BFH Beschluss v. - VIII B 143/01

Gründe

I. Die Tochter (H) der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) bestand im Juli 1999 die Reifeprüfung. H hielt sich ab September 1999 als Au-pair-Mädchen in Frankreich auf und besuchte hierbei in der Zeit vom bis den Sprachkurs ”Francais Langue Etrangère” im Umfang von sechs Unterrichtsstunden je Woche.

Der Beklagte (das Arbeitsamt F —Familienkasse—) teilte mit Bescheid vom mit, dass ab August 1999 Kindergeld mangels Vorliegen einer Berufsausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht mehr gewährt werden könne. Der Einspruch der Antragstellerin blieb auch unter Berücksichtigung ihres Vortrags, dass H voraussichtlich im Wintersemester 2000/2001 ein ”Studium Fachrichtung Lehramt, Hauptfach Sprachen” aufnehmen werde, ohne Erfolg.

Über die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden. Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) hat das unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgelehnt.

Mit ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin u.a. geltend, dass H derzeit (Schriftsatz vom ) ein Trimester an einer französischen Universität absolviere und im Anschluss hieran (Frühjahr 2001) dort ein Studium aufnehmen werde.

II. Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist zwar statthaft (vgl. § 128 der FinanzgerichtsordnungFGO— i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze —2.FGOÄndG— vom , BGBl I 2000, 1757, i.V.m. Art. 4 dieses Gesetzes). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung (hier: Klage) bietet jedoch nicht die nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche Aussicht auf Erfolg. Die Beschwerde ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass unter das Tatbestandsmerkmal ”für einen Beruf ausgebildet” i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht jeder Auslandsaufenthalt zu fassen ist, der zu einer Verbesserung der Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache führt.

Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Aufenthalts im Ausland können vielmehr nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt (, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Dies wiederum setzt —sofern, wofür im Streitfall keine Anhaltspunkte bestehen, der Sprachaufenthalt in einer Studien- oder Ausbildungsordnung nicht vorgeschrieben oder zumindest empfohlen ist (vgl. , BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 701; vom VI R 24/99, BFH/NV 2000, 27)— in der Regel einen begleitenden Sprachunterricht von wöchentlich zehn Unterrichtsstunden voraus. Bei der Bestimmung dieser Regelgrenze hat die Rechtsprechung sowohl die Zeiten der Vor- und Nachbereitung des Sprachkurses als auch die praktische Anwendung der Fremdsprache außerhalb des Unterrichts berücksichtigt (BFH-Urteile in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; vom VI R 39/98, BFH/NV 2000, 25). Nach den Umständen des Einzelfalls kann ausnahmsweise jedoch auch das Unterschreiten dieser Grenze unschädlich sein, beispielsweise dann, wenn der Sprachkurs der üblichen Vorbereitung auf einen anerkannten Prüfungsabschluss dient (vgl. BFH-Urteile in BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710: ”GRADE A PASS"-Certificate; in BFH/NV 2000, 27: Sprachzertifikat des American Institute for Foreign Study) und das Kind den Prüfungsabschluss anstrebt oder wenn Einzelunterricht in Verbindung mit umfänglicheren Vor- und Nacharbeiten erteilt wird oder neben dem Sprachunterricht zusätzliche fremdsprachenfördernde Aktivitäten (z.B. die Teilnahme an Vorlesungen oder das Halten von Vorträgen in der Fremdsprache) unternommen werden (BFH-Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701).

Hieran ist mit der Folge festzuhalten, dass —jedenfalls nach dem gegenwärtigen Sachstand— die Klage der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der H erteilte Unterricht unterschreitet die genannte Regelgrenze erheblich. Gründe, die ausnahmsweise ein Abrücken hiervon gestatten, sind weder den Feststellungen der Vorinstanz noch den Äußerungen der Verfahrensbeteiligten zu entnehmen. Insbesondere wurde der Sprachkurs nicht mit dem Ziel der Erlangung eines anerkannten (sprachlichen) Prüfungsabschlusses besucht; hinzu kommt, dass nach dem bisherigen Vortrag auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass der von H. zunächst angestrebte Studienplatz (”Fachrichtung Lehramt, Hauptfach Sprachen”) von dem Bestehen eines Fremdsprachentests abhängig gewesen wäre (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710, und in BFH/NV 2000, 27). Soweit die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren geltend macht, dass H seit Frühjahr 2001 in Frankreich studiere, sind die Ausführungen bereits deshalb nicht geeignet, eine andere Einschätzung der Prozessaussichten zu rechtfertigen, weil der für den Begriff der Berufsausbildung erforderliche und nach den dargelegten Kriterien nachzuweisende Bezug zum angestrebten Beruf notwendigerweise aufgrund der Verhältnisse im Zeitpunkt der jeweiligen (Ausbildungs-)Maßnahme zu beurteilen ist (hier: Beginn des Au-pair-Verhältnisses im September 1999).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1022 Nr. 8
QAAAA-68812