Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beteiligte sich im Jahre 1973 an einer Bauherrengemeinschaft mit dem Ziel, zwei Wohnungen zu errichten, die sie nach deren Bezugsfertigkeit (Februar 1975) veräußerte.
Zur Durchführung des Bauvorhabens schloss die Klägerin —wie die anderen Mitglieder der Bauherrengemeinschaft— mit der A-Bank (im Folgenden: Treuhänderin), deren B-Gesellschaft mbH (B) die Initiatorin des Vorhabens war, einen formularmäßigen Treuhandvertrag; in diesem beauftragte die Klägerin die Treuhänderin, ihre Rechte und Interessen beim Erwerb der Miteigentumsanteile, der Errichtung und der Finanzierung der Wohnungen umfassend, insbesondere nach Maßgabe der noch zu erteilenden Vollmacht, wahrzunehmen, Verträge abzuschließen, Rechtshandlungen vorzunehmen und Pflichten und Lasten für die Klägerin als Treugeberin zu begründen (§ 2 Nr. 1 des Treuhandvertrages). In der bereits genannten Vollmacht ermächtigte die Klägerin die Treuhänderin, in umfassender Weise ihre Rechte und Interessen sowie Pflichten und Lasten beim Erwerb der Grundstücksanteile, der Errichtung, der Verwaltung und der Vermietung der zu errichtenden Eigentumswohnungen wahrzunehmen, zu begründen und zu erfüllen. Die Treuhänderin durfte alle dazu erforderlichen Handlungen vornehmen sowie Willenserklärungen abgeben und entgegennehmen. Sie war verpflichtet, die Vollmacht nur auf der Grundlage des vereinbarten Treuhandvertrages zu benutzen. Der Treuhandvertrag endete ohne besondere Kündigung mit Ablauf des dritten Jahres, gerechnet drei Monate ab Bezugsfertigkeit der Wohnungen (§ 7 des Treuhandvertrages).
Die B betrieb von Juli 1973 bis Februar 1974 die Anerkennung des Bauvorhabens als Bauherrengemeinschaft; in den dazu geführten Schriftwechsel schaltete sich auch die Treuhänderin ein.
Auf der Grundlage von Feststellungserklärungen, die die Treuhänderin Ende 1977 beim Finanzamt X eingereicht hatte, ergingen im Jahre 1978 für die Streitjahre (1973 bis 1975) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung —AO 1977—) stehende Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Beteiligten an der Bauherrengemeinschaft, die jeweils der Treuhänderin bekannt gegeben wurden.
Die Klägerin machte in der im Jahre 1975 bei ihrem Wohnsitzfinanzamt eingegangenen Einkommensteuererklärung 1973 unter Hinweis auf die ”Verlustzuweisung” der Treuhänderin aus der Beteiligung an der Bauherrengemeinschaft einen Werbungskostenüberschuss geltend, der antragsgemäß berücksichtigt wurde.
Mit einer an die Treuhänderin adressierten Prüfungsanordnung ordnete das Finanzamt X im November 1981 gegenüber den —in einer Anlage namentlich aufgeführten— Beteiligten der Bauherrengemeinschaft für die Streitjahre eine u.a. die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffende abgekürzte Außenprüfung an, die am begann und bei der Treuhänderin durchgeführt wurde. Nach dem Abschluss der Prüfung im März 1982 sowie weiteren Ermittlungen und Verhandlungen und einer Schlussbesprechung im Dezember 1987 erging Mitte 1989 der endgültige Prüfungsbericht, in dem der Prüfer eine Reihe von Aufwendungen nicht mehr zum sofortigen Werbungskostenabzug zuließ. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) übernahm das Prüfungsergebnis in den —an die Klägerin adressierten und bekannt gegebenen— geänderten Feststellungsbescheiden für die Jahre 1973 bis 1975 vom .
Die hiergegen gerichteten Einsprüche und auch die Klage blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) u.a. aus, nach der im Streitfall anzuwendenden Reichsabgabenordnung (AO) sei keine Feststellungsverjährung eingetreten. Die der Treuhänderin bekannt gegebene Prüfungsanordnung müsse die Klägerin zumindest nach Rechtsscheinsgrundsätzen gegen sich gelten lassen. Die sich damit aus § 146a Abs. 3 AO ergebende Ablaufhemmung wirke so lange, bis die aufgrund der Außenprüfung ergangenen geänderten Einkommensteuerbescheide unanfechtbar seien. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 364 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das Urteil der Vorinstanz und die Feststellungsbescheide 1973 bis 1975 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung des FA genügt die Revisionsbegründung dem Formerfordernis des im Streitfall noch anzuwendenden § 120 Abs. 2 FGO in der bis zum geltenden Fassung (s. dazu Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom , BGBl I 2000, 1757). Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich, dass nach ihrer Ansicht die an sie gerichteten Feststellungsbescheide 1973 bis 1975 vom nicht hätten ergehen dürfen, weil die von der Feststellung abhängigen Einkommensteueransprüche bereits verjährt gewesen seien. Ob die Klägerin mit diesem Begehren Erfolg haben kann, ist im Rahmen der Zulässigkeit der Revision nicht zu prüfen.
2. Die Revision ist auch begründet. Die vom FG bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um in der Revisionsinstanz abschließend über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Feststellungsbescheide zu entscheiden.
a) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall, der vor dem entstandene Steuern betrifft, nach Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung die Verjährungsvorschriften der Reichsabgabenordnung anzuwenden sind. Danach unterlag die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nicht selbständig der Verjährung. Ein Feststellungsverfahren war aber unzulässig, wenn alle Steuern, für deren Erhebung der Feststellungsbescheid die Grundlage bildete, verjährt waren (z.B. , BFH/NV 1986, 131, und vom IV R 50/95, BFH/NV 1997, 331, jeweils m.w.N.). Die Verjährung der Steueransprüche gegen einzelne Mitbeteiligte stand der Durchführung eines Feststellungsverfahrens nicht entgegen (z.B. , BFHE 119, 146, BStBl II 1976, 557, und in BFH/NV 1986, 131). Eine Nachforderung der verjährten Steuern war aber ausgeschlossen. Der Einwand der Verjährung konnte bereits im Verfahren über den Grundlagenbescheid geltend gemacht und geprüft werden (z.B. Urteil in BFH/NV 1986, 131, m.w.N.; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1. bis 6. Aufl., § 143 Anm. 2; Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 143 Anm. 3 [4]).
b) Die Verjährungsfrist der (an die festgestellten Besteuerungsgrundlagen anknüpfenden) Steuern betrug gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 AO fünf Jahre. Die Frist begann mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum abgegeben wurde, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten, auf die Entstehung des Steueranspruchs folgenden Kalenderjahres (§ 145 Abs. 2 Nr. 1 AO). Wurde vor Ablauf der Verjährungsfrist mit einer Betriebsprüfung begonnen, so verjährten die Ansprüche, auf die sich die Betriebsprüfung erstreckte, nicht, bevor die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden waren (§ 146a Abs. 3 AO). Diese verjährungshemmende Wirkung trat jedoch nur ein, wenn die Betriebsprüfung aufgrund einer wirksamen Prüfungsanordnung erfolgte (z.B. , BFHE 150, 1, BStBl II 1988, 165, und vom IV R 93/91, BFH/NV 1995, 177, unter 3., m.w.N.). Hierzu gehörte u.a., dass die Prüfungsanordnung dem Adressaten oder dessen Vertreter bekannt gegeben worden war (, BFH/NV 1994, 75, unter 6.).
c) Das FG hat unter Hinweis auf die im Urteil des Senats vom IX R 84/88 (BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120) aufgestellten Grundsätze die Auffassung vertreten, die im November 1981 ergangene Prüfungsanordnung (und zuvor schon die im Januar 1978 ergangenen Feststellungsbescheide 1973 bis 1975) seien der Treuhänderin mit Wirkung für und gegen die Klägerin bekannt gegeben worden: Die Treuhänderin habe für die Bauherrengemeinschaft, an der die Klägerin beteiligt gewesen sei, mit dem FA X verhandelt und Anträge gestellt. Dies sei der Klägerin auch bekannt gewesen, denn sie habe sich in ihrer Einkommensteuererklärung 1973 auf die Verlustzuweisung der Treuhänderin bezogen. Aus alledem ergebe sich der Rechtsschein, die Treuhänderin sei bevollmächtigt gewesen, für die Bauherrengemeinschaft zu handeln; zumindest diesen Rechtsschein müsse die Klägerin gegen sich geltend lassen. Die vom FG getroffenen Feststellungen tragen seine Erwägungen jedoch nur hinsichtlich der im Januar 1978 ergangenen Feststellungsbescheide. Da der Treuhandvertrag zwischen der Klägerin und der Treuhänderin ohne besondere Kündigung mit Ablauf des dritten Jahres (gerechnet drei Monate nach der Bezugsfertigkeit der Wohnungen) endete, ist eine sich aus Rechtsscheinsgrundsätzen ergebene Bevollmächtigung der Treuhänderin durch die Klägerin nur für die Zeit bis Mai 1978 anzunehmen; denn die Wohnungen der Klägerin wurden nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) im Februar 1975 bezugsfertig. Auch die im Zusammenhang mit dem Treuhandvertrag erteilte Vollmacht und die Vollmacht in § 6 des Baubetreuungsvertrages standen erkennbar u.a. mit dem Erwerb der Wohnungen und der Treuhandschaft im Zusammenhang und können schon aus diesem Grunde für die Zeit nach Mai 1978 keine Rechtsscheinswirkungen mehr entfalten. Das Gleiche gilt für den Umstand, dass die Klägerin in der Einkommensteuererklärung 1973 aus der Beteiligung an der Bauherrengemeinschaft eine Verlustzuweisung geltend machte. Die Einkommensteuererklärung 1973 reichte die Klägerin nach den unangefochtenen Feststellungen des FG im Jahre 1975 beim Wohnsitzfinanzamt ein. Der Streitfall liegt damit anders als der vom Senat durch Urteil in BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120 (unter B. IV. 3.) entschiedene Sachverhalt; dort war eine uneingeschränkte Bevollmächtigung nach Rechtsscheinsgrundsätzen nur deshalb zu bejahen, weil der Steuerpflichtige dem Treuhänder, dessen Kenntnisse er sich zurechnen lassen musste, ohne eine sich aus dem Treuhandvertrag ergebende Befristung oder sonstige Beschränkung mit der Wahrnehmung seiner Interessen betraut hatte.
3. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen dazu getroffen, wann die Einkommensteuer der Streitjahre 1973 bis 1975 jeweils verjährte. Auf die vom FG für den Verjährungsbeginn zugrunde gelegten Abgabe der Feststellungserklärungen der Bauherrengemeinschaft kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil die Verjährung nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung zu beurteilen ist, die —im Gegensatz zur Abgabenordnung 1977— keine gesonderte Feststellungsverjährung kannte. Das FG hat ferner nicht im Einzelnen festgestellt, ob und wann die Klägerin in der Zeit nach Mai 1978 und vor der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vom (an die Treuhänderin) davon Kenntnis hatte, dass die Treuhänderin für die Streitjahre mit dem FA über die steuerlichen Angelegenheiten der Bauherrengemeinschaft verhandelte; nur in diesem Fall muss die Klägerin die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an die Treuhänderin (nach den Grundsätzen einer Duldungsvollmacht; s. dazu Urteil in BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120, unter B. IV. 1.) gegen sich gelten lassen. Auch die hierzu notwendigen Feststellungen muss das FG nachholen.
4. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass im Streitfall eine notwendige Beiladung der übrigen Bauherren nicht unterbleiben durfte. Da der Klageantrag der Klägerin auf die Aufhebung der Feststellungsbescheide 1973 bis 1975 gerichtet ist, berührt die über ihn getroffene Entscheidung das Interesse aller Beteiligten (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 331, unter 2.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1122 Nr. 9
WAAAA-69069