkannt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Paper Consult, , EU:C:2017:775, Rn. 67).
61 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass keine objektive, bedeutende Unsicherheit bezüglich der Tragweite des Unionsrechts, insbesondere der Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie, besteht, was den Umfang des Vorsteuerabzugsrechts und dessen Rolle innerhalb des durch diese Richtlinie geschaffenen Systems angeht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Paper Consult, , EU:C:2017:775, Rn. 68).
62 Die portugiesischen Behörden können sich somit nicht auf eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der unionsrechtlichen Bestimmungen berufen. Da dieses Kriterium nicht erfüllt ist, braucht nicht geprüft zu werden, ob das Kriterium der Schwere der wirtschaftlichen Auswirkungen erfüllt ist.
63 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich zu begrenzen sind.
Kosten
64 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 167, 168, 184, 185 und 187 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die eine Berichtigung der ursprünglich abgezogenen Vorsteuer vorsieht, weil hinsichtlich einer Immobilie, für die das Optionsrecht in Bezug auf die Besteuerung ausgeübt wurde, davon ausgegangen wird, dass diese vom Steuerpflichtigen nicht mehr für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet wird, wenn diese Immobilie mehr als zwei Jahre lang leer stand, selbst wenn der Steuerpflichtige erwiesenermaßen versucht hat, sie während dieses Zeitraums zu verpachten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2018:134
Fundstelle(n):
MAAAG-78777