Leitsatz
Eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG liegt auch vor, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet worden sind, sofern sie dem Übernehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebes durch den Übernehmer gewährleistet ist.
Gesetze: UStG 1993 § 1 Abs. 1a
Instanzenzug: (EFG 2001, 317) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis zum eine Metzgerei; seine Produkte verkaufte er über 3 Verkaufslokale. Ein Verkaufslokal befand sich zusammen mit den Produktionsräumen auf einem ihm und seiner Ehefrau jeweils zur Hälfte gehörenden Grundstück. Die Wohnung im Obergeschoss dieses Hauses war vermietet. Auch das zweite Geschäftslokal befand sich in einem dem Kläger und seiner Ehefrau jeweils zur Hälfte gehörenden Haus; von den zwei Wohnungen über dem Verkaufslokal bewohnten eine die Miteigentümer selbst, die andere war vermietet. Im Umfang des der Ehefrau gehörenden Miteigentumsanteils hatte der Kläger die Verkaufsräume von ihr gemietet. Das dritte Verkaufslokal war insgesamt von einem Dritten angemietet.
Mit Vertrag vom übertrug der Kläger sein Einzelunternehmen ”inklusive Waren- und Lagerbestand, Materialien, Einrichtungsgegenständen, Maschinen, Geräte und Werkzeuge” an eine —aus seinem Sohn und seiner Tochter bestehende— Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegen Zahlung von 50 000 DM.
Nicht übertragen hat der Kläger seinen ertragsteuerrechtlich zum Betriebsvermögen des Einzelunternehmens gehörenden Miteigentumsanteil an den Grundstücken und den dem Unternehmen zugeordneten PKW. Der Kläger und seine Ehefrau schlossen jedoch mit der GbR hinsichtlich der ihnen als Miteigentümer gehörenden, bis dahin durch den Metzgereibetrieb des Klägers betrieblich genutzten Produktions- und Verkaufsräume langfristige Mietverträge ab. Auch den Mietvertrag für das von einem Dritten angemietete Verkaufslokal konnte die GbR übernehmen. Der Kläger beurteilte diesen Vorgang als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes 1993 —UStG—).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) vertrat im Anschluss an eine Außenprüfung die Auffassung, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG lägen nicht vor, weil wegen des Zurückbehalts des Grundstücks nicht alle wesentlichen Geschäftsgrundlagen übertragen worden seien. Die Bemessungsgrundlage für die hiernach steuerpflichtigen Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sei nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG nach Teilwerten zu bestimmen. In Übereinstimmung mit dem Kläger ging das FA von einer Bemessungsgrundlage von insgesamt 497 971,46 DM netto aus, die in Höhe von 466 433 DM auf Umsätze zu 15 % nach § 12 Abs. 1 UStG und in Höhe von 31 538 DM auf Umsätze zu 7 % nach § 12 Abs. 2 UStG aufzuteilen sei. Dementsprechend änderte das FA am nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) den Umsatzsteuerbescheid für 1995.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 317 abgedruckt ist, war der Auffassung, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG lägen nicht vor. Voraussetzung sei die Übertragung aller wesentlichen Grundlagen des Unternehmens; nur die Zurückbehaltung einzelner unbedeutender Gegenstände des Unternehmens sei unbeachtlich. Die Frage, was als wesentliche Grundlage des Betriebes gelte, sei bisher (zu § 10 Abs. 3 UStG, d.h. vor In-Kraft-Treten des Mißbrauchbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes —StMBG— vom , BGBl I 1993, 2310) nach den für das Ertragssteuerrecht zur Betriebsveräußerung entwickelten Grundsätzen beantwortet worden (vgl. , BStBl II 1994, 129). Zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebes gehörten danach insbesondere die dem Betrieb dienenden Betriebsgrundstücke, sofern sie erforderlich seien, um dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens ohne nennenswerte Aufwendungen zu ermöglichen.
Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, weil der Kläger seinen Miteigentumsanteil nicht —im betrieblich genutzten Umfang— auf die GbR bzw. deren Gesellschafter übereignet habe. Eine Fortführung des Fleischereibetriebes des Klägers in der bisherigen Form durch die GbR sei —wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Lage der Metzgereien— aber nur mit Übernahme der der Produktion und dem Verkauf dienenden Räumlichkeiten auf diesen Grundstücken möglich. Die Verpachtung reiche nicht aus. Die Entscheidung des (BFHE 187, 93, BStBl II 1999, 41) zur Landwirtschaft könne auf andere Fälle nicht übertragen werden.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung den Umsatzsteuerbescheid 1995 vom in der Weise zu ändern, dass die Umsätze aus der Geschäftsveräußerung gemäß § 1 Abs. 1a UStG steuerfrei gestellt werden.
Das FA tritt der Revision entgegen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung zur weiteren Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz liegt eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG auch vor, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet worden sind, sofern sie dem Übernehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebes durch den Übernehmer gewährleistet ist.
1. Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen gemäß § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt nach § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.
2. Der erkennende Senat hat im Urteil in BFHE 187, 93, BStBl II 1999, 41 aufgrund des Gesetzeszweckes, der Begründung und Entstehungsgeschichte der Vorschrift zur Übereignung eines landwirtschaftlichen Betriebes oder Teilbetriebes oder dessen Einbringung in eine Gesellschaft, entschieden, dass eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG auch dann vorliegt, wenn einzelne Wirtschaftsgüter von der Übereignung oder Einbringung ausgenommen werden.
Werden einzelne Wirtschaftsgüter zurückbehalten, die für den Betrieb wesentlich waren, ist allerdings Voraussetzung, dass diese dem Übernehmer dauerhaft zur Nutzung überlassen werden.
a) Er hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei Einführung des § 1 Abs. 1a UStG durch das StMBG sollte es nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers bei der bisherigen Rechtslage bleiben, wonach eine Betriebsveräußerung (nunmehr: Geschäftsveräußerung) eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes oder Teilbetriebes auch dann vorliegt, wenn einzelne Wirtschaftsgüter nicht übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht werden. Eine dahin gehende zur Vermeidung unerwünschter Steuervorteile mit Wirkung vom eingeführte ausdrückliche besondere Regelung in § 24 Abs. 1 UStG hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die allgemeine Regelung der Geschäftsveräußerung in § 1 Abs. 1a UStG für ”entbehrlich” gehalten.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung im Urteil in BFHE 187, 93, BStBl II 1999, 41 verwiesen.
b) Die Finanzverwaltung hat sich der Auffassung des erkennenden Senats angeschlossen, soweit es um die Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebes geht (Abschn. 264 Abs. 6 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien —UStR— 2000).
3. Der Senat hat im Urteil in BFHE 187, 93, BStBl II 1999, 41 allerdings offen gelassen, wie der Begriff der Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG zu verstehen ist, soweit kein Fall der Veräußerung oder Einbringung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zu beurteilen ist. Für eine unterschiedliche Auslegung der Vorschrift je nachdem, ob ein land- oder forstwirtschaftliches oder ein anderes Unternehmensvermögen übertragen wird, ist aber entgegen der Auffassung des FG kein Raum (a.A. , Rev. Az V R 3/01, EFG 2001, 109, m. Anm. Müller, EFG 2001, 110).
Der Begriff der Geschäftsveräußerung ist zwar, wie sich aus der Begründung zur Einführung des § 1 Abs. 1a UStG ergibt (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 84), aus dem bisherigen § 10 Abs. 3 UStG übernommen worden. Die Rechtsprechung zu § 10 Abs. 3 UStG ging —im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu ähnlichen Tatbeständen im Ertragsteuerrecht (vgl. §§ 16 und 34 des Einkommensteuergesetzes) und im allgemeinen Abgabenrecht (vgl. § 75 AO 1977)— davon aus, dass eine Geschäftsveräußerung ”im ganzen” (nur) vorliegt, wenn das gesamte Unternehmen übergeht. Entscheidend war danach, dass eine organische Zusammenfassung von Einrichtungen und dauernden Maßnahmen, die einem Unternehmen dienen oder mindestens seine wesentliche Grundlage ausmachen, übergeht, so dass der Erwerber das Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortsetzen kann. Was wesentliche Betriebsgrundlage ist, ist aber grundsätzlich normspezifisch entsprechend dem jeweiligen Gesetzeszweck auszulegen (vgl. auch , BFHE 184, 425, BStBl II 1998, 104, m.w.N. zur ertragsteuerrechtlichen Beurteilung).
Auch § 1 Abs. 1a UStG verlangt, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet wird. § 1 Abs. 1a UStG setzt —nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum StMBG (BTDrucks 12/5630, S. 84)— Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht um. Gemäß dieser Richtlinienbestimmung können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Die Mitgliedstaaten treffen ggf. die erforderlichen Maßnahmen, um Wettbewerbsverzerrungen für den Fall zu vermeiden, dass der Begünstigte nicht voll steuerpflichtig ist. Auch wenn nationale Maßnahmen eine Richtlinie umsetzen, erschöpft sich deren Wirkung jedoch nicht darin; die Mitgliedstaaten —und damit im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch die Gerichte (vgl. z.B. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften —EuGH—, Urteil vom Rs. C-168/95, Arcaro, Slg. 1996, I-4705 Rn. 41)— müssen auch nach Erlass dieser Maßnahmen weiterhin die vollständige Anwendung der Richtlinie tatsächlich gewährleisten (z.B. , Marks und Spencer, Rn. 27). Die Frage, ob ein Unternehmen oder ein in der Gliederung gesondert geführter Betrieb ”im ganzen” übereignet wird, kann deshalb nicht nach nationalen ertragsteuerrechtlichen Kriterien, sondern nur unter Berücksichtigung der Regelung der Richtlinie entschieden werden. Für die Übertragung eines Unternehmens oder eines in der Gliederung des Unternehmens gesonderten Teils ”im ganzen” bedeutet dies zwar, dass eine organische Zusammenfassung von Sachen und Rechten übertragen wird, die dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens oder des in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Teils ohne großen finanziellen Aufwand ermöglicht. Wie der erkennende Senat unter Berücksichtigung von Zweck und Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 1a UStG ausgeführt hat, ist aber nicht erforderlich, dass alle Wirtschaftsgüter, insbesondere auch die dem Unternehmen dienenden Grundstücke übereignet werden. Unter Berücksichtigung des Ziels der umsatzsteuerrechtlichen Regelung, die Nichtsteuerbarkeit auf die Fälle zu begrenzen, in denen der Erwerber Unternehmer ist und das Unternehmen fortführt, um einen unversteuerten Letztverbrauch zu vermeiden (BTDrucks 12/5630, S. 84) und der Regelung in Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG (”Vermögen oder Teilvermögen”) genügt es, wenn ein Betriebsgrundstück dem Erwerber —wie im Streitfall— durch ein langfristiges Nutzungsrecht überlassen wird, das die dauerhafte ”Fortführung” des Unternehmens ermöglicht.
4. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden.
Werden bei einer Geschäftsveräußerung einzelne Wirtschaftsgüter zurückbehalten, kann insoweit ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG steuerbarer Eigenverbrauch vorliegen. Auch ist nicht auszuschließen, dass eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 UStG in Betracht kommt. Das FG hat —von seinem Standpunkt aus zu Recht— keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Entnahme des PKW versteuert worden ist und ob der Kläger hinsichtlich der Vermietung seines Miteigentumsanteils gemäß § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG verzichtet hat. Zur Nachholung entsprechender Feststellungen war die Sache deshalb zurückzuverweisen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 662
BB 2002 S. 2591 Nr. 50
BFH/NV 2002 S. 1684 Nr. 12
BFHE S. 66 Nr. 199
BStBl II 2004 S. 662 Nr. 14
DB 2002 S. 2520 Nr. 48
DStR 2002 S. 1988 Nr. 46
DStRE 2002 S. 1450 Nr. 23
INF 2003 S. 12 Nr. 1
KÖSDI 2002 S. 13533 Nr. 12
UR 2003 S. 16 Nr. 1
SAAAA-69228