BFH Beschluss v. - IX R 38/01

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Beteiligten streiten in der Sache um den Werbungskostenabzug von Schuldzinsen aus einem Darlehen für die Anschaffung eines in Eigentumswohnungen aufgeteilten Mietwohngrundstücks, das die Kläger und Revisionskläger (Kläger) der vermieteten Wohnung zugeordnet hatten. Der Kaufpreis wurde von einem einheitlichen Kontokorrentkonto beglichen, dem die Darlehenssummen erst nach Zahlung des gesamten Kaufpreises gutgeschrieben wurden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die Schuldzinsen nur anteilig als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger am mittels Postzustellungsurkunde zugestellt. Die Prozessbevollmächtigten legten durch ein am beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenes Telefax Revision ein und beantragten, die Frist zur Begründung der Revision bis zum zu verlängern. Dem Antrag wurde stattgegeben und dies den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom mitgeteilt. Unter dem wies der Vorsitzende des erkennenden Senats in einem den Prozessbevollmächigten am zugestellten Schreiben darauf hin, dass die Begründung der Revision bisher hier nicht vorliege.

Mit Schriftsatz vom , der am beim BFH einging, beantragten und begründeten die Prozessbevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist. Durch gesonderten Schriftsatz vom gleichen Tag begründeten die Prozessbevollmächtigten die Revision.

Zum Wiedereinsetzungsgesuch tragen sie vor: Das Fristversäumnis sei auf ein offensichtliches Büroversehen zurückzuführen. Der Bescheid des über die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist sei versehentlich nicht in das im Büro laufend geführte Fristenkontrollbuch eingetragen worden. Die in ihrem Büro stattfindende Fristenkontrolle erfolge seit jeher über ein manuell geführtes Fristenkontrollbuch. Die Fristen würden nach Anweisung der in der Praxis tätigen Steuerberater durch Fachpersonal im Sekretariat laufend in das Fristenkontrollbuch eingetragen. Die Überprüfung erfolge durch tägliche Posteingangsdurchsicht aller im Büro anwesenden Steuerberater im Rahmen einer Prüfung, ob die Fristsache eine Fristennummer trage und im Rahmen von Stichproben, ob die verfristete Sache auch tatsächlich in das Fristenkontrollbuch eingetragen worden sei. Die Fristsachen würden den zuständigen Sachbearbeitern und Steuerberatern durch die Fachmitarbeiter des Sekretariats regelmäßig ausreichend vor Ablauf der Fristen zur Erledigung vorgelegt. Dieses Verfahren habe noch nie zu Fristversäumnissen geführt; seine Durchführung werde gewährleistet durch regelmäßige Mitarbeiterschulungen im Rahmen von vierzehntägig stattfindenden Bürobesprechungen. Zum Nachweis legten die Prozessbevollmächtigten fotokopierte Auszüge aus dem Fristenkontrollbuch vor.

Die Kläger beantragen sinngemäß, wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben sowie die Einkommensteuer für die Streitjahre unter Berücksichtigung der begehrten Schuldzinsen als Werbungskosten neu festzusetzen, und zwar die Einkommensteuer 1996 auf 29 828 DM, die Einkommensteuer 1997 auf 32 140 DM und die Einkommensteuer 1998 auf 33 004 DM.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt es u.a. vor, bereits mit der Eintragung der Revisionsfrist hätte im Fristenkontrollbuch auf die Begründungsfrist hingewiesen werden müssen. Selbst nach Prüfung durch den zuständigen Bearbeiter am sei keine Änderung oder Ergänzung der Eintragung vorgenommen worden. Deshalb handele es sich nicht um ein Versehen des Büroangestellten, sondern um eine fehlerhafte Büroorganisation.

II. Die Revision ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Kläger haben die Revisionsbegründung nicht fristgerecht eingereicht; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist nicht zu gewähren.

Nach § 120 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz FGO ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO ist diese Frist auf Antrag der Kläger vom auf den verlängert worden. Die Kläger haben die Revisionsbegründung aber erst am und damit verspätet eingereicht. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 FGO kann ihnen nicht gewährt werden.

Eine solche Wiedereinsetzung ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll (vgl. § 56 Abs. 2 FGO; ständige Rechtsprechung, s. z.B. , BFHE 144, 1, BStBl II 1985, 586; , BFH/NV 2002, 795, m.w.N.). Hiernach schließt jedes Verschulden —also auch eine einfache Fahrlässigkeit— die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (, BFH/NV 1998, 709). Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der ZivilprozessordnungZPO—). Dabei ist der angestellte, verantwortlich tätige Berufsträger, der nicht nur unselbständige Hilfs- und Bürotätigkeiten ausübt, einem Bevollmächtigten i.S. des § 85 Abs. 2 ZPO gleichgestellt (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2002, 807, m.w.N.).

Beruft sich ein durch einen Prozessbevollmächtigten vertretener Beteiligter —wie im Streitfall die Kläger— auf ein (nicht zu vertretendes) Büroversehen, so muss er darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen dafür getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat (vgl. , BFH/NV 1999, 1221, m.w.N.).

Im Streitfall kann ein Organisationsfehler nach den Darlegungen nicht ausgeschlossen werden: Selbst wenn es auf einem bloßen Büroversehen beruhte, dass die bereits am —und damit vor Ablauf der gesetzlichen Revisionsbegründungsfrist— bis zum verlängerte Frist zur Begründung der Revision nicht im Fristenkontrollbuch eingetragen wurde, hätte jedenfalls die zweimonatige Revisionsbegründungsfrist des § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO dort eingetragen werden müssen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 807, 809), und zwar —darauf weist das FA zutreffend hin— spätestens nach Einlegung der Revision. Das ist aber offenbar unterlassen worden. Denn wäre die gesetzliche Begründungsfrist eingetragen worden, hätte es den Prozessbevollmächtigten bei der von ihnen als Regel geschilderten ”Vorlage der Fristsache zur Erledigung ausreichend vor Ablauf der Frist” (das wäre hier der gewesen) auffallen können und müssen, dass die Verlängerung nicht im Fristkontrollbuch eingetragen wurde. Wäre ihnen dabei jedoch die durch den BFH ausgesprochene Fristverlängerung nicht aufgefallen, hätten sie die Fristsache erledigen und die Revision bis zum , dem Ende der gesetzlichen Frist, begründen müssen. Damit war das Nichteintragen der am ablaufenden (verlängerten) Frist bereits nach ihrem eigenen Vortrag nicht ursächlich für das Fristversäumnis, sondern bereits das Nichteintragen der gesetzlichen Frist. Die Kläger legen aber gerade keine Tatsachen dar, aus denen sich in Bezug auf das Nichteintragen dieser Frist ein Büroversehen ergeben könnte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1467 Nr. 11
SAAAA-69040