BFH Beschluss v. - VIII R 2/01

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) als unzulässig abgewiesen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am waren weder die Kläger noch ihr Prozessbevollmächtigter erschienen. Das FG hat in der Sitzungsniederschrift ihre ordnungsgemäße Ladung mittels Postzustellungsurkunde festgestellt.

Nach den Beurkundungen des Postbediensteten in der den Prozessbevollmächtigten betreffenden Postzustellungsurkunde wurde diesem die Ladung am durch Niederlegung beim Postamt zugestellt, weil der Prozessbevollmächtigte selbst in seiner Praxis und Wohnung nicht angetroffen worden sei und Ersatzzustellungen nicht möglich gewesen seien. Der Postbedienstete beurkundete ferner, er habe eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers —wie bei gewöhnlichen Briefen üblich— in den Hausbriefkasten eingelegt. Eine Rücksendung der Ladung durch die Postanstalt an das FG ist in den Akten nicht enthalten. Die auf der Postzustellungsurkunde vermerkte Wohnung stimmt mit der vom Prozessbevollmächtigten in der Klageschrift angegebenen Adresse überein.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO— a.F., § 3 des VerwaltungszustellungsgesetzesVwZG—, §§ 180 ff. der Zivilprozeßordnung —ZPO—, § 193 Abs. 1 der AbgabenordnungAO 1977—). Sie seien im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen. Ihr Prozessbevollmächtigter habe keine Kenntnis von dem anberaumten Termin gehabt und habe deshalb an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen können. Er sei nicht ordnungsgemäß geladen worden. Die Ladung sei an seine frühere Wohnung und Praxis in S zugestellt worden. Er sei aber bereits am von S nach M verzogen. Nachsendeauftrag an sein Postfach habe er erteilt. Weshalb trotzdem eine Ersatzzustellung an seine bisherige Wohnung und Praxis vorgenommen wurde, obwohl dort kein Praxisschild, kein Namensschild und auch kein Briefkasten auf seinen Namen mehr angebracht gewesen sei, könne er nicht sagen; offenbar sei der Nachsendeauftrag nicht bzw. nicht immer ausgeführt worden. Er habe die von ihm früher benutzten Räume auch wegen eines Autounfalls am mit Krankenhausaufenthalt (Entlassung ) nicht mehr aufsuchen können. Im Übrigen sei die Anordnung einer Betriebsprüfung gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 unzulässig gewesen (wird ausgeführt).

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG, die Betriebsprüfungsanordnung vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unzulässig. Sie war deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 FGO).

1. Die Entscheidung über die Revision richtet sich noch nach § 115 und § 116 FGO a.F. und nicht nach der FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757), weil das Urteil des FG am verkündet wurde (vgl. Art. 4  2.FGOÄndG).

2. Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO a.F. die Revision nur statt, wenn sie das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 FGO a.F. gegeben ist. Hierauf wurde der Kläger durch die der angefochtenen Entscheidung beigefügte Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen. Vorliegend ist die Revision weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden.

3. Die Revision ist auch nicht nach § 116 Abs. 1 FGO a.F. statthaft.

Zwar haben die Kläger einen Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F. geltend gemacht. Dieser Mangel ist jedoch nicht schlüssig gerügt, da die Kläger nicht die Tatsachen bezeichnet haben, die —ihre Richtigkeit unterstellt— den von ihnen gerügten Verfahrensmangel ergeben (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO a.F.). Dieses Erfordernis gilt auch bei Rügen i.S. des § 116 FGO a.F. (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. , BFH/NV 2000, 450, m.w.N.). Für die Rüge der Kläger, sie seien im Verfahren nicht nach der Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen, genügt die Behauptung nicht, die Ladung zum Termin für die mündliche Verhandlung sei ihrem Prozessbevollmächtigten nicht zugestellt worden bzw. dieser habe die Ladung nicht erhalten, weil er inzwischen seine Wohnung und Praxis unter der bisherigen Adresse aufgegeben habe.

a) § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F. setzt voraus, dass der Beteiligte in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war. Das ist nur dann der Fall, wenn das Gericht bei der Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch den Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat, nicht aber, wenn das Gericht die gesetzlichen Vorschriften beachtet hat und der Beteiligte aus einem in seinem Bereich liegenden Grund nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte. Nicht vertreten i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F. ist ein Beteiligter insbesondere dann, wenn er nicht ordnungsgemäß geladen worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom IX R 5/96, BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638; vom XI S 42/97, BFH/NV 1998, 734; in BFH/NV 2000, 450). Das gilt hinsichtlich des Prozessbevollmächtigten auch dann, wenn —wie im Streitfall— die Kläger ordnungsgemäß geladen wurden (vgl. u.a. , BFHE 175, 507, BStBl II 1995, 64) und er an der mündlichen Verhandlung auch tatsächlich nicht teilnimmt (Senatsbeschluss vom VIII R 80-82/93, BFH/NV 1995, 416, unter 3. b der Gründe).

b) Die Ausführungen der Kläger lassen nicht den Schluss zu, das FG habe ihren Prozessbevollmächtigten nicht ordnungsgemäß geladen.

aa) Nach der bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde ist die Ladung dem Prozessbevollmächtigten gemäß § 53 FGO i.V.m. § 3 Abs. 3 VwZG i.V.m. § 182 ZPO durch Niederlegung zugestellt worden. Die Postzustellungsurkunde erbringt gemäß § 82 FGO i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis für die von ihr bezeugten Tatsachen, auch den Beweis dafür, dass der Empfänger in der vorgeschriebenen Weise über die Niederlegung benachrichtigt worden ist. Das gilt auch für Zustellungen, die nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost unter Beachtung der Vorschriften des VwZG bewirkt werden (BFH-Beschlüsse in BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638; in BFH/NV 1998, 734, m.w.N.).

bb) Der Beweis für den beurkundeten Zustellungsvorgang kann durch die bloße Behauptung der Kläger, ihr Prozessbevollmächtigter habe bis zur Urteilszustellung keine Kenntnis von der Zustellung der Ladung erlangt, nicht entkräftet werden. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, einen anderen als den beurkundeten Geschehensablauf substantiiert darzulegen und zu beweisen (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse in BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638; in BFH/NV 1998, 734). Da eine schlüssige Verfahrensrüge nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F. einen dem Gericht zuzurechnenden Verfahrensfehler voraussetzt (vgl. dazu u.a. BFH-Beschlüsse vom X R 27/94, BFH/NV 1997, 246, m.w.N.; vom IX R 46/96, BFH/NV 1997, 598; vom X S 14/96, BFH/NV 1998, 470; vom X R 146/96, BFH/NV 1999, 958, m.w.N.), muss sich aus dieser Darlegung auch ergeben, dass der Fehler bei der Zustellung der Ladung im Verantwortungsbereich des Gerichts lag und dieses vor der Durchführung der mündlichen Verhandlung Anlass zu Nachforschungen über die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung gehabt hätte (BFH-Beschlüsse in BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638, m.w.N.; in BFH/NV 1998, 734; in BFH/NV 2000, 450). Solche Umstände haben die Kläger nicht vorgetragen. Aus ihrem Vortrag ergibt sich vielmehr, dass der Grund für ihre fehlende Vertretung im Prozess in ihrem Verantwortungsbereich lag (vgl. dazu insbesondere , BFHE 152, 196, BStBl II 1988, 447). Ihr Prozessbevollmächtigter hätte sicherstellen müssen, dass er während des Klageverfahrens trotz seines Umzugs an einen anderen Ort für das Gericht erreichbar ist. Wer dies unterlässt —oder wem dieses Unterlassen zuzurechnen ist— und wer deshalb veranlasst, dass die auf eine ordnungsmäßige Zustellung abstellenden Maßnahmen des Gerichts nicht wirksam werden können, verletzt seine prozessualen Obliegenheiten. Er kann deshalb nicht einen Verfahrensfehler des Gerichts rügen. Das gilt nicht nur für die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Senatsbeschluss vom VIII B 122/99, BFH/NV 2000, 1233, im Anschluss an Bundesverwaltungsgericht —BVerwG—, Beschluss vom   9 B 10275.83, Deutsches Verwaltungsblatt —DVBl— 1984, 90, m.w.N.), sondern auch für die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Vertretung im Prozess i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F.

4. Der Senat entscheidet durch Beschluss in der Besetzung mit fünf Richtern (vgl. dazu u.a. , BFH/NV 1995, 225, m.w.N.).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 792 Nr. 6
DStRE 2002 S. 791 Nr. 12
IAAAA-68871