BGH Beschluss v. - VII ZR 217/15

Werkvertrag: Wirksamkeit der Mängelrüge bei stichpunktartig festgestellten Mangelsymptomen

Gesetze: § 633 BGB, §§ 633ff BGB

Instanzenzug: Az: 7 U 95/14vorgehend Az: 100 O 49/13

Gründe

I.

1Die Klägerin und die Beklagte haben am einen notariellen Erwerbsvertrag mit Errichtung einer Hotel- und Gewerbeanlage mit vier Gewerbeeinheiten auf dem Grundstück F.-Allee in B. geschlossen. Die Klägerin verlangt mit der Klage einen Kostenvorschuss für den Austausch von Kondensatoren in 140 Klimaanlagen der Hotelzimmer in Höhe von 8.000 € und für den Austausch von Akkumulatoren in den Sicherheitsleuchten in Höhe von 1.659 €.

2Sie macht für den Austausch von Lüftungsmotoren in 56 Klimaanlagen die Erstattung von Ersatzvornahmekosten in Höhe von 21.347,23 € geltend und verlangt die Beseitigung von Feuchtigkeitserscheinungen in den Räumen des Fitnesscenters im 1. Obergeschoss im Bereich des Durchgangs zum Hotel und in den Lagerräumen eines Supermarkts im Erdgeschoss.

3Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, mit der sie nach Zulassung der Revision ihre Klageansprüche weiterverfolgen will.

II.

4Die Nichtzulassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO in dem im Tenor bezeichneten Umfang zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

51. Das Berufungsgericht hat - soweit hier von Bedeutung - ausgeführt, der Vortrag der Klägerin, die Klimaanlagen würden in sämtlichen Zimmern keine ausreichende Lüftungs- und Kühlleistung erbringen und regelmäßig ausfallen, sei unsubstantiiert. Sie habe nicht vorgetragen, auf welche Weise der angebliche Ausfall einzelner Klimaanlagen habe behoben werden können. Dass die Klimaanlagen in sämtlichen Zimmern dauerhaft ausfielen und eine Klimatisierung nicht mehr möglich sei, behaupte die Klägerin nicht.

6Soweit der Privatgutachter an 8 von 15 begutachteten Kondensatoren des Herstellers A. Mängel an der Metallfolie der Kondensatoren festgestellt habe, begründe dies keinen Anspruch der Klägerin, in sämtlichen Zimmern die Kondensatoren auszutauschen. Sie habe nicht vorgetragen, dass sich in sämtlichen Klimaanlagen die Kondensatoren des Herstellers A. befänden und es sich bei den von dem Privatgutachter festgestellten Mängeln um einen Systemfehler handele.

7Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei den festgestellten Mängeln an den Kondensatoren um einen betriebsbedingten Verschleiß handele, für den die Beklagte nicht einzustehen habe. Die Kondensatoren seien auf 10.000 Betriebsstunden ausgelegt, seit der Abnahme seien bereits 39.000 Betriebsstunden vergangen.

82. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts beruht in dem im Tenor bezeichneten Umfang auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG.

9a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom - VII ZR 23/14, ZfBR 2017, 146 Rn. 10; vom - VII ZR 78/13, BauR 2015, 1528 Rn. 7; vom - VII ZR 2/11, BauR 2012, 1822 Rn. 14 m.w.N.). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt dann vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. , NZBau 2014, 221 Rn. 12).

10b) Die Beschwerde beanstandet zu Recht die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die Voraussetzungen des von ihr geltend gemachten Vorschussanspruches nicht hinreichend dargelegt.

11aa) Die Klägerin hat mit Schriftsätzen vom , und unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Mangel einer fehlenden oder nicht ausreichenden Kühl- und Heizleistung der Klimageräte in 84 im Einzelnen nach Nummern bezeichneten Hotelzimmern vorhanden sei. Sie hat weiter dargelegt, aus welchen Hotelzimmern sie bereits 56 Klimageräte wegen des Austausches des Lüftungsmotors entfernt habe. Auch bei diesen im Keller gelagerten Klimageräten bestehe der von dem Privatgutachter P. festgestellte Systemfehler. Der Privatgutachter P. habe bei 14 von 15 untersuchten Motoren Mängel an den Kondensatoren festgestellt.

12bb) Damit hat die Klägerin Mangelerscheinungen der nicht ausreichenden Lüftungs- und Kühlleistung in den Klimaanlagen sämtlicher Hotelzimmer ausreichend beschrieben. Dem steht nicht entgegen, dass der Privatgutachter P. lediglich stichprobenartig 15 Klimaanlagen überprüft hat. Nachdem der Privatgutachter bei 14 von 15 untersuchten Klimageräten einen Systemmangel festgestellt hat, ist das Vorbringen der Klägerin, sämtliche Klimaanlagen aller Hotelzimmer seien von dem Systemmangel betroffen, schlüssig.

13Für ihren Vortrag hat die Klägerin Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten. Deshalb war das Berufungsgericht verpflichtet, dem Beweisantrag nachzugehen, durch Sachverständigengutachten den behaupteten Mangel der Werkleistung festzustellen.

14cc) Im Übrigen kann das Vorbringen der Klägerin nicht deshalb als unschlüssig angesehen werden, weil sie nicht zu den Mangelursachen vorgetragen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Besteller den Anforderungen an ein hinreichend bestimmtes Mangelbeseitigungsverlangen wie auch an eine schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess, wenn er die Erscheinungen, die er auf vertragswidrige Abweichungen zurückführt, hinlänglich deutlich beschreibt. Er ist nicht gehalten, die Mangelursachen im Einzelnen zu bezeichnen (sogenannte Symptomtheorie, st. Rspr., vgl. z.B. , BauR 2017, 106 Rn. 22 m.w.N. = NZBau 2016, 746; Urteil vom - VII ZR 192/98, BauR 2001, 630, juris Rn. 8 = NZBau 2001, 195).

15c) Der Verstoß ist auch entscheidungserheblich, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin und Durchführung der gegebenenfalls erforderlichen Beweiserhebung zu einer anderen Beurteilung des Anspruchs der Klägerin auf Kostenvorschuss gelangt wäre.

163. Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:141217BVIIZR217.15.0

Fundstelle(n):
XAAAG-72528