Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben 1982 ein Zweifamilienhaus, für das sie erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren (1988, 1989) maßgebenden Fassung (EStG) und § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Anspruch nahmen. Das Obergeschoss und das nach Erwerb ausgebaute Dachgeschoss nutzten sie zu eigenen Wohnzwecken. Die Wohnung im Erdgeschoss bewohnte bis zu ihrer Einweisung in ein Pflegeheim Ende 1988 eine Wohnberechtigte. Nach deren Tod 1993 vermieteten die Kläger die Erdgeschosswohnung.
In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nach § 52 Abs. 21 Sätze 4 und 5 EStG als Steuerbegünstigung die den erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG und § 82a EStDV entsprechenden Beträge in Höhe von 4 275 DM für die eigengenutzte Wohnung, indem es —ohne das ausgebaute Dachgeschoss einzubeziehen— einen Anteil an der Gesamtwohnfläche in Höhe von 41 v.H. zugrunde legte. Die von den Klägern geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung der Erdgeschosswohnung erkannte das FA nicht an. Es verneinte in den Streitjahren die Vermietungsabsicht der Kläger.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage wandten sich die Kläger in erster Linie dagegen, dass das FA die geltend gemachten Werbungskosten nicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen hatte. Überdies brachten sie vor, der bisher mit 41 v.H. angenommene Anteil der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung an der gesamten Wohnfläche sei zu niedrig, weil das nach Erwerb ausgebaute Dachgeschoss nicht berücksichtigt worden sei. Als Steuerbegünstigung seien daher in den Streitjahren nicht 4 275 DM, sondern —ausgehend von einem Anteil der eigengenutzten Wohnung an der Gesamtwohnfläche von 57,4 v.H.— jeweils 5 370 DM zu berücksichtigen. Das FA stimmte mit der von den Klägern geltend gemachten Aufteilung der Wohnfläche überein. Die Kläger beantragten in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) u.a., für die Streitjahre die Aufwendungen zur Förderung des Wohnungseigentums mit je 5 370 DM anzusetzen (Antrag zu 1.). Das FG wies die Klage in vollem Umfang ab, ohne auf diesen Antrag einzugehen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger, dass das FG-Urteil nicht mit Gründen versehen sei und beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre zu ändern und die Steuervergünstigung für die eigengenutzte Wohnung anstatt mit 4 275 DM jeweils mit 5 370 DM zu berücksichtigen.
Das FA hat keinen Antrag gestellt.
II. Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Die Revision ist nach § 116 FGO in der bis zum geltenden Fassung (FGO a.F.) statthaft (zur Weitergeltung dieser Vorschrift nach dem s. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze —2.FGOÄndG— vom , BGBl I 2000, 1757). Die Kläger beanstanden, dass das angefochtene Urteil hinsichtlich eines wesentlichen Streitpunkts nicht mit Gründen versehen ist (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F.).
2. Die Revision ist auch begründet.
Nach § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO muss ein finanzgerichtliches Urteil u.a. Entscheidungsgründe enthalten. Fehlt es hieran, so ist das Urteil als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen (§ 119 Nr. 6 FGO).
a) Eine Entscheidung ist nicht mit Gründen versehen, wenn sie nicht erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für sie maßgeblich waren (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2001, 626, m.w.N.). Das ergibt sich aus dem Zweck des Begründungszwangs, der gewährleisten soll, dass die Prozessbeteiligten über die das Urteil tragenden Erkenntnisse und Überlegungen des Gerichts unterrichtet werden (vgl. , BFH/NV 2001, 46, m.w.N.). Vor diesem Hintergrund muss das FG zwar nicht auf alle Einzelheiten des Sachverhalts und auf jede von den Beteiligten angestellte Erwägung näher eingehen (BFH-Beschlüsse vom IV R 28/94, BFH/NV 1995, 797; vom VIII R 9/99, BFH/NV 2000, 209, 210); es darf aber einen selbständigen prozessualen Anspruch ebenso wenig übergehen wie ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel (, BFH/NV 2001, 51; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Anm. 25). Unter selbständigen Ansprüchen und selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmitteln sind die eigenständigen Klagegründe und solche Angriffs- und Verteidigungsmittel zu verstehen, die den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bilden (, BFH/NV 1995, 241, zu 2. a).
b) Im Streitfall ist das FG auf einen selbständigen prozessualen Anspruch nicht eingegangen. Es hat einen eigenständigen Klagegrund unerörtert gelassen, der den Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bildet: Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen der von den Klägern geltend gemachte Anspruch aus § 52 Abs. 21 Sätze 4 und 5 EStG nicht bestehen sollte. Das FG hat sich lediglich mit der Frage auseinander gesetzt, ob eine Vermietungsabsicht der Kläger in Bezug auf die mit dem Wohnrecht belastete Wohnung angenommen werden kann und hat den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung im streitigen Zeitraum abgelehnt. Es hat aber nicht den Klageantrag zu 1. und die dazu vorgetragenen Tatsachen geprüft, es seien bei der von den Klägern selbst genutzten Wohnung die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge in Höhe von 5 370 DM pro Kalenderjahr wie Sonderausgaben abzuziehen. Es hat die maßgebenden Umstände lediglich im Tatbestand erwähnt, nicht aber in den Entscheidungsgründen behandelt, so dass nicht erkennbar ist, ob es sich damit gedanklich auseinander gesetzt hat. Soweit es sich mit § 52 Abs. 21 EStG befasst, geschieht das im Zusammenhang mit der Frage, ob hinsichtlich der ab 1993 vermieteten, bis Ende 1988 von der Wohnberechtigten genutzten Wohnung gemäß der Übergangsvorschrift eine Nutzungswertbesteuerung fortgeführt werden könne. Das Gericht setzt sich aber nicht mit den die selbst genutzte Wohnung betreffenden Abzugsbeträgen auseinander.
3. Es muss geprüft und entschieden werden, ob der Anspruch auf die Steuerbegünstigung nach § 52 Abs. 21 Sätze 4 und 5 EStG in der von den Klägern geltend gemachten Höhe gegeben ist. Dies obliegt dem FG als Tatsacheninstanz, weshalb der Rechtsstreit an dieses zurückverwiesen werden muss.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 363 Nr. 3
MAAAA-69029