BFH Urteil v. - IX R 15/98

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Sie erwarben 1991 eine noch zu errichtende Eigentumswohnung für 278 000 DM, zuzüglich Nebenkosten von 8 469 DM und Kosten für Sonderausstattung von 1 299 DM. Die Wohnung wurde nach ihrer Fertigstellung 1992 (Streitjahr) vermietet.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger zunächst Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 16 845 DM als Werbungskosten geltend. Im Einspruchsverfahren errechneten sie die AfA aus einem Gebäudewertanteil von 77 v.H. (77 v.H. von 278 000 DM + 8 469 DM + 1 299 DM). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) ermittelte demgegenüber die AfA wie folgt:

a) Sachwert des Grund und Bodens

48 qm (Anteil an der Grundstücksfläche)

x 1 150 DM/qm (Bodenrichtwert) 55 200 DM

b) Sachwert des Gebäudes

52 qm (Wohnfläche) x 2 550 DM/qm

(altersentsprechender Gebäudewert

je qm Wohnfläche) 132 600 DM

+ Stellplatz im Freien 3 000 DM

Grundstückswert insgesamt 190 800 DM

Das FA errechnete nach dem Verhältnis der Sachwerte den auf den Grund und Boden entfallenden Wertanteil mit 29 v.H., den auf das Gebäude entfallenden Wertanteil mit 71 v.H. und ermittelte eine AfA-Bemessungsgrundlage von 203 393 DM. Es berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr eine AfA von 14 328 DM (7 v.H. von 203 393 DM + 1 299 DM). Der Bausachverständige der Oberfinanzdirektion (OFD) bestätigte diese Berechnung.

Der Einspruch hatte in Bezug auf die hier streitige Aufteilung des Kaufpreises keinen Erfolg.

Die Kläger erhoben Klage, mit der sie ihr Begehren auf abweichende Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage weiterverfolgten. Das Finanzgericht (FG) hat durch Einholen eines Sachverständigengutachtens Beweis über die Frage erhoben, in welcher Höhe der Verkehrswert des Grund- und Bodenanteils und des Gebäudeanteils der Eigentumswohnung zum Zeitpunkt der Anschaffung im Jahr 1991 zu bewerten seien. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der Kaufpreis wie folgt aufzuteilen sei:

a) Bodenwert

47,79 qm (Anteil an der Grundstücksfläche)

x 1 300 DM/qm 62 134 DM

b) Anteiliger Gebäudeherstellungswert

ca. 223,4 cbm x 750 DM 167 550 DM

PKW-Stellplatz im Freien 4 000 DM

Außenanlagen (7 v.H. des anteiligen

Gebäudeherstellungswerts - 171 550 DM) 12 009 DM

Baunebenkosten (18 v.H. von der sich

ergebenden Summe - 183 559 DM) 33 041 DM

anteiliger Herstellungswert 216 600 DM

Das FG gab der Klage statt. Es hielt insbesondere einen Wert von 750 DM/cbm für angemessen, weil damit ein Wertanteil für den kalkulatorischen Bauträgergewinn und allgemeine Bauträgergemeinkosten berücksichtigt seien. Die Herstellungskosten müssten von den tatsächlichen oder gewöhnlichen Herstellungskosten des Bauherrn oder den tatsächlichen und gewöhnlichen Anschaffungskosten des Käufers abgeleitet werden und nicht —wie das FA meine— von den tatsächlichen oder gewöhnlichen Kosten des Bauträgers. Dies folge aus dem (BFHE 135, 185, BStBl II 1982, 320).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG i.V.m. §§ 7 Abs. 5 und 21 EStG. Das FG weiche in seiner Entscheidung von anerkannten Schätzungsgrundsätzen ab, welche der BFH in seiner Entscheidung vom IX R 81/83 (BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252) aufgeführt habe. Die Verkehrswerte seien danach anhand der Sachwerte von Grund- und Boden- sowie Gebäudeanteil zu schätzen. Das FG definiere die Herstellungskosten des Gebäudes über die Anschaffungskosten der Käufer, was zur vom BFH verworfenen Restwertmethode führe.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Kläger haben sich zur Revision nicht geäußert.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat die Bemessungsgrundlage für die AfA gemäß § 7 Abs. 5 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG unzutreffend ermittelt.

1. Zu Recht geht das FG allerdings davon aus, dass das FA die Kaufpreisanteile, die auf den Grund- und Bodenanteil sowie auf den Gebäudeanteil entfallen, schätzen durfte (§ 162 Abs. 1 der AbgabenordnungAO 1977—); denn es fehlt eine Einigung der Vertragsparteien über den Grundstücksanteil im Gesamtkaufpreis, die grundsätzlich der Aufteilung auf Grund und Boden sowie Gebäude zugrunde zu legen ist, solange dagegen keine nennenswerten Zweifel bestehen (, BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, m.w.N.).

2. Ist wie im Streitfall ein Gesamtkaufpreis für eine Wohnung gezahlt worden, dann ist der Kaufpreis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA aufzuteilen. Zunächst sind Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Grund- und Bodenanteil und den Gebäudeanteil aufzuteilen.

a) Für die Schätzung des Werts des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils kann die Wertermittlungsverordnung (WertV 1988) entsprechend herangezogen werden (BFH-Urteil in BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252). Nach § 7 WertV 1988 ist der Verkehrswert mit Hilfe des Vergleichswert-, des Ertragswert- oder des Sachwertverfahrens zu ermitteln. Diese Ermittlung ist zwar Teil der Sachverhaltsfeststellung des FG, die für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Der BFH als Revisionsgericht muss aber prüfen, ob das FG dabei die zutreffende Methode angewandt hat (BFH-Urteil in BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, m.w.N.). Da es der BFH in diesem Zusammenhang für ungeeignet hält, den Gebäudewert anhand des Vergleichswertverfahrens oder des Ertragswertverfahrens zu ermitteln (BFH-Urteile in BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, und in BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252), verbleibt als einzig geeignete Verkehrswertermittlung das Sachwertverfahren nach den §§ 21 ff. WertV 1988.

b) Im Streitfall ist das FG bei seiner Schätzung zu Unrecht der Methode des Sachverständigen in seinem Gutachten vom gefolgt. Der Sachverständige hat zwar für den Gebäudeteil einen Sachwert (Bauwert: 216 600 DM) ermittelt, ist dabei aber nicht wie dies § 22 Abs. 1 WertV 1988 vorsieht von den Normalherstellungskosten der Eigentumswohnung ausgegangen, sondern hat im Ergebnis deren Anschaffungskosten zugrunde gelegt. Er hat in den Wert von 750 DM je Kubikmeter umbauten Raumes den kalkulatorischen Bauträgergewinn und allgemeine Bauträgergemeinkosten einbezogen. Diese Aufwendungen gehören aber weder zu den in § 22 Abs. 1 WertV 1988 geregelten Normalherstellungskosten, noch bilden sie üblicherweise entstehende Baunebenkosten, die nach § 22 Abs. 2 WertV 1988 zu den Normalherstellungskosten zählen. Normalherstellungskosten i.S. des § 22 WertV 1988 sind jedenfalls Herstellungskosten und dazu rechnen nach § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) bei einem Gebäude alle Aufwendungen, die auf einer Herstellungsleistung für das Gebäude beruhen und die zum Verbrauch von Gütern oder zur Inanspruchnahme von Diensten geführt haben (zur Anwendbarkeit des § 255 HGB im Steuerrecht , BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830). Gewinnanteile des Baubetreuers sind indes keine Aufwendungen, die auf einer Herstellungsleistung für das Gebäude beruhen. Sie bilden schon keine Ausgaben des herstellenden Bauträgers (vgl. zum Begriff der Aufwendungen BFH-Beschluss in BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; Senatsentscheidung vom IX R 81/90, BFHE 173, 97, BStBl II 1994, 289), sondern werden zu Kostenbestandteilen erst bei der Anschaffung des Gebäudes. Sie führen zu Vermögensabflüssen in Geld oder Geldeswert in der Person desjenigen, der vom Bauträger erwirbt und bilden bei ihm Anschaffungskosten. Sie sind deshalb nicht in die Ermittlung des anteiligen Gebäudewertes mit einzubeziehen. Das Gleiche gilt jedenfalls für die Teile der Bauträgergemeinkosten, die den angemessenen Teil der nach § 255 Abs. 2 Sätze 2, 3 HGB zu berücksichtigenden notwendigen Gemeinkosten übersteigen (vgl. dazu das , BFHE 172, 462, BStBl II 1994, 176). Auch sie bilden Kostenbestandteile einer sich der Herstellung anschließenden Anschaffung.

3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann als Revisionsgericht die Schätzung der Bemessungsgrundlage für die AfA nicht selbst vornehmen (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Sache geht daher zum Nachholen dieser Feststellungen an das FG zurück. Bei einer erneuten Verhandlung wird das FG in Bezug auf die allgemeinen Bauträgergemeinkosten § 22 Abs. 2 WertV 1988 zu beachten haben. Nach dieser Vorschrift zählen nur ganz bestimmte Gemeinkosten zu den Normalherstellungskosten, die den Ausgangspunkt bilden für eine Bewertung des Gebäudeteils.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 324 Nr. 3
DStRE 2002 S. 267 Nr. 5
UAAAA-69022