Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben im Oktober 1994 ein um 1920 erbautes Einfamilienhaus für 618 185,60 DM. Von diesen Kosten entfielen 25 000 DM auf die Garage und 369 525,45 DM auf das Gebäude.
Im Zeitpunkt des Kaufs und darüber hinaus noch ca. 11 Monate wurde das Erdgeschoss des Gebäudes von den bisherigen Eigentümern zu Wohnzwecken genutzt. Im Übrigen war und ist das Gebäude vermietet. Die Kläger haben für die Umsatzsteuer optiert.
In den Streitjahren 1995 bis 1997 wurden für 89 387 DM (netto 77 728 DM) Baumaßnahmen durchgeführt. U.a. wurden die Fenster ausgewechselt und Arbeiten im Bereich der Sanitär-, Heizungs- und Elektroinstallation durchgeführt. Die Beteiligten gehen davon aus, dass es sich insgesamt um Reparaturarbeiten handelte.
Die Kläger machten in ihren Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre Werbungskostenüberschüsse geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte von den insgesamt getätigten Aufwendungen nur 8 849 DM (brutto) als Erhaltungsaufwendungen und 80 538 DM (brutto) als (anschaffungsnahe) Herstellungskosten.
Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2002, 612):
Bei den streitigen Aufwendungen handle es sich um sofort abziehbare Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen). Die im Streitjahr 1995 angefallenen Aufwendungen könnten gemäß § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) zum Teil im Folgejahr 1996 geltend gemacht werden.
Eine wesentliche Wertverbesserung sei nicht feststellbar. Die eingereichten Belege wiesen in ihrer Mehrzahl nur Kleinbeträge auf. Aber auch die größeren Rechnungsbeträge —zwischen rd. 5 000 DM und 21 000 DM— beträfen nur Reparaturarbeiten, wie Auswechslung von Fenstern, Heizungsarbeiten, Dachlukenfensterarbeiten, Elektroarbeiten und Dacharbeit; das sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Auch die Höhe der Aufwendungen sei nicht streitig.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB).
Unstreitig handle es sich hier um Reparaturaufwendungen. Auch grundlegende Instandhaltungsarbeiten könnten aber zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 HGB führen; davon sei bei hohen anschaffungsnahen Reparatur- und Modernisierungsaufwendungen im Anschluss an den Erwerb auszugehen. Denn die Baumaßnahmen hätten auch nach objektiven Maßstäben den Gebrauchswert als Ganzes deutlich erhöht. Die Art der Aufwendungen sei hierbei nicht maßgebend.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1995 auf ./. 11 696 DM, 1996 auf 9 990 DM und 1997 auf 19 689 DM festzusetzen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Recht zum Abzug als Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen) im Rahmen der Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes —EStG—) zugelassen.
1. Aufwendungen, die —wie die hier streitigen— durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), sind allerdings dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG).
Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich für die Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte, mithin auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, nach § 255 HGB (vgl. , BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 1.). Baumaßnahmen führen nicht allein wegen ihrer Höhe und Anschaffungsnähe zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten (BFH in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. b).
2. Die streitigen Aufwendungen sind keine Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB.
a) Danach sind Anschaffungskosten Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.
Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: Wohnhaus) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann (vgl. BFH in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 2. b).
Den Zweck, zu dem das angeschaffte Wirtschaftsgut genutzt werden soll, bestimmt der Erwerber. Nutzt er es tatsächlich bereits ab dem Zeitpunkt des Erwerbs, erwirbt er z.B. ein vermietetes Gebäude und erzielt daraus Mieterträge, dann hat er eine Zweckbestimmung getroffen; das genutzte Wirtschaftsgut befindet sich bereits in einem betriebsbereiten Zustand und kann insoweit nicht mehr in diesen Zustand versetzt werden (BFH in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 2. b).
Nach den Feststellungen des FG war das Gebäude beim Erwerb zum Teil vermietet und wurde von den Klägern weiterhin vermietet. Insoweit können die streitigen Aufwendungen keine Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sein.
Im Übrigen hat das FG festgestellt, dass das Haus von dem Voreigentümer im Zeitpunkt des Kaufs und in den ersten 11 Monaten danach zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde; das FG hat jedoch nicht festgestellt, ob der Voreigentümer in dieser Zeit Miete gezahlt hat. Sollte das nicht der Fall sein, haben die Kläger das Gebäude insoweit zunächst nicht zur Erzielung von Einkünften genutzt; Aufwendungen vor der erstmaligen Vermietung könnten daher auch Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sein, soweit die Baumaßnahmen sich auf den von dem Verkäufer genutzten Teil des Hauses bezogen.
Zu den Anschaffungskosten zählen die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den erworbenen Vermögensgegenstand (hier: das Wohngebäude) bestimmungsgemäß nutzen zu können (vgl. dazu im Einzelnen , BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966).
Soll das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt werden, dann gehört zur Zweckbestimmung auch die Entscheidung, welchem Standard die Wohnungen entsprechen sollen (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll). Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung eines Gebäudes, deren Schwerpunkt nicht die Reparatur und Ersetzung des Vorhandenen, sondern die funktionserweiternde Ergänzung wesentlicher Bereiche der Wohnungsausstattung (Heizung, Sanitär, Elektro und Fenster) zum Gegenstand haben, können den Standard eines Gebäudes erhöhen. Voraussetzung ist allerdings weiter, dass der Nutzungswert bei mindestens drei der genannten vier Kernbereiche der Wohnungsausstattung deutlich gesteigert worden ist. Ist das der Fall, sind die Kosten der Baumaßnahmen sowie der damit bautechnisch verbundenen Baumaßnahmen Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB (vgl. im Einzelnen BFH in BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966).
b) Im Streitfall gibt es nach den Feststellungen des FG keine Anhaltspunkte dafür, dass die Baumaßnahmen zu Anschaffungskosten geführt haben. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich um Reparaturarbeiten auch dort handelte, wo größere Beträge in Rechnung gestellt worden sind. Die Baumaßnahmen haben zwar auch alle Kernbereiche der Ausstattung des Hauses, nämlich Heizung, Sanitär- und Elektroinstallation sowie die Fenster erfasst. Eine wesentliche Verbesserung ist aber vom FA nur mit Rücksicht auf die Höhe der Aufwendungen und ihre Anschaffungsnähe angenommen worden. Diese Rechtsprechung hat der Senat aufgegeben (vgl. dazu oben zu II. 1.).
3. Die Aufwendungen sind auch keine Herstellungskosten i.S. des § 255 Abs. 2 HGB.
a) Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.
Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die für sich allein noch als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären, könnten in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 HGB führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das Nutzungspotenzial) des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand, d.h. dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs, deutlich erhöht wird (, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, zu I. 2. c und 3. b, cc). Eine wesentliche Verbesserung ist danach immer dann gegeben, wenn der Gebrauchswert eines Gebäudes von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird (vgl. dazu im Einzelnen BFH in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3.). Ob Baumaßnahmen an einem Wohngebäude zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB geführt haben, ist mithin im Wesentlichen nach den gleichen Maßstäben zu entscheiden, nach denen die Betriebsbereitschaft gemäß § 255 Abs. 1 HGB zu beurteilen ist.
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die streitigen Aufwendungen keine Herstellungskosten; die Baumaßnahmen haben den Nutzungswert des Gebäudes nicht deutlich gehoben, das Gebäude mithin nicht wesentlich verbessert. Sie betreffen zwar auch Kernbereiche der Ausstattung einer Wohnung, sie gehen aber nach den Feststellungen des FG und nach übereinstimmender Beurteilung der Beteiligten nicht über Reparaturarbeiten an den vorhandenen Einrichtungen hinaus.
4. Nach Ergehen der beiden Grundsatzentscheidungen in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, und in BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966 bestand kein Anlass mehr, das Verfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 35
BFH/NV 2003 S. 35 Nr. 1
DAAAA-69019