BFH Beschluss v. - VIII B 139/01

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Entscheidung, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im Jahre 1996 durch die Gewährung eines Kindergeldes von monatlich 200 DM in seinen Rechten verletzt ist und einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf die Zahlung eines höheren Kindergeldes hat, erfordert nicht die Klärung einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO— in der hier maßgeblichen Fassung vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze —2.FGOÄndG— vom , BGBl I 2000, 1757). Vielmehr lässt sich in Übereinstimmung mit der Auffassung des Finanzgerichts (FG) anhand der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) entscheiden, dass die Klage auf Zahlung eines höheren Kindergeldes unbegründet und daher abzuweisen ist.

Es ist unstreitig, dass das an den Kläger gezahlte Kindergeld von monatlich 200 DM der gesetzlichen Regelung in § 66 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entspricht. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass das BVerfG keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld über die Ansprüche nach dem Bundessozialhilfegesetz hinaus bejaht hat; es hat lediglich entschieden, die Verfassung verlange, dass im wirtschaftlichen Ergebnis bei der Besteuerung von Eltern mindestens das nach sozialhilferechtlichen Kriterien zu ermittelnde Existenzminimum ihres Kindes bzw. ihrer Kinder steuerfrei zu stellen sei (Beschlüsse vom 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, 655 ff., unter C. II. 1. und 2. der Gründe; vom 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174, 181, unter C. I. 5. c cc der Gründe). Gewährt der Gesetzgeber gleichwohl —was ihm nach den zitierten Beschlüssen des BVerfG freisteht— ein Kindergeld, ist dieses für die Prüfung, ob es in seiner steuerlichen Entlastungsfunktion den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen gerecht wird, in einen sog. fiktiven Kinderfreibetrag umzurechnen (vgl. BVerfG in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, 660, unter C. III. 4. a der Gründe; in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174, 181, unter C. I. 6. b der Gründe). Daran hat sich durch die Umstellung vom bisherigen dualen System von Kinderfreibetrag und Kindergeld auf eine alternative Lösung von entweder Kindergeld oder Kinderfreibetrag durch § 31 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 (JStG 1996) vom (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) nichts geändert.

Bei einem feststehenden Kindergeldbetrag hängt die Höhe des daraus errechneten fiktiven Kinderfreibetrags von der Höhe des individuellen Grenzsteuersatzes des Steuerpflichtigen ab. Die Umrechnung führt angesichts des progressiven Verlaufs des Steuertarifs zu einem umso niedrigeren fiktiven Kinderfreibetrag, je höher der individuelle Grenzsteuersatz ist (vgl. die Tabelle im BVerfG-Beschluss in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, 661; , BFH/NV 1999, 1463; vgl. dazu auch Gorski, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 1999, 638; Nolde, Finanz-Rundschau —FR— 1999, 1166). Je niedriger der individuelle Grenzsteuersatz ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass der Steuerpflichtige durch das gesetzliche Kindergeld in seinen verfassungsrechtlichen Rechten, wie sie das BVerfG konkretisiert hat, verletzt sein könnte (vgl. zum Verhältnis von Grenzsteuersatz und dem ”Hineinwachsen” des fiktiven Kinderfreibetrags in die verfassungsrechtliche Unvereinbarkeit z.B. BFH-Beschlüsse vom VI B 12/98, BFH/NV 1999, 1328; vom VI B 9/98, BFH/NV 1999, 1328).

Im Streitfall hat das FG für das Jahr 1996 einen individuellen Grenzsteuersatz des Klägers von 32 v.H. zugrunde gelegt. Dagegen hat der Kläger in seiner Beschwerdeschrift keine Einwendungen erhoben. Dies führt bei einer Umrechnung des tatsächlich gezahlten Kindergeldes von 2 400 DM zu einem sog. fiktiven Kinderfreibetrag von 7 500 DM.

Dementsprechend könnte der Kläger durch die Zahlung eines Kindergeldes von monatlich 200 DM nur dann in seinen verfassungsrechtlichen Rechten verletzt sein und käme in einem eventuellen Revisionsverfahren nur dann eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Betracht, wenn der existenznotwendige Mindestbedarf (Existenzminimum) eines Kindes unter 18 Jahren im Jahr 1996 über 7 500 DM gelegen hätte. Aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BVerfG und des BFH ergibt sich, dass das nicht der Fall war.

Der VI. Senat des (BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566) ausgeführt, dass für das Jahr 1996 ein Kinderfreibetrag von 6 264 DM (vgl. § 32 Abs. 6 EStG) für Kinder unter 18 Jahren von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei, und hat dies im Einzelnen begründet. Der Kläger hat selbst auf den , 5, 6, 7, 8, 9, 10/96, 3, 4, 5, 6/97 (BVerfGE 99, 300, 328) hingewiesen, der zu dem Anspruch eines Beamten auf Alimentation ergangen ist. Darin geht das BVerfG für das Jahr 1996 von einem Gesamtbedarf (Sozialhilfe) eines Kindes von monatlich 552,11 DM aus, was einem Jahresbetrag von 6 625,32 DM entspricht. Der Kläger hat keine einleuchtenden und nachvollziehbaren Gründe dafür aufgezeigt, weshalb das BVerfG abweichend davon in Zukunft einen höheren existenznotwendigen Mindestbedarf annehmen sollte.

Soweit der vom BVerfG zugrunde gelegte Betrag von 6 625 DM höher ist als der in § 32 Abs. 6 EStG bestimmte Kinderfreibetrag von 6 264 DM, ist diese Diskrepanz für die Entscheidung des Streitfalles unerheblich und damit nicht klärungsbedürftig, weil auch der vom BVerfG angesetzte Betrag deutlich unter dem für den Kläger errechneten fiktiven Kinderfreibetrag von 7 500 DM liegt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 908 Nr. 7
PAAAA-68808