Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
Die 1977 geborene Tochter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) befand sich bis Juni 1996 in einer Berufsausbildung. Im Anschluss daran war sie bis zum arbeitslos. Im August 1997 beantragte die Klägerin die Zahlung von Kindergeld für ihre Tochter. Der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter) entsprach diesem Antrag, setzte das Kindergeld unter Berufung auf § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1997 (EStG 1997) jedoch rückwirkend erst ab Februar 1997 fest.
Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin, ihr Kindergeld auch für die Zeit von Januar 1996 bis Januar 1997 zu gewähren. Zur Begründung führte sie aus, dass sie erst anlässlich der Erstellung der Steuererklärung für 1996 durch ihr Steuerbüro von diesem erfahren habe, dass sie einen Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter habe. Sie verwies zudem auf das Schreiben des Bundesamtes für Finanzen (BfF) vom St I 4 - S 2470 - 15/97 (”Familienleistungsausgleich; Verfahrensweise in sog. ”Weiterleitungsfällen”, BStBl I 1997, 654). Darin wird angeordnet, § 66 Abs. 3 EStG im Hinblick auf die Aufhebung der Vorschrift durch das Steuerreformgesetz 1999 aus Billigkeitsgründen in allen noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Fällen nicht mehr anzuwenden.
Der Beklagte machte demgegenüber geltend, dass das genannte Schreiben des BfF nur für Weiterleitungsfälle gelte, also in Fällen eines Berechtigtenwechsels zwischen den Kindergeldberechtigten.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1196 abgedruckten Gründen statt.
Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, dass § 66 Abs. 3 EStG —ebenso wie nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu dem wortgleichen § 9 Abs. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) a.F.— eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist sei, bei der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht komme. Eine von § 9 Abs. 2 BKGG a.F. abweichende Auslegung des § 66 Abs. 3 EStG widerspreche dem gesetzgeberischen Willen. Etwas anderes folge auch nicht aus der Streichung der Vorschrift; vielmehr habe der Gesetzgeber durch die in § 52 Abs. 32b EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999 getroffene Übergangsregelung klargestellt, dass § 66 Abs. 3 EStG weiterhin eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist darstelle. Das in BStBl I 1997, 654 beziehe sich nur auf Weiterleitungsfälle.
Der Beklagte beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Der Kindergeldanspruch der Klägerin für die Monate Januar 1996 bis Januar 1997 (§ 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) ist nach § 66 Abs. 3 EStG 1997 ausgeschlossen.
Nach dem (BFHE 193, 361, BStBl II 2001, 109) wird Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Zahlungen für weiter zurückliegende Zeiträume kommen nur dann in Betracht, wenn die Berufung der Behörde auf § 66 Abs. 3 EStG 1997 missbräuchlich ist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung —AO 1977—) ist nicht möglich. In der vorgenannten Entscheidung (BFHE 193, 361, BStBl II 2001, 109) sind auch die Voraussetzungen aufgeführt, unter denen der Beklagte eine Billigkeitsmaßnahme vorzunehmen hat.
Das FG hat der Klage im Streitfall danach zu Unrecht stattgegeben. Der Kindergeldantrag der Klägerin ging erst im August 1997 beim Beklagten ein. Die Berufung des Beklagten auf § 66 Abs. 3 1997 EStG ist nicht missbräuchlich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
VAAAA-68884