Politische Meinungsäußerung und beamtenrechtliches Mäßigungsgebot; Anforderungen an die ärztliche Begutachtung im Zurruhesetzungsverfahren
Leitsatz
1. Die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) berechtigt den Beamten grundsätzlich auch dazu, im Dienst in Gesprächen mit seinen Kollegen Kritik an der Politik der Regierung oder anderen Organen seines Dienstherrn zu üben. Grenzen solcher politischer Meinungsäußerungen ergeben sich aber aus dem Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot (§ 60 Abs. 2 BBG <juris: BBG 2009>, § 33 Abs. 2 BeamtStG, § 15 SG). Erforderlich ist stets eine umfassende Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls.
2. Der Beamte darf die Organe seines Dienstherrn wegen ihrer Politik nicht in einer Weise in Frage stellen, die den Eindruck entstehen lassen kann, er werde bei seiner Amtsführung nicht loyal gegenüber seinem Dienstherrn und nicht neutral gegenüber jedermann sein oder er werde dienstlichen Anordnungen unter Umständen nicht Folge leisten. Eine weitere Grenze ist dann überschritten, wenn Häufigkeit und Intensität der politischen Äußerungen dazu führen, dass der Dienstbetrieb und die Erledigung der dienstlichen Aufgaben beeinträchtigt werden.
3. Ein in einem Zurruhesetzungsverfahren erstelltes ärztliches Gutachten muss die medizinischen Befunde und ebensolche Schlussfolgerungen so plausibel und nachvollziehbar darlegen, dass die zuständige Behörde auf dieser Grundlage entscheiden kann, ob der Beamte zur Erfüllung der Dienstpflichten seines (abstrakt-funktionellen) Amtes dauernd unfähig ist und ggf. welche Anforderungen oder Einschränkungen aus medizinischer Sicht hinsichtlich einer anderweitigen Verwendung des Beamten auf einem anderen Dienstposten zu stellen sind.
4. Geht es um psychische oder Verhaltensstörungen des Beamten, kann zur Plausibilisierung auf die Kategorien des Kapitels V der Internationalen Klassifikation und verwandten Gesundheitsprobleme (ICD) zurückgegriffen werden. Die Annahme einer Dienstunfähigkeit wegen einer bloßen tätigkeits- oder behördenbezogenen psychischen Beeinträchtigung ("Schülerphobie", "BND-Phobie") - jenseits anerkannter ICD-Klassifikationen - ist rechtlich ausgeschlossen.
Gesetze: § 77 BBG 2009, § 44 BBG 2009, § 60 BBG 2009, § 61 BBG 2009, § 62 BBG 2009, § 60 BDG, § 13 BDG, § 19 BDG, § 2 BDG, § 24 BDG, § 25 BDG, § 27 BDG, § 28 BDG, § 3 BDG, § 33 BDG, § 5 BDG, § 55 BDG, § 56 BDG, § 8 BDG, § 1 BNDG, § 33 BeamtStG, Art 61 GG, Art 33 Abs 5 GG, Art 5 GG, Art 54 GG, § 62 SG, § 15 SG, § 29 VwVfG
Tatbestand
1Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung des Bundesnachrichtendienstes (BND).
2Der Kläger ist Jurist und stand bis zu seiner Zurruhesetzung wegen des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze im Dienst der Beklagten. Seit ... war der Kläger beim BND beschäftigt. Bis zu seiner Umsetzung in die Zentrale des BND leitete er eine Verbindungsstelle des BND. Ferner war er Oberst der Reserve.
3Mitte Oktober 2011 erhielt der BND nach eigener Darstellung von einem Mitarbeiter der Dienststelle des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) in ..., die in derselben Kaserne untergebracht war wie die Dienststelle des BND, Informationen über angebliche Verhaltensweisen des Klägers. Diese Informationen veranlassten den Präsidenten des BND im November 2011 zur Einleitung eines behördlichen Disziplinarverfahrens, über das der Kläger informiert wurde. Ferner erstattete der Präsident des BND Strafanzeige gegen den Kläger. Der BND ging davon aus, der Kläger wolle wegen des drohenden "Untergangs" der Bundesrepublik Deutschland eine paramilitärische Gruppe gründen und habe zu diesem Zweck bereits Waffen gehortet und kistenweise vergraben. Das Disziplinarverfahren wurde ausgesetzt. Im Rahmen des wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurden die Wohnungen des Klägers durchsucht, sein Telefon-, Post-, E-Mail- und Bankverkehr für die Dauer von drei Monaten überwacht und seine Autofahrten mittels heimlich installierter Peilsender kontrolliert. Da die Ermittlungen keinen Hinweis auf ein strafbares Verhalten des Klägers ergeben hatten, stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts im Februar 2013 ein.
4Unter Hinweis auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wurde der Kläger zur Zentrale des BND in Pullach umgesetzt. Dort leistete er krankheitsbedingt keinen Dienst. Der Kläger erhob Widerspruch gegen die Umsetzung, der nicht beschieden wurde. Die im Mai 2014 beim Bundesverwaltungsgericht gegen seine Umsetzung erhobene Klage nahm der Kläger im September 2015 wieder zurück.
5Im Februar 2013 verfügte der Präsident des BND die Fortsetzung des behördlichen Disziplinarverfahrens. Gestützt auf die Zeugenaussagen der Mitarbeiter des Klägers in der BND-Dienststelle in ... dehnte der BND das Disziplinarverfahren mit Schreiben vom Juni 2013 auf weitere Handlungen aus. Aufgrund der Angaben der Zeugen bestünden zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, dass der Kläger durch politische Äußerungen gegen die ihm obliegende Wohlverhaltenspflicht, gegen die Verpflichtung zur politischen Neutralität sowie gegen das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung verstoßen habe. Auch habe er durch das Abspeichern privater Daten auf einem dienstlich bereitgestellten Computer gegen die Vorgaben des BND zur Nutzung dieser Anlagen verstoßen.
6Mit weiterem Schreiben vom ... November 2013 dehnte der BND das Disziplinarverfahren erneut aus. Durch die Teilnahme an einer Kurzzeit-Wehrübung ohne vorherige Mitteilung an den BND sowie die beabsichtigte Teilnahme an einem (ebenfalls als Wehrübung geplanten) Auslandseinsatz in Mazar-e Sharif/Afghanistan in der Zeit vom ... August 2013 bis zum Jahresende 2013 als Verbindungsoffizier zur afghanischen Polizei habe der Kläger gegen die Pflicht zur Gesunderhaltung sowie gegen die Folgepflicht verstoßen.
7Mit Verfügung vom ... Oktober 2014 sprach der Präsident des BND gegen den Kläger nach dessen Anhörung eine Disziplinarmaßnahme in Form einer Kürzung seiner Dienstbezüge um ein Zehntel für die Dauer von 18 Monaten aus. Dabei warf der BND dem Kläger u.a. vor, in einer für einen vorgesetzten Beamten und Leiter einer abgesetzten Dienststelle nicht hinnehmbaren Weise über einen langen Zeitraum bei zahlreichen Gelegenheiten unbotmäßige Kritik an staatlichen Repräsentanten geäußert und darüber hinaus bei mehreren Gelegenheiten ausländerfeindliche Äußerungen und solche gegen Angehörige des muslimischen Glaubens getätigt zu haben.
8Im Widerspruchsbescheid vom ... August 2015 hob der BND die Disziplinarverfügung vom ... Oktober 2014 insoweit auf, als darin eine Kürzung der Dienstbezüge des Klägers um ein Zehntel für einen Zeitraum von mehr als neun Monaten ausgesprochen wird. Im Übrigen wies der BND den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus:
9Der Kläger habe sich im Dienst nahezu täglich in kritischer Weise zur Bundesregierung und zur Person des damaligen Bundespräsidenten geäußert. Er habe die Auffassung vertreten, der Bundespräsident bringe nicht das nötige Format für sein Amt mit. Er habe mehrfach das Bild des Bundespräsidenten aus den Diensträumen entfernt. Er habe als Leiter einer Verbindungsstelle des BND die bei einer politischen Betätigung gebotene Zurückhaltung in grober Weise vermissen lassen. Weniger der Inhalt der Aussagen des Klägers als vielmehr deren Häufigkeit stehe im Vordergrund. Durch die Häufigkeit und Intensität seiner Äußerungen habe der Kläger das zulässige Maß an Kritik an der Regierung bei weitem überschritten. Ein Verstoß des Klägers gegen das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung könne allerdings nicht festgestellt werden. Der Kläger habe auch dadurch gegen die Folgepflicht verstoßen, dass er an einer Kurzzeit-Wehrübung im April 2013 ohne vorherige Anzeige beim BND teilgenommen habe. Auch durch seine Meldung zur Teilnahme an einer Wehrübung in der Zeit vom August bis zum Ende des Jahres 2013 in Mazar-e Sharif habe der Kläger gegen die Wohlverhaltenspflicht sowie gegen die Folgepflicht verstoßen.
10Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor: Nachdem sich die in der Einleitungsverfügung aufgelisteten Vorwürfe als völlig unhaltbar erwiesen hätten, hätte das Disziplinarverfahren eingestellt werden müssen. Bei seinem Vorwurf, der Kläger habe in einer nicht hinnehmbaren Weise unbotmäßige Kritik an staatlichen Repräsentanten geübt, gehe der BND von einer mit dem Grundgesetz unvereinbaren Bild eines Beamten aus. Denn Botmäßigkeit gehöre nicht zu den Pflichten eines Beamten. Auch Vorgesetzten sei es in Diskussionen mit ihren Untergebenen gestattet, sich zu ihrer eigenen Meinung zu bekennen und sich für diese einzusetzen. Eine zu beanstandende konkrete politische Äußerung werfe der BND dem Kläger gerade nicht vor. Da es hinsichtlich des Porträts des Bundespräsidenten keine dienstliche Vorgabe gegeben habe, habe es dem Kläger freigestanden, damit nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu verfahren. Auch habe der BND die dem Kläger unterstellten muslim- oder ausländerfeindlichen Äußerungen nicht hinreichend substanziieren können. Für eine Störung des Arbeitsfriedens gebe es ebenfalls keine stichhaltigen Belege. Zwar sei die Wehrübung in Afghanistan meldepflichtig gewesen. Er habe sich jedoch durch das Verschweigen seiner Einberufung vor einem weiteren Rufmord durch den Präsidenten des BND schützen müssen. Entgegen der gesetzlichen Suchpflicht sei der BND im eingeleiteten Verfahren zur Zwangspensionierung nicht gewillt gewesen, für ihn nach einer anderweitigen Verwendung im Bundesdienst zu suchen. Er habe keine andere Möglichkeit gesehen, dem entgegenzutreten, als mit der Wehrübung in Afghanistan unter Beweis zu stellen, dass er außerhalb des BND sehr wohl verwendungsfähig sei und selbst physisch wie psychisch herausfordernde Aufgaben erfüllen könne.
11Der Kläger beantragt,
die Disziplinarverfügung des Bundesnachrichtendienstes vom Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom August 2015 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13Zwar stehe jedem Beamten das Recht zu, seine politische Ansicht kundzutun und dabei auch Kritik an der Regierung sowie an deren Ausländerpolitik zu üben. Der Vorwurf eines Dienstvergehens folge nicht aus dem Inhalt der Aussagen, sondern aus der Häufigkeit und Intensität der Äußerungen des Klägers, insbesondere der Bekundung seiner ablehnenden Haltung gegenüber Ausländern. Der Verstoß gegen das Mäßigungsgebot ergebe sich auch daraus, dass der Kläger mehrfach das Bild des damaligen Bundespräsidenten aus den Diensträumen entfernt habe. Gerade Beamte mit einer Führungsfunktion wie der Kläger hätten es zu unterlassen, ihren Mitarbeitern die eigene politische Auffassung aufzuoktroyieren. Die geplante mehrmonatige Wehrübung in Afghanistan sei nicht damit zu vereinbaren, dass im amtsärztlichen Gutachten vom Februar 2013 zur Rückfallprophylaxe eine wohnortnahe Verwendung vorgeschlagen worden sei.
14In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Vorwürfe, der Kläger habe den ausschließlich zu dienstlichen Zwecken bereitstehenden Computer der Dienststelle zu privaten Zwecken missbraucht und der Kläger habe es unterlassen, seine Teilnahme an einer Kurzzeit-Wehrübung in Hamburg an einem Wochenende im April 2013 anzuzeigen, nach § 56 Satz 1 BDG aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die dem Senat vorliegenden Akten des behördlichen Disziplinarverfahrens, die Akten der gerichtlichen Verfahren 2 A 3.14, 2 AV 6.13 und 2 AV 8.13 sowie die behördliche Akte zum Verfahren 2 A 3.14 (Umsetzung des Klägers) verwiesen.
Gründe
16Die Klage, für die der Senat nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO erst- und letztinstanzlich zuständig ist, ist zulässig und teilweise begründet. Die Disziplinarverfügung des BND in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist aufzuheben, soweit sie über eine Kürzung der Dienstbezüge des Klägers um ein Zehntel für die Dauer von drei Monaten hinausgeht.
17Nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und § 3 BDG ist Gegenstand der Anfechtungsklage die ursprüngliche Disziplinarverfügung in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Die beiden vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangenen Dienstpflichtverletzungen des Klägers stellen ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG dar, das nach der dem Senat nach § 60 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 BDG obliegenden Maßnahmebemessung mit der Kürzung der Dienstbezüge des Klägers um ein Zehntel für die Dauer von drei Monaten zu ahnden ist. Die Befugnis des Senats zur selbstständigen Bemessung der Disziplinarmaßnahme und damit zur teilweisen Aufhebung der Verfügung folgt aus § 60 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 BDG.
18§ 60 Abs. 3 BDG bestimmt für die Klage gegen eine Disziplinarverfügung, dass das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Disziplinarentscheidung zu überprüfen hat. Das Gericht prüft nicht allein, ob das dem Kläger mit der Disziplinarverfügung vorgeworfene Verhalten tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern es hat unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (§ 88 VwGO) im Interesse der Verfahrensbeschleunigung (§ 4 BDG) auch darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht danach nicht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben.
19Vielmehr übt es in Anwendung der in § 13 Abs. 1 BDG niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung für die Disziplinarmaßnahme vorgegebenen Obergrenze selbst die Disziplinarbefugnis aus. Danach kann das Gericht die angefochtene Disziplinarverfügung zu Gunsten des Klägers abändern und anstelle der verhängten eine mildere Disziplinarmaßnahme aussprechen; eine gegenüber der Verfügung schwerere Maßnahme ist aber ausgeschlossen ( 2 A 4.04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 Rn. 23 m.w.N., vom - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 9 und vom - 2 A 1.12 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 4 Rn. 18).
20Der zwischenzeitliche Eintritt des Klägers in den gesetzlichen Ruhestand ... steht einer disziplinarrechtlichen Ahndung des noch im aktiven Beamtenverhältnis begangenen Dienstvergehens nicht entgegen. Die unveränderte Ausübung der Disziplinarbefugnis findet ihre Rechtfertigung in der Wahrung der Integrität des Beamtentums und des Ansehens des öffentlichen Dienstes sowie in dem Gebot der Gleichbehandlung ( - NVwZ 2002, 467; 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185, Rn. 32 und vom - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 68; Beschluss vom - 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 6).
21§ 5 Abs. 2 BDG beschränkt die gegen Ruhestandsbeamte zu verhängenden Disziplinarmaßnahmen auf die Kürzung und die Aberkennung des Ruhegehalts. Dieser Entscheidung des Gesetzgebers liegt die Erwägung zugrunde, dass durch den Eintritt des Beamten in den Ruhestand das Bedürfnis für eine Pflichtenmahnung entfällt, wenn das im aktiven Dienst begangene Dienstvergehen nicht mindestens eine Kürzung der Bezüge erfordert ( 1 D 10.05 - ZBR 2007, 163 <165>; Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 5 Rn. 8 f.; Weiß, in: GKÖD, Bd. 2, Teil 3, Stand Mai 2016, M § 2 BDG Rn. 15; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand Juli 2017, § 2 Rn. 58). Diese Folgerungen aus § 5 Abs. 2 BDG stehen hier aber der Ahndung des innerdienstlichen Dienstvergehens des Klägers nicht entgegen. Der Senat sieht ebenso wie die Disziplinarverfügung des BND eine Kürzung der Dienstbezüge des Klägers als angemessen an. Die Wirkungen dieser Kürzung auf das Ruhegehalt des Klägers ergeben sich unmittelbar aus § 8 Abs. 2 Satz 2 BDG.
221. Dem behördlichen Disziplinarverfahren haften keine wesentlichen Mängel i.S.d. § 55 BDG an.
23a) Das Disziplinarverfahren ist durch die Verfügung des Präsidenten des BND vom November 2011, über die der Kläger informiert wurde, eingeleitet worden. Anschließend ist das Disziplinarverfahren mehrfach gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BDG auf weitere Vorwürfe ausgedehnt worden. Vor Erlass der Disziplinarverfügung ist dem Kläger auch gemäß § 30 Satz 1 BDG Gelegenheit gegeben worden, sich abschließend zu äußern. Für den Erlass der schließlich ergangenen Disziplinarverfügung (Kürzung der Dienstbezüge um ein Zehntel für die Dauer von 18 Monaten) ist der Präsident des BND nach § 33 Abs. 3 Nr. 2 BDG zuständig. Oberste Dienstbehörde in Bezug auf den BND ist das Bundeskanzleramt; der Präsident des BND ist dem Bundeskanzleramt im Sinne der genannten Vorschrift unmittelbar nachgeordnet. Die Zuständigkeit für den Erlass des Widerspruchsbescheids hat das Bundeskanzleramt als oberste Dienstbehörde nach § 42 Abs. 1 Satz 2 BDG auf den Präsidenten des BND durch die im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Anordnung vom übertragen (BGBl. I S. 560). Da es nicht um eine Disziplinarklage, sondern lediglich um eine Disziplinarverfügung geht, wirkt der Personalrat nicht mit (Umkehrschluss aus § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG).
24b) Der BND hat das Recht des Klägers auf Teilnahme an der Beweisaufnahme nach § 24 Abs. 4 Satz 1 BDG nicht dadurch verletzt, dass er den Kläger von der Vernehmung der Mitarbeiter der BND-Dienststelle durch den Ermittlungsführer im Januar 2012 ausgeschlossen hat. Dieser Ausschluss ist nach § 24 Abs. 4 Satz 2 BDG zulässig.
25§ 24 Abs. 4 Satz 2 BDG sieht vor, dass der betroffene Beamte von der Teilnahme ausgeschlossen werden kann, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Ermittlungen oder zum Schutz der Rechte Dritter, erforderlich ist. Zur Auslegung dieser Bestimmung kann auf die Vorschrift des § 247 StPO Bezug genommen werden (Weiß, in: GKÖD, Bd. II, Teil 4, Stand Mai 2016, M § 24 BDG Rn. 148 f.). Nach § 247 Satz 1 StPO kann das Gericht die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer anordnen, wenn zu befürchten ist, ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die Vernehmung der Zeugen im Januar 2012 gegeben. Denn es handelt sich bei diesen Zeugen um die dem Kläger früher unterstellten Mitarbeiter. Der BND konnte davon ausgehen, dass diese wegen des bisher bestehenden Über-/Unterordnungsverhältnisses bei ihrer Vernehmung in Anwesenheit des Klägers in ihrem Aussageverhalten gehemmt sein könnten.
26c) Über die Anhörung des Klägers durch den Ermittlungsführer im Januar 2012 ist kein Protokoll aufgenommen worden. Hierdurch hat der BND gegen § 28 Satz 1 BDG verstoßen. Dieser Mangel des Disziplinarverfahrens ist aber nicht wesentlich im Sinne von § 55 BDG, weil sich mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass sich dieser Verstoß auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann ( 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 Rn. 19 und vom - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 13).
27Zum einen ging es zum Zeitpunkt der Anhörung des Klägers im Januar 2012 in erster Linie um die Aspekte, die Gegenstand der Einleitungsverfügung vom November 2011 sind. Der BND geht aber selbst davon aus, dass wegen der ursprünglich gegenständlichen Vorwürfe ein Dienstvergehen des Klägers nicht erwiesen ist. Zum anderen konnte der Kläger im Disziplinarverfahren seine Auffassungen zu den beiden letztendlich vom Senat als nachgewiesen angesehenen Dienstpflichtverletzungen (Rn. 32 - 34) mehrfach umfassend darlegen.
28c) Auch der Umstand, dass der BND die Protokolle über die Vernehmungen der Zeugen vom Januar 2012 dem Vertreter des Klägers erst mit Schreiben vom Oktober 2012 übersandt hat, begründet keinen Verfahrensverstoß.
29Nach § 3 BDG finden im Disziplinarverfahren auch die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes Anwendung, soweit sie nicht zu den Bestimmungen des Bundesdisziplinargesetzes in Widerspruch stehen oder nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Das konkrete Vorgehen des BND ist hier durch § 3 BDG i.V.m. § 29 Abs. 2 Alt. 1 VwVfG gerechtfertigt. Die frühere Übersendung der Protokolle über die Vernehmung der ehemaligen Mitarbeiter des Klägers in der BND-Dienststelle in ... an den Kläger hätte die Durchführung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft und die Landespolizeidirektion gefährden können. Ausgehend von den damals gegen den Kläger bestehenden gravierenden Verdachtsmomenten eines Verstoßes gegen das Waffengesetz durfte vor den Durchsuchungen der Wohnungen des Klägers eine Information des Klägers über den genauen Inhalt der Aussagen seiner früheren Mitarbeiter gegenüber dem Ermittlungsführer des BND unterbleiben.
30d) Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat der BND auch nicht gegen die Vorgabe des § 2 Abs. 3 BNDG verstoßen, wonach dem BND polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse nicht zustehen und er die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen darf, zu denen er selbst nicht befugt ist. Der BND hat solche Befugnisse nicht für sich in Anspruch genommen, sondern hat lediglich bei der für die Durchführung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zuständigen Staatsanwaltschaft Strafanzeige erstattet und dieser die ihm zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse übermittelt. Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren in eigener Zuständigkeit und Verantwortung eröffnet und durch die Landespolizeidirektion durchgeführt, ohne dass der BND Herr dieses Ermittlungsverfahrens geworden wäre oder die Staatsanwaltschaft dem BND Amtshilfe geleistet hätte.
31e) Schließlich ist auch der Vorwurf des Klägers unbegründet, der BND habe § 27 Abs. 1 BDG dadurch verletzt, dass er die Staatsanwaltschaft zur Durchsuchung der Wohnungen des Klägers und zu seiner umfassenden Observierung gedrängt habe, um sich dem § 27 Abs. 1 BDG zuwider Beweismaterial für das Disziplinarverfahren zu verschaffen. § 27 BDG ist bereits deshalb nicht verletzt, weil diese Vorschrift Beschlagnahmen und Durchsuchungen im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens auf Antrag der das Disziplinarverfahren betreibenden Behörde betrifft. Hier wurden die Durchsuchungen der Wohnungen des Klägers und die umfassenden Observierungsmaßnahmen im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aufgrund von entsprechenden Beschlüssen des zuständigen Amtsgerichts durchgeführt.
322. Der Senat geht von folgenden disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalten aus:
33a) Im Gemeinschaftsraum der BND-Verbindungsstelle in ... hatte ein Mitarbeiter des BND das von der Zentrale des BND der Dienststelle in ... nach dem zur Verfügung gestellte amtliche Fotoporträt des Bundespräsidenten Wulff aufgehängt, ohne dass der Kläger als Leiter der Dienststelle hiermit befasst war. Aus Kritik an der - nach Ansicht des Klägers zu nachsichtigen und zu defensiven - Haltung des damaligen Bundespräsidenten Wulff zum Islam und an dessen Aussagen zur Bedeutung des Islam für die Bundesrepublik Deutschland im Oktober 2010 sowie wegen der aufgekommenen Korruptionsvorwürfe gegen den damaligen Bundespräsidenten nahm der Kläger das Bild des Bundespräsidenten von der Wand und legte es zunächst in der Teeküche der Dienststelle ab. Nachdem ein Bediensteter des BND das Bild dort aufgefunden und es wieder im Gemeinschaftsraum aufgehängt hatte, hängte der Kläger das Porträt erneut ab und verbrachte es in die Asservaten-/Abstellkammer der Dienststelle.
34b) Aufgrund eines Hinweises der Bundeswehr auf einen Bedarf an entsprechenden Offizieren meldete sich der Kläger ohne vorherige Anzeige beim BND für eine Wehrübung in der Zeit vom August 2013 bis zum Jahresende 2013 in Afghanistan (Mazar-e Sharif). Er wurde dort für die Funktion als Verbindungsoffizier zur afghanischen Polizei eingeplant. Zwar informierte er den Personaloffizier der Bundeswehrdivision über die Gründe seiner Abberufung vom Dienstposten des Leiters der Verbindungsstelle des BND in ... und seiner Umsetzung zur BND-Zentrale in Pullach, sah aber bewusst von einer Benachrichtigung des BND über den geplanten Auslandseinsatz ab. Die dreitägige truppenärztliche Untersuchung durch die Bundeswehr im Juli 2013 ergab die uneingeschränkte Auslandsdienstverwendungsfähigkeit sowie Tropendiensttauglichkeit des Klägers. Nachdem der BND von der geplanten Wehrübung des Klägers erfahren hatte, sprach er sich gegenüber der Bundeswehr gegen seine Teilnahme an der Wehrübung aus. Daraufhin hob die Bundeswehr die Einplanung des Klägers wieder auf.
353. Die Feststellungen zu diesen disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalten beruhen auf den Angaben und Einlassungen des Klägers im behördlichen Disziplinarverfahren und im Klageverfahren.
364. Mit dem festgestellten Verhalten hat der Kläger die ihm obliegenden Dienstpflichten vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft verletzt. Damit hat er ein Dienstvergehen i.S.v. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen.
37a) Hinsichtlich des Umgangs des Klägers mit dem amtlichen Fotoporträt des damaligen Bundespräsidenten scheidet zwar die Annahme eines Verstoßes gegen die Folgepflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG aus. Der Kläger hat aber insoweit die Verpflichtung aus § 60 Abs. 2 BBG zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung sowie die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verletzt.
38aa) Nach den Ermittlungen des Senats bestand für das Aufhängen des Fotoporträts des seit dem amtierenden Bundespräsidenten Wulff in den Diensträumen der BND-Verbindungsstelle in ... keine Richtlinie oder Einzelanordnung des Bundespräsidialamtes, des Bundeskanzleramtes oder des BND. Vielmehr oblag die Entscheidung, ob und ggf. wo das Porträt aufgehängt wurde, dem jeweiligen Dienststellenleiter. Dementsprechend kann das mehrfache Abhängen des Fotoporträts des damaligen Bundespräsidenten Wulff durch den Kläger nicht als Verstoß gegen die Verpflichtung des Beamten aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG gewertet werden, dienstliche Anordnungen seiner Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen.
39Durch das zweifache Entfernen des Bildes aus dem Gemeinschaftsraum der Dienststelle in ... und den achtlosen Umgang mit dem Porträt hat der Kläger aber die Verpflichtung aus § 60 Abs. 2 BBG verletzt. Danach haben Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben. Zugleich hat der Kläger die Verpflichtung aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verletzt, wonach das Verhalten eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert.
40bb) Der Beamte ist auch im Dienst und bei der Ausübung des Dienstes, sofern es nicht um die Amtsführung im Namen des Dienstherrn geht, trotz seiner besonderen Pflichtenstellung Staatsbürger mit den ihm zustehenden Grundrechten, insbesondere der Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG ( - BVerfGE 39, 334 <366 f.> zu Beamten; Kammerbeschluss vom - 2 BvR 111/88 - NJW 1989, 93 f. zu Richtern und Beamten sowie Kammerbeschluss vom - 2 BvR 71/07 - NVwZ-RR 2008, 330 f. zu Soldaten). Dementsprechend darf ein Beamter in privaten Unterhaltungen mit seinen Kollegen während der Dienstzeit auch als Vorgesetzter seine politische Meinung äußern und für diese eintreten (vgl. Plog/Wiedow, BBG, Stand November 2012, Band 1, § 60 Rn. 31; - BVerfGE 28, 36 <49> zu Soldaten). Für Soldaten hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 SG ausdrücklich bestimmt, dass der Soldat sich im Dienst nicht zu Gunsten oder zu Ungunsten einer bestimmten politischen Richtung betätigen darf, sein Recht, im Gespräch mit Kameraden seine eigene Meinung zu äußern, aber unberührt bleibt.
41Das Recht der freien Meinungsäußerung findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG. Allgemeine Gesetze sind solche, die nicht eine Meinung als solche verbieten, sondern dem Schutz eines schlechthin zu schützenden Rechtsguts zu dienen bestimmt sind ( - BVerfGE 97, 125 <146>). Allgemeine Gesetze sind hier die durch Art. 33 Abs. 5 GG gedeckten Regelungen des Beamtenrechts zur Treuepflicht des Beamten, die die Erhaltung eines intakten Beamtentums gewährleisten ( - BVerfGE 39, 334 <366 f.>). Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung ist bei Beamten nur insoweit gewährleistet, als es nicht unvereinbar ist mit dem in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten und für die Erhaltung eines funktionsfähigen Berufsbeamtentums unerlässlichen Pflichtenkreis ( - NVwZ-RR 2008, 657 Rn. 17).
42Die in §§ 60 bis 63 BBG für Bundesbeamte statuierten Verhaltenspflichten müssen im konkreten Fall so bestimmt werden, dass die darin begründeten Schranken des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung ihrerseits im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG auszulegen sind. Erforderlich ist stets eine umfassende Würdigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Dies bedeutet im Einzelnen:
43Das Berufsbeamtentum soll, gegründet auf Sachwissen, fachlicher Leistung und loyaler Pflichterfüllung, eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften bilden. Der Beamte hat seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen, bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen, jeder verfassungsmäßigen Regierung, also nicht einer bestimmten Partei oder Gruppierung loyal zur Verfügung zu stehen und sich innerhalb sowie außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert. Sein dienstliches Verhalten muss sich allein an Sachrichtigkeit, Rechtstreue, Gerechtigkeit, Objektivität und dem Allgemeinwohl orientieren. Diese Verpflichtungen bilden eine wesentliche Grundlage für das Vertrauen der Bürger in die Verwaltung des demokratischen Rechtsstaats. Zu allgemeinpolitischen Fragen darf der Beamte sich in der Öffentlichkeit nur so zurückhaltend äußern, dass das öffentliche Vertrauen in seine unparteiische, gerechte und gemeinwohlorientierte Amtsführung keinen Schaden nimmt. Seine politischen Meinungsäußerungen dürfen nicht Formen annehmen, die den Eindruck entstehen lassen könnten, der Beamte werde bei seiner Amtsführung nicht loyal gegenüber seinem Dienstherrn und nicht neutral gegenüber jedermann sein oder dienstlichen Anordnungen unter Umständen nicht Folge leisten. In diesem Rahmen folgt aus der dem Beamten obliegenden Treuepflicht als hergebrachtem Grundsatz des Berufsbeamtentums, dass die Meinungsäußerungsfreiheit bei Beamten nach Maßgabe der Erfordernisse ihres Amtes Einschränkungen unterliegt (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom - 2 BvR 111/88 - NJW 1989, 93 f. und vom - 2 BvR 1047/06 - NVwZ 2008, 416 f.).
44cc) Daraus folgt zunächst, dass ein Beamter im Rahmen von privaten Gesprächen mit seinen Kollegen im Dienst grundsätzlich auch Kritik am politischen Verhalten von Verfassungsorganen, wie z.B. dem Bundespräsidenten, der Bundesregierung oder einzelnen Ministern, oder auch an der Politik der die Regierung tragenden Parlamentsfraktionen üben darf. Einem Beamten kann danach nicht - wie noch in der Disziplinarverfügung des BND - "unbotmäßige Kritik an staatlichen Repräsentanten" als Dienstpflichtverletzung vorgeworfen werden. "Unbotmäßig" bedeutet nicht nur "aufsässig" oder "ungehorsam", sondern auch "sich nicht so verhalten, wie es von der Obrigkeit gefordert wird". Den Pflichten eines Beamten i.S.v. §§ 60 ff. BBG und §§ 33 ff. BeamtStG, der dem ganzen Volk und nicht einer Partei dient und der seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen hat, steht grundsätzlich nicht entgegen, dass er eine kritische Auffassung zur Politik des Bundespräsidenten, der Regierung oder der Regierungsfraktionen hat und diese im Dienst im Rahmen von privaten Gesprächen mit den Kollegen auch äußert.
45Ungeachtet der grundsätzlichen Freiheit eines Beamten zur Äußerung einer kritischen politischen Ansicht auch im Dienst gegenüber Mitarbeitern und Kollegen ist hier festzustellen, dass der Kläger durch den Umgang mit dem Fotoporträt des damaligen Bundespräsidenten Wulff, in dem der Kläger seine nachhaltige Kritik an der Person und der Haltung des damaligen Bundespräsidenten Wulff zum Islam deutlich zum Ausdruck gebracht hat, die einem Beamten gesetzten Grenzen der zulässigen Meinungsäußerung überschritten hat. Dabei ist für die disziplinarrechtliche Bewertung maßgeblich, wie das Verhalten des Klägers auf einen objektiven unvoreingenommenen und verständigen Betrachter wirkt.
46Vom Gericht nach seinen Motiven für das mehrfache Abhängen des Porträts des damaligen Bundespräsidenten befragt, hat der Kläger ausgeführt, er sei der Auffassung gewesen, das offizielle Bild des Bundespräsidenten habe angesichts der kargen Möblierung des Gemeinschaftsraums der Dienststelle und dessen Funktion als bloßer Pausen-, Frühstücks- und Freizeitraum deplatziert gewirkt. Das Aufhängen des Porträts in diesem Raum sei eine Marginalisierung der Staatssymbolik. Die einsetzende Kritik am damaligen Bundespräsidenten Wulff sei für ihn einer der Anlässe gewesen, über den Umgang mit Staatssymbolen und ihrer Verwendung in eher subalternen Büroräumen nachzudenken.
47Dieses Verteidigungsverhalten des Klägers ist im Disziplinarverfahren zulässig und bewertungsneutral (vgl. 2 B 56.12 - NVwZ 2013, 1093 Rn. 8 bis 11). Die gebotene Würdigung durch das Gericht führt aber dazu, dass dieses Vorbringen das Verhalten des Klägers nicht zu rechtfertigen vermag. Denn der tatsächliche Umgang des Klägers mit dem Fotoporträt ist mit der von ihm behaupteten Wertschätzung des Fotoporträts nicht zu vereinbaren. Wenn ein Beamter das vom Bundespräsidialamt zur Verfügung gestellte offizielle Bild des Bundespräsidenten als Symbol des Staates betrachtet, sich Gedanken über die würdige Verwendung dieses Symbols macht, den derzeitigen Standort als der Bedeutung dieses Symbols nicht angemessen betrachtet, so bemüht er sich gerade in seiner Funktion als Leiter der Dienststelle um eine nach seiner Einschätzung der Bedeutung des Symbols angemessene und würdige Verwendung. Das ist jedenfalls nicht das achtlose Abstellen des Bildes in der Teeküche der Dienststelle oder das Ablegen in einer Abstell-/Asservatenkammer. Hielte man die Einlassung des Klägers insoweit für glaubhaft, hätte es näher gelegen, das Bild an einem anderen, "würdigeren" Ort aufzuhängen (häufig ist dies das Zimmer des Dienststellenleiters).
48Das Abhängen und der achtlose Umgang mit dem Fotoporträt waren vielmehr Ausdruck der nachhaltigen Kritik des Klägers an der Person und den politischen Äußerungen des damaligen Bundespräsidenten Wulff. Dass er das Verhalten des damaligen Bundespräsidenten kritisch beurteilt hat, hat der Kläger schriftlich im Verfahren eingeräumt und auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Er hat dort auch klargestellt, dass Anlass für seine kritische Haltung gegenüber Bundespräsident Wulff nicht nur dessen - nach Ansicht des Klägers zu positive und zu nachsichtige - Einstellung zum Islam war, sondern auch der damals aufgekommene Verdacht der Vorteilsnahme.
49Am Fotoporträt ist die Kritik des Klägers am damaligen Bundespräsidenten Wulff kulminiert. Zunächst hatte der Kläger von den Fotoporträts der Bundespräsidenten keine Notiz genommen. Denn das Aufhängen des Porträts des jeweiligen Amtsinhabers im Gemeinschaftsraum der Dienststelle beruhte auf der Eigeninitiative eines Mitarbeiters. Erst mit dem Aufhängen des Bildes des Bundespräsidenten Wulff im Gemeinschaftsraum der Dienststelle nach dessen Amtsantritt hat sich der Kläger nach seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung für diese Ausstattung des Gemeinschaftsraums der Dienststelle interessiert. Durch das zweifache Abhängen des Fotoporträts und den achtlosen Umgang mit ihm hat der Kläger nach außen plakativ deutlich gemacht, dass diese Person nicht mehr als geeignet angesehen werden kann, das Amt des Bundespräsidenten auszuüben und dessen verfassungsrechtliche Aufgaben wahrzunehmen. In der Klageschrift hat der Kläger das Bild des Bundespräsidenten Wulff als "nicht benötigten" Gegenstand bezeichnet.
50Die Wahl des Bundespräsidenten obliegt der Bundesversammlung (Art. 54 Abs. 1 Satz 1 GG); die Entscheidung über den Verlust des Amtes während der fünfjährigen Amtsperiode trifft allein das Bundesverfassungsgericht (Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GG). Jeder Beamte hat die verfassungsgemäß bestimmten Organe seines Dienstherrn zu respektieren und deren Anordnungen auszuführen. Durch sein Verhalten darf der Beamte nicht den Eindruck erwecken, er behalte sich eine Entscheidung über die Frage vor, ob die verfassungsgemäß bestimmte Person angesichts ihres Verhaltens oder ihrer politischen Ansichten tatsächlich würdig und geeignet ist, das betreffende Amt auszuüben. Denn dies kann den Anschein erwecken, der Beamte werde bei seiner Amtsführung nicht loyal gegenüber seinem Dienstherrn sein und die Vorgaben der Organe seines Dienstherrn befolgen, sondern werde sich eher an seiner privaten Ansicht über die Person und den Charakter des Inhabers eines hohen Staatsamtes orientieren. Es liegt nicht fern, dass durch diesen Anschein bei einem unvoreingenommenen Betrachter der Eindruck erweckt wird, der betreffende Beamte werde sein dienstliches Verhalten an seiner persönlichen Einschätzung und nicht mehr allein an den Gesichtspunkten der Sachrichtigkeit, Rechtstreue, Gerechtigkeit, Objektivität und dem Allgemeinwohl ausrichten. Dies untergräbt das Vertrauen der Bevölkerung in die Verwaltung des demokratischen Rechtsstaats.
51Der Kläger kann zur Rechtfertigung seiner Kritik an der Person des damaligen Bundespräsidenten Wulff - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschehen - nicht darauf verweisen, er habe wegen seiner mehrmaligen Tätigkeit im Bereich der nachrichtendienstlichen Auswertung der Aussagen der im Lager Guantanamo inhaftierten Gefangenen einen sehr guten Überblick über die vom islamistischen Terrorismus konkret ausgehenden Gefahren gehabt und diese Erkenntnisse zur aktuellen Bedrohungslage durch den Islam seien für sein Verhalten in den Gesprächen mit seinen Mitarbeitern und für seine Haltung gegenüber dem damaligen Bundespräsidenten Wulff maßgeblich gewesen. Denn insoweit ist zwischen den Gefahren durch terroristische Bestrebungen, die sich zur Rechtfertigung ihrer Verbrechen auf den von ihnen zielgerichtet interpretierten Koran berufen, und der Religionsgemeinschaft als solcher und deren Verbreitung in der Bundesrepublik zu unterscheiden. Der spätere Bundespräsident Wulff hat weder durch die erstmalige Ernennung einer Muslima zu einer Ministerin eines Landes der Bundesrepublik Deutschland noch durch seine Aussage vom , dass der "Islam inzwischen auch zu Deutschland" gehört, dem islamistischen Terror das Wort geredet oder auch nur die von diesem ausgehenden Gefahren verharmlost. Die Einlassung des Klägers liegt deshalb erkennbar und offensichtlich neben der Sache.
52b) Das bewusste Unterlassen der Mitteilung der Einberufung zu einer mehrmonatigen Wehrübung der Bundeswehr in Afghanistan als Verbindungsoffizier zur afghanischen Polizei gegenüber dem BND verletzt die Folgepflicht des § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG. Danach ist der Beamte verpflichtet, die dienstlichen Anordnungen seines Vorgesetzten auszuführen und dessen allgemeine Richtlinien zu befolgen. Zugleich verletzt es die Verpflichtung des Beamten zu einem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes, das der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG).
53aa) Nach der Verfügung des BND Nr. 47A, Az 60-60 vom i.d.F. ZYF vom , Katalog Nr. N 02 hat ein Bediensteter des BND eine "Einberufung zur Wehrübung, Manöverteilnahme oder ähnlicher Übung" dem BND anzuzeigen und dafür das jeweilige Meldeformular zu verwenden. Der Zweck dieser - für einen Beamten ohnehin selbstverständlichen - Verpflichtung liegt gerade bei einem Auslandsgeheimdienst auf der Hand. Im Interesse der Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags aus § 1 Abs. 2 BNDG muss dem BND jederzeit bekannt sein, wo sich seine Bediensteten aufhalten und in welcher Funktion sie dort jeweils tätig sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Bedienstete längere Zeit - zudem in einer amtlichen Eigenschaft - in einem Krisengebiet im Ausland aufhalten soll.
54Der Kläger hat auch bestätigt, dass ihm diese Verfügung des BND zum Zeitpunkt der Bewerbung bei der Bundeswehr bekannt war. Er hat eingeräumt, gegen diese Verpflichtung, die er bei den früheren zahlreichen Wehrübungen stets beachtet hat, bei dieser Bewerbung bei der Bundeswehr ganz bewusst verstoßen zu haben.
55Welche Gründe die Bundeswehrverwaltung dazu veranlasst haben, nicht umgehend nach der Meldung des Klägers für den Auslandseinsatz in Afghanistan mit dem BND Kontakt aufzunehmen und entsprechend § 62 Abs. 2 Satz 3 SG auf die Zustimmung des BND als Beschäftigungsbehörde des Klägers für die die Dauer von drei Monaten übersteigende Auslandsverwendung hinzuwirken, ist hier unerheblich. Denn maßgeblich ist der Verstoß des Klägers gegen die ihm als Bediensteten des BND obliegende Meldepflicht.
56Der bewusste Verstoß eines Beamten gegen eine konkrete dienstliche Vorgabe seines Dienstherrn erschüttert zugleich das Vertrauen der Allgemeinheit in die berufliche Integrität des Beamten und verletzt damit die aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG folgende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten. Denn dieses Vorgehen des Beamten begründet ernstliche Zweifel der Bevölkerung, dass dieser seinem dienstlichen Auftrag als Sachwalter einer an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung gerecht wird ( 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 24).
57bb) Der BND hat den Kläger nicht durch das Schreiben vom März 2013 von der dem Kläger obliegenden Verpflichtung zur Meldung einer Einberufung zu einer Wehrübung entbunden. Denn dieses Schreiben des BND nimmt zu den grundlegenden dienstlichen Pflichten des Klägers als Bediensteter des BND keine Stellung. Vielmehr ist der Kläger lediglich von der ihm bis dahin im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand auferlegten Verpflichtung freigestellt worden, dem BND monatlich seine Teilnahme an der Behandlung durch einen Neurologen schriftlich nachzuweisen.
58cc) Der Kläger kann schließlich auch nicht geltend machen, sein bewusster Verstoß gegen die Meldepflicht sei als "Notwehr" gegen eine "Rufmord-Kampagne" gerechtfertigt, weil er sich allein auf diese Weise gegen eine weitere Beschädigung seiner Person und seiner Reputation durch den Präsidenten des BND habe wehren können.
59Ist ein Beamter der Auffassung, die zuständige Behörde komme den ihr obliegenden Verpflichtungen nicht vollständig nach, so bedarf es zur Wahrung seiner Rechte keines bewussten Verstoßes gegen die dem Beamten obliegenden Verpflichtungen. Vielmehr hat der Beamte die ihm gesetzlich eingeräumten Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, die tatsächlich einen wirksamen Schutz seiner Rechte gewährleisten.
60Ist ein Beamter der Ansicht, dass sich die Behörde entgegen § 44 Abs. 2 bis 4 BBG nicht ausreichend um seine anderweitige Verwendung bemüht, so kann er dies im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens geltend machen. Kommen, wie hier, zwei eingehende ärztliche Untersuchungen zur körperlichen Gesundheit und zur Verwendungsfähigkeit eines Beamten innerhalb nur eines Monats zu diametral entgegengesetzten Ergebnissen, so hat der Beamte im Zurruhesetzungsverfahren unter Verweis auf das positive ärztliche Gutachten geltend zu machen, die Annahme der zuständigen Behörde, er sei i.S.v. § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG dauernd dienstunfähig, sei unrichtig.
61Einerseits hatte die truppenärztliche Untersuchung des Klägers durch die Bundeswehr Anfang Juli 2013 seine uneingeschränkte Tauglichkeit für den geplanten mehrmonatigen Einsatz in Afghanistan in physischer wie in psychischer Hinsicht ergeben. Demgegenüber war der sozialmedizinische Dienst der ... im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens aufgrund der Begutachtung vom August 2013 unter Mitwirkung einer Ärztin für Neurologie/Psychiatrie und Sozialmedizin zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger sei aufgrund einer irreversiblen Erkrankung aus medizinischer Sicht dauernd dienstunfähig und seine erneute Untersuchung sei wegen dieses Krankheitsbildes entbehrlich.
62Die im Verfahren eingeholten medizinischen Gutachten zum Gesundheitszustand des Klägers und zu den Möglichkeiten seiner weiteren dienstlichen Verwendung sowie die Stellungnahmen der Beteiligten zu diesen Gutachten geben dem Senat im Übrigen Anlass zu folgenden Hinweisen:
63Für die Beurteilung des körperlichen Zustandes oder der Gesundheit eines Beamten bedarf es besonderer medizinischer Sachkunde, über die regelmäßig weder der mit der Entscheidung gemäß § 44 BBG befasste Verwaltungsbeamte noch der Richter verfügt. Das von einem Arzt zu erstellende Gutachten muss so detailliert abgefasst sein, dass die zuständige Behörde auf seiner Grundlage entscheiden kann, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist und ggf. welche Folgerungen aus einer bestehenden Dienstunfähigkeit zu ziehen sind. Dabei darf sich das Gutachten nicht auf die Bekanntgabe der Diagnose beschränken, sondern muss auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe mitteilen, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, sein abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben ( 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 31 und vom - 2 C 37.13 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 7 Rn. 12 und Beschluss vom - 2 B 49.12 - Buchholz 232.0 § 48 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 8 f.).
64In seinem amtsärztlichen Gutachten vom Februar 2013 hat das Gesundheitsamt ... festgestellt, unter fortlaufender psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung sowie fehlender beruflicher Belastung habe sich der Gesundheitszustand des Klägers inzwischen so weit gebessert, dass seine Dienstfähigkeit grundsätzlich wiederhergestellt sei. Um aber die erreichte gesundheitliche Stabilität und Dienstfähigkeit nicht zu gefährden, werde wegen der bei der Anamnese festgestellten spezifischen Belastungsfaktoren während der bisherigen Tätigkeit (beim BND) von amtsärztlicher Seite zur Rückfallprophylaxe die Versetzung zu einer anderen, möglichst wohnortnahen Behörde für erforderlich gehalten.
65Sowohl der BND als auch das Bundeskanzleramt und auch der Kläger sind unter Berufung auf dieses amtsärztliche Gutachten davon ausgegangen, dass der Kläger im gesamten Bereich der Verwaltung des Bundes dienstfähig und verwendbar ist, im Hinblick auf eine weitere Tätigkeit beim BND jedoch dauernde Dienstunfähigkeit besteht. Der Nachweis einer derartigen "BND-Phobie" (vgl. zum Fall einer angeblichen "Schülerphobie" 2 C 37.13 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 7 Rn. 13) entsprechend den genannten Anforderungen an ein ärztliches Gutachten ist der schriftlichen Stellungnahme des Gesundheitsamtes ... vom Februar 2013 und seiner Erläuterung vom März 2013 aber nicht zu entnehmen. Es wird nicht plausibel erläutert, weshalb der Kläger im gesamten Bereich des BND nicht mehr dienstfähig sein soll, während im Übrigen - im Bereich der sonstigen Bundesverwaltung als auch im Bereich der Verwaltung einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechts - zumindest bei wohnortnaher Verwendung volle Dienstfähigkeit bestehen soll. Der BND, der beamtenrechtlich als einheitliche Dienststelle anzusehen ist ( 2 A 8.09 - Buchholz 232 § 55 BBG Nr. 16 Rn. 19 m.w.N.), ist mit seinen ca. 6 500 Beschäftigten und einem Haushaltsvolumen von rund 830 Mio. € (2017) in zahlreichen Bereichen tätig. Die Annahme der dauernden Dienstunfähigkeit eines beim BND verwendeten Beamten i.S.v. § 44 Abs. 1 BBG setzt danach voraus, dass auf sämtlichen Tätigkeitsfeldern des Dienstes kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des betroffenen Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist ( 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 Rn. 14 m.w.N.). Die hierfür erforderliche Bewertung der medizinischen Aspekte muss im ärztlichen Gutachten dargelegt werden. Gerade wenn psychische und Verhaltensstörungen des Beamten in Betracht kommen, bietet es sich an, auf Kapitel V der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (derzeit ICD-10, Version 2016) zurückzugreifen, um die Bewertung durch den Arzt plausibel und für die Behörde wie auch für den Betroffenen nachvollziehbar zu machen. Die Annahme einer Dienstunfähigkeit wegen einer bloßen tätigkeits- oder behördenbezogenen psychischen Beeinträchtigung ("Schülerphobie, "BND-Phobie") - jenseits anerkannter ICD-Klassifikationen - ist rechtlich ausgeschlossen.
665. Im Hinblick auf folgende Sachverhalte kann dagegen eine Dienstpflichtverletzung des Klägers nicht festgestellt werden:
67a) Die schwerwiegenden Vorwürfe des Verstoßes gegen das Waffengesetz und der Gründung einer paramilitärischen Organisation, die ursprünglich Anlass für die Einleitung des Disziplinarverfahrens Ende November 2011 gegeben hatten, sind sämtlich entkräftet. Auch der BND geht davon aus, dass in Bezug auf die in diesem Tatkomplex erhobenen Vorwürfe ein Dienstvergehen des Klägers nicht erwiesen ist.
68b) Im Widerspruchsbescheid und auch in der Klageerwiderung hat der BND geltend gemacht, der Kläger habe durch seine häufigen und intensiven kritischen Äußerungen gegenüber seinen Mitarbeitern in der BND-Dienststelle in ... zum damaligen Bundespräsidenten Wulff, zu dessen Äußerungen zum Islam, zur Ausländerpolitik der Bundesregierung, zur Person und zur Politik der Bundeskanzlerin, zum Islam oder zur Zuwanderung von Personen muslimischen Glaubens und den damit unter Umständen verbundenen Gefahren die ihm obliegende Wohlverhaltenspflicht und das Gebot zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung vorsätzlich und schuldhaft verletzt. Dieser vom BND auch in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltene Vorwurf einer Dienstpflichtverletzung ist unbegründet.
69Wie oben dargelegt (Rn. 40 ff.) kann ein Beamter bei privaten Unterhaltungen mit seinen Kollegen während der Dienstzeit auch als Vorgesetzter seine politische Ansicht äußern und für diese eintreten. Dass der Kläger in diesen Gesprächen mit den Kollegen durch eine einzelne konkrete Äußerung die ihm aufgrund von Art. 33 Abs. 5 GG gesetzten Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit überschritten hätte, wird auch vom BND nicht geltend gemacht. Die häufige und auch intensive Äußerung von politischen Ansichten im Dienst gegenüber Mitarbeitern im Rahmen von privaten Gesprächen, die als solche die Grenzen zulässiger politischer Meinungsäußerung von Beamten nicht überschreiten, kann eine Dienstpflichtverletzung begründen, wenn dies den Dienstbetrieb und die Erledigung der dienstlichen Aufgaben der betreffenden Verwaltungseinheit beeinträchtigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger das Gebot der Zurückhaltung zugleich als Leiter der Dienststelle gegenüber seinen Mitarbeitern oblag.
70Weder lassen sich den vorliegenden Akten entsprechende Anhaltspunkte entnehmen noch hat der BND geltend gemacht, dass der Kläger wegen seiner häufigen und intensiven Ausführungen in der Dienststelle in ... zu allgemeinpolitischen Themen selbst seine dienstlichen Pflichten vernachlässigt hätte. Insbesondere ist der Kläger insoweit nicht als Vorgesetzter aufgetreten und hat nicht etwa seine Mitarbeiter zusammengerufen, um politische Ansprachen zu halten. Vielmehr hat er seine Ansichten anlässlich von nicht dienstlich veranlassten, freiwilligen Zusammenkünften der Bediensteten, wie etwa die morgendliche Kaffeepause oder das Mittagessen, geäußert.
71Auch im Hinblick auf die sonstigen Beschäftigten der BND-Dienststelle des Klägers kann eine Beeinträchtigung des Dienstbetriebs infolge der politischen Äußerungen des Klägers nicht festgestellt werden. Gerade weil es Bediensteten grundsätzlich gestattet ist, gegenüber Kollegen in privaten Gesprächen auch ihre politische Ansicht zu äußern, können die übrigen Beschäftigten vom Dienstherrn oder Arbeitgeber nicht verlangen, von solchen Äußerungen von Kollegen während der Dienstzeit gänzlich verschont zu bleiben. Andererseits ist die Schwelle, ab der solche Äußerungen einen Verstoß gegen das Gebot der Mäßigung und Zurückhaltung begründen, nicht erst dann erreicht, wenn die Situation für die übrigen Mitarbeiter schlicht unerträglich wird und sie etwa gezwungen sind, den Raum zu verlassen, um sich den politischen Ausführungen eines Kollegen zu entziehen. Vielmehr ist ein solcher Verstoß bereits dann anzunehmen, wenn die übrigen Beschäftigten oder die kollegiale Zusammenarbeit in der Dienststelle durch die politischen Äußerungen eines Kollegen erheblich beeinträchtigt werden.
72Die dem Senat vorliegenden Wortprotokolle der Aussagen der im Disziplinarverfahren vernommenen Mitarbeiter des Klägers bieten aber keinen Anlass für eine weitere Aufklärung des Verhaltens des Klägers gegenüber diesen Mitarbeitern. Denn aus ihren umfangreichen und detaillierten Aussagen ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit seinen Äußerungen diese Grenze überschritten hätte.
73Der Kläger hat den Mitarbeitern nicht seine politischen Ansichten im Wege von Vorträgen mit Anwesenheitspflicht aufgezwungen, sondern hat sich lediglich z.B. bei der regelmäßigen Frühstückspause geäußert, bei der die Teilnahme den Mitarbeitern frei stand. Einige Mitarbeiter haben nach eigenem Bekunden bei politischen Äußerungen des Klägers auf "Durchzug" geschaltet und die Ausführungen nach dem Motto "links rein und rechts wieder raus" über sich ergehen lassen. Der Kläger ist auch nicht eingeschritten, wenn Mitarbeiter während seiner Äußerungen den Raum verlassen haben. Eine DVD des Autors Ulkotte mit dem Titel "SOS Abendland - die schleichende Islamisierung Europas" hat der Kläger lediglich interessierten Mitarbeitern vorgeführt und jeweils zur privaten Ansicht überlassen. Auch gab es kein Aufbegehren eines der Mitarbeiter der Dienststelle des BND in ... gegen die politischen Äußerungen des Klägers, sodass ein unverändertes Fortfahren des Klägers als unzulässiges Aufoktroyieren der eigenen Meinung gewertet werden könnte.
74c) Unbegründet ist auch der vom BND noch in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltene Vorwurf, der Kläger habe als Leiter der Dienststelle in ... insbesondere durch häufige "rechtspopulistische" Äußerungen und Schilderung von Untergangsszenarien gegenüber außenstehenden Dritten - auf Veranstaltungen der Bundeswehr, der Verfassungsschutzbehörden verschiedener Bundesländer und der Landeskriminalämter oder von sicherheitsrelevanten Privatunternehmen, wie etwa der ... AG oder der ... AG - die Verpflichtungen zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung (§ 60 Abs. 2 BBG) sowie die Wohlverhaltenspflicht (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) vorsätzlich und schuldhaft verletzt.
75Diesen Vorwurf hat der BND u.a. auf die Bekundungen von mehreren seiner Bediensteten gestützt. Diesen Aussagen kommt jedoch keine eigenständige Bedeutung zu. Denn die Ausführungen der drei Mitarbeiter des BND beruhen nicht auf ihren eigenen Wahrnehmungen hinsichtlich der Aussagen und des Verhaltens des Klägers auf Veranstaltungen von Behörden oder Firmen, sondern ausschließlich auf den - angeblichen - Aussagen des früheren Leiters der ... Dienststelle des MAD gegenüber der damaligen Vorgesetzten des Klägers anlässlich eines Mittagessens im November 2011. Dieser frühere Bedienstete des MAD hat aber sowohl in seiner Vernehmung im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im Dezember 2012 als auch in der Vernehmung durch den Senat auf Antrag des BND (§ 25 Abs. 2 BDG; BVerwG 2 AV 8.13) diese Darstellung hinsichtlich der Äußerungen des Klägers gegenüber Dritten strikt zurückgewiesen. Ferner ist der Mitarbeiter des MAD der Darstellung des BND, seine Beschreibung des Verhaltens des Klägers habe erst Anlass für die Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Kläger gegeben, nachdrücklich entgegengetreten. Darüber hinaus ergeben sich auch aus der weiteren Aussage eines Mitarbeiters der BND-Dienststelle im Disziplinarverfahren, der den Kläger auf Veranstaltungen von Behörden und Firmen begleitet hat, keine Anhaltspunkte für das dem Kläger vom BND insoweit vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten.
766. Das Dienstvergehen ist innerdienstlich, weil das pflichtwidrige Verhalten des Klägers jeweils in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war ( 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 11 m.w.N.).
777. Bei Berücksichtigung sämtlicher bemessungsrelevanter Umstände ist das Dienstvergehen des Klägers mit einer Kürzung seiner Dienstbezüge um ein Zehntel für die Dauer von drei Monaten zu ahnden. Da der Kläger vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Kürzung der Dienstbezüge in den Ruhestand getreten ist, gilt nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BDG eine entsprechende Kürzung seines Ruhegehalts als festgesetzt.
78Welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten. Aus den gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu bestimmen. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Funktionssicherung des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der Obergrenze der Disziplinarverfügung in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten ( 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 16 und vom - 2 A 1.12 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 4 Rn. 48). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies ist dem auch im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geschuldet (vgl. 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> und vom - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 32).
79Die Ausführungen des BND im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens im Hinblick auf die Befassung von Gremien des Deutschen Bundestages mit dem Fall des Klägers sowie die Berichterstattung in den Medien, das Verhalten des Klägers habe das Ansehen des Dienstes in der Öffentlichkeit erheblich beeinträchtigt, geben Anlass zu dem Hinweis, dass Schutzgut der Vorschriften des Beamtengesetzes und des Bundesdisziplinargesetzes über die Sanktionierung von Verstößen gegen die Dienstpflichten von Beamten nicht das Ansehen einer konkreten Behörde in der Öffentlichkeit ist. Vielmehr geht es generell um die Integrität des Berufsbeamtentums und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes als solchem ( 2 A 11.10 - juris Rn. 79 und vom - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 58).
80Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die beiden gleich zu gewichtenden Dienstpflichtverletzungen des Klägers führen ausgehend von ihrer Schwere zu einer Disziplinarmaßnahme im mittleren Bereich, d.h. zu einer Kürzung der Dienstbezüge des Klägers nach § 8 BDG. Eine mittelschwere Disziplinarmaßnahme ist geboten, weil zum einen der achtlose Umgang mit dem Fotoporträt des amtierenden Bundespräsidenten als Zeichen des Protests und des privaten Vorbehalts des Klägers gegen den höchsten Repräsentanten des Staates nicht als Bagatelle angesehen werden kann. Zum anderen ist auch der bewusste Verstoß des Klägers gegen die Verpflichtung zur Meldung einer mehrmonatigen Wehrübung in einem Krisengebiet angesichts der konkreten Umstände disziplinarrechtlich von einigem Gewicht.
81Bei der konkreten Bemessung der Kürzung der Dienstbezüge ist wegen des Verschlechterungsverbots zunächst das im Widerspruchsbescheid noch ausgesprochene Maß zu berücksichtigen. Zu Gunsten des Klägers ist zu beachten, dass im Klageverfahren im Verhältnis zum Widerspruchsbescheid mehrere Handlungen nach § 56 Satz 1 BDG ausgeschlossen worden sind und der Kläger zudem von zwei weiteren, vom BND im Widerspruchsbescheid noch aufrechterhaltenen Vorwürfen der Sache nach freigestellt worden ist. Im Hinblick auf die Gesamtdauer des Disziplinarverfahrens kann dem BND der Zeitraum des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht angelastet werden. Angesichts der damals im Raum stehenden gravierenden Verdachtsmomente gegen den Kläger war es seinerzeit gerechtfertigt, Strafanzeige zu erstatten. Bei Abwägung aller be- und entlastenden Umstände hält der Senat eine Kürzung der Dienstbezüge des Klägers - im unteren Bereich - um ein Zehntel für die Dauer von drei Monaten für erforderlich, aber auch ausreichend.
82Die Kostenentscheidung, die die bereits im Widerspruchsbescheid getroffene Kostenentscheidung berücksichtigt, folgt aus § 77 Abs. 1 BDG und § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das gerichtliche Verfahren bedarf es nach § 78 Satz 1 BDG nicht, weil Gerichtsgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG (Nr. 13) erhoben werden.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:310817U2A6.15.0
Fundstelle(n):
BAAAG-70843