BFH Beschluss v. - VII B 318/00

Gründe

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) mit Verfügung vom wegen rückständiger Einkommen-, Lohn- und Umsatzsteuern 1989 bis 1998 in Höhe von ca. ... DM zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) aufgefordert worden. Vorausgegangen waren fruchtlose Vollstreckungsversuche des FA in Konten, Sachen und Grundstücke der Klägerin. Nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom ) blieb auch die Klage der Klägerin vor dem Finanzgericht (FG) ohne Erfolg.

Das FG urteilte, die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung seien erfüllt, und das FA habe auch das ihm eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Insbesondere sei dem FA die Vermögenslage der Schuldnerin weder aus den Ermittlungen der Betriebs- bzw. der vorangegangenen Steuerfahndungsprüfung noch aus den freiwilligen Angaben der Klägerin im Vollstreckungsverfahren zuverlässig bekannt gewesen. Das Ermessen des FA sei im Anwendungsbereich des § 284 AO 1977 auch nicht in der Weise reduziert, dass es zunächst eine auf § 249 Abs. 2 AO 1977 gestützte Versicherung an Eides statt ohne die Folge der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis hätte anordnen müssen, denn nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung , der das FG folge, lasse sich weder aus der AO 1977 noch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine solche Stufenfolge für ein ermessensgerechtes Vorgehen der Behörde ableiten. Die auf § 284 AO 1977 gestützte Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sei gegenüber einem Vorgehen nach § 249 AO 1977 als das wirksamere Mittel zur Aufdeckung sämtlicher Vermögenswerte anzusehen und daher grundsätzlich ermessensgerecht. Gründe, nach denen dies im Streitfall nicht gelte, ergäben sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch nach Lage der Akten.

Ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und die Versicherung von dessen Richtigkeit an Eides statt nach § 249 AO 1977 das mildere Mittel im Vergleich zu § 284 AO 1977 darstelle, mithin im Rahmen der Ermessensausübung bei § 284 AO 1977 zu berücksichtigen sei. Zur Entscheidung stehe ferner die Rechtsfrage, ob der grundsätzliche Vorrang des § 284 AO 1977 vor einer Maßnahme nach § 249 Abs. 2, § 95 AO 1977 einen Verstoß gegen das Prinzip der Erforderlichkeit hoheitlichen Handelns darstelle. Der grundsätzlichen Bedeutung stehe nicht entgegen, dass es bereits eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in dieser Frage gebe, da zwischenzeitlich in der Literatur beachtliche Argumente gegen diese Rechtsprechung vorgetragen worden seien, die nicht in die Erwägungen des BFH einbezogen gewesen seien. Dies führt die Klägerin in ihrer Beschwerde im Einzelnen aus. Sie ist der Ansicht, dem BFH sei durch Zulassung eines Revisionsverfahrens Gelegenheit zu geben, die Vielzahl der verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen und zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es ist der Auffassung, die Rechtsprechung des BFH sei so gefestigt, dass den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen auch unter Berücksichtigung der angeführten Literaturstimmen eine grundsätzliche Bedeutung nicht zugemessen werden könne. Im Übrigen sei anzumerken, dass weder der BFH noch das FG in der angefochtenen Entscheidung entschieden hätten, dass § 284 AO 1977 grundsätzlich Vorrang vor einer Maßnahme nach § 249 Abs. 2, § 95 AO 1977 habe. Der BFH habe lediglich entschieden, dass es nicht ermessensmissbräuchlich sei, § 284 AO 1977 im Einzelfall vorrangig einzusetzen. Das FA könne daher im Einzelfall entscheiden, welcher Vorschrift es den Vorrang gebe.

Die Beschwerde, deren Zulässigkeit noch nach den Maßstäben der bis zum geltenden Fassung der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu beurteilen ist, hat keinen Erfolg. Den von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen, die im Grunde als Einheit anzusehen und zu behandeln sind, kommt eine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht zu. Die von der Klägerin unter Berufung auf das Schrifttum aufgezeigten Gesichtspunkte sind nicht geeignet, Zweifel an der gefestigten einschlägigen Rechtsprechung des BFH hervorzurufen, die es angezeigt erscheinen ließen, diese Fragen in einem Revisionsverfahren erneut einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.

1. Mit Urteil vom VII R 34/90 (BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57) hat der Senat unter ausführlicher Auseinandersetzung mit abweichenden Ansichten in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum grundlegend entschieden, dass eine pflichtgemäße Ermessensausübung nach § 284 Abs. 2 AO 1977 (seit § 284 Abs. 3 AO 1977) nicht voraussetzt, dass die Finanzbehörde zuvor vergeblich versucht hat, vom Vollstreckungsschuldner eine Versicherung an Eides statt nach §§ 249 Abs. 2, 95 AO 1977 (also ohne die Folge der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis) zu erhalten. Die Finanzbehörde muss sich auch nicht auf ein freiwilliges Angebot des Vollstreckungsschuldners zur Abgabe einer solchen nicht mit der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis bewehrten eidesstattlichen Versicherung einlassen. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass sich eine solche Stufenfolge für ein ermessensgerechtes Vorgehen weder aus der Gesetzessystematik mitsamt ihrer Entstehungsgeschichte noch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ableiten lässt.

Obschon diese Entscheidung im Schrifttum teilweise Kritik und Ablehnung erfahren hat (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-

Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 284 AO 1977 Tz. 13; App, Nochmals: Zwei Wege zur Versicherung der Richtigkeit eines Vermögensverzeichnisses an Eides statt, Deutsche Steuer-Zeitschrift —DStZ— 1992, 592; Carl und App, jeweils in Urteilsanmerkungen zu BFH VII R 34/90 in Steuerrechtsprechung in Karteiform —StRK—, Abgabenordnung, § 284, Rechtsspruch 7), hat der Senat, ohne auf diese Kritik näher einzugehen, diese Rechtsprechung in einer Kette späterer Entscheidungen bestätigt (vgl. die Hinweise bei Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 284 AO 1977 Rz. 12 mit Fn. 6, und zuletzt —dort noch nicht berücksichtigt— die Senatsbeschlüsse vom VII B 188/98, BFH/NV 1999, 737, und vom VII B 307/98, BFH/NV 1999, 1302).

2. Diese Kritik, die die Klägerin in ihrem Beschwerdevortrag sich zu Eigen macht, ist nicht geeignet, den Senat von dem eingeschlagenen Weg abzubringen.

a) Im Ausgangspunkt geht die Rechtsprechung des Senats davon aus, dass ”es sich bei § 284 AO 1977 im Rahmen der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen um eine den allgemeinen Vorschriften vorgehende Spezialvorschrift handelt” (BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57). An dieser auf die Gesetzessystematik und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gestützten Auffassung ist festzuhalten. Wie App (DStZ 1992, 592) richtig bemerkt, ergibt sich der Bezug auf das bewegliche Vermögen sachlich schon daraus, dass die Finanzbehörde im Regelfall zu einem Vorgehen nach § 284 AO 1977 nur berechtigt ist, wenn sie zuvor vergeblich wenigstens einen Vollstreckungsversuch in das bewegliche Vermögen des Vollstreckungsschuldners unternommen hat, der entweder nicht zu einer vollständigen Befriedigung geführt hat (§ 284 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) oder bei dem der Vollstreckungsschuldner die Durchsuchung verweigert hat (Nr. 3 dieser Vorschrift) oder wiederholt vom Vollziehungsbeamten unter bestimmten Voraussetzungen nicht in seinen Wohn- oder Geschäftsräumen angetroffen worden ist (Nr. 4). Auf einen solchen Vollstreckungsversuch wird ausnahmsweise nur dann verzichtet, wenn die Vollstreckungsbehörde von vornherein von einer Erfolglosigkeit der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen ausgehen darf (§ 284 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977). Eine Anwendung des § 284 AO 1977 setzt mithin voraus, dass das Vollstreckungsverfahren in Gang gesetzt und ein Vollstreckungsversuch in das bewegliche Vermögen fruchtlos verlaufen ist bzw. aussichtslos erscheint.

Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 i.V.m. § 95 AO 1977 hingegen kann die Finanzbehörde ”zur Vorbereitung der Vollstreckung” die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermitteln und sich ggf. die Richtigkeit der vom Schuldner hierzu gemachten Angaben an Eides statt versichern lassen, wenn andere Mittel zur Erforschung der Wahrheit nicht vorhanden sind, fruchtlos waren oder unverhältnismäßig wären. Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 249 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ergibt, ist hier ein Vollstreckungsverfahren noch nicht eingeleitet. Die Steuerangelegenheit befindet sich noch im Vorstadium der Vollstreckung. Der von § 249 Abs. 2 AO 1977 geregelte Tätigkeitsbereich der Verwaltung ist ein eigenständiger und gehört jedenfalls noch nicht zur Vollstreckung (Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 249 AO 1977 Rz. 51 f.; Müller-Eiselt, a.a.O., § 284 Rz. 12 Fn. 8).

Wenn das Gesetz mithin dem § 284 AO 1977 einerseits und dem § 249 Abs. 2, § 95 AO 1977 andererseits einen unterschiedlichen Anwendungsbereich zumisst, so ergibt sich daraus —neben den bereits in BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57 angeführten Gründen— ein weiteres Argument für die Richtigkeit der Auffassung, dass § 284 AO 1977 eine im Rahmen der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen den allgemeinen Vorschriften, zu denen § 249 Abs. 2 i.V.m. § 95 AO 1977 zählt, vorgehende Spezialvorschrift ist. Wenn dies aber so ist und die Vollstreckungsbehörde bereits in diesem speziell geregelten Bereich agiert, so besteht für sie keine Veranlassung, bei der Ausübung ihres Ermessens auch solche Überlegungen einfließen zu lassen, die einen anderen Tätigkeitsbereich, nämlich das Vorstadium der Vollstreckung, betreffen. Ihre Ermessenserwägungen dürfen sich auf den einmal eingeschlagenen Weg, d.h. den konkreten Anwendungsbereich des § 284 AO 1977, beschränken. Der Vollstreckungsschuldner kann daher letztlich keinen Anspruch dahin gehend haben, dass die Behörde ihr Vorgehen nach § 284 AO 1977 abbricht und sich wieder in das Vorstadium der Vollstreckung zurückbegibt. Aus diesem Grund braucht die Behörde auch nicht auf ein freiwilliges Angebot des Vollstreckungsschuldners, die Versicherung nach § 249 Abs. 2 i.V.m. § 95 AO 1977 abzugeben, einzugehen. Dies ist kein taugliches Austauschmittel (a.A. App, Urteilsanmerkung in StRK, Abgabenordnung, § 284, Rechtsspruch 7).

Etwas anderes ist es, wenn die Vollstreckungsbehörde von sich aus, weil sie es für zweckmäßig erachtet, die begonnene Vollstreckung abbricht und im Vorstadium der Vollstreckung wieder von vorne beginnt. Dann wäre es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Vollstreckungsbehörde es für tunlich erachtete, zwecks Vorbereitung eines (erneuten) Vollstreckungsversuchs Erkundigungen beim Vollstreckungsschuldner über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse einzuholen und sich die Erklärungen des Vollstreckungsschuldners hierzu ggf. mit der Versicherung an Eides statt nach § 95 AO 1977 bekräftigen zu lassen (so schon BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57). Von einem ”grundsätzlichen” Vorrang des § 284 AO 1977 vor einer Maßnahme nach § 249 Abs. 2, § 95 AO 1977, wie die Klägerin in ihrer zweiten Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung behauptet, kann daher so allgemein keine Rede sein.

b) Diese Auffassung des Senats verstößt, wie das von der Klägerin zitierte Schrifttum in einem zweiten Kritikpunkt durchgängig behauptet (vgl. insbesondere Tipke/Kruse, a.a.O., § 284 AO 1977 Tz. 13; Carl, Urteilsanmerkung in StRK, Abgabenordnung, § 284, Rechtsspruch 7), auch nicht gegen den kraft Verfassungsrechts zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das kann, abgesehen von der wegen des unterschiedlichen Anwendungsbereichs fehlenden Stufenfolge der beiden Regelungen, schon deshalb nicht der Fall sein, weil die Vollstreckungsbehörde im Anwendungsbereich des § 284 AO 1977 permanent ihr Ermessen dahin gehend auszuüben hat, ob aufgrund der gesamten Umstände des Falles von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung abgesehen werden kann. Nach § 284 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 ist dies, wie sich aus dem Zusammenhang mit Satz 1 dieser Vorschrift ergibt, sogar noch dann möglich und eine entsprechende Prüfung geboten, wenn der Vollstreckungsschuldner bereits das von ihm geforderte Vermögensverzeichnis abgegeben hat. Sieht die Vollstreckungsbehörde im Rahmen des Verfahrens nach § 284 AO 1977 von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ab, so stünde der Vollstreckungsschuldner im Ergebnis sogar noch besser als derjenige, der aufgefordert ist oder anbietet, hinsichtlich des Bestands seines Vermögens eine Versicherung an Eides statt nach § 95 AO 1977 abzugeben, denn ihm bliebe die Abgabe der Versicherung dann vollends erspart.

Da mithin Aufbau und Struktur der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO 1977 (s. dazu den Senatsbeschluss vom VII B 206/00, BFH/NV 2001, 577) schon in sich in ausreichendem Maße dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen, bedarf es keiner Vermengung der beiden unterschiedlichen Regelungsbereiche in der Weise, dass diese vor dem Hintergrund eines Verfassungsgrundsatzes zueinander in ein Rang- bzw. Stufenverhältnis zu setzen wären und dabei ggf. sogar austauschbar sein sollten.

Ob die Vollstreckungsbehörde ihrer Prüfungspflicht, ob von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 abgesehen werden kann, immer in ausreichender Weise nachkommt, kann nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sein. Der Senat verkennt aber nicht, dass hier die Gefahr eines gewissen Automatismus besteht, da die Aufforderungen an den Vollstreckungsschuldner, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und dessen Richtigkeit zu Protokoll an Eides statt zu versichern, grundsätzlich als Einheit anzusehen sind und in einer Verfügung, der Ladung zu dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, erfolgen dürfen (Senat in BFH/NV 2001, 577). Gleichwohl ist dieser zweite Akt der eidesstattlichen Versicherung, nämlich deren förmliche Abgabe, aufschiebend bedingt durch die Erfüllung des ersten Aktes der eidesstattlichen Versicherung, der Vorlage des Vermögensverzeichnisses durch den Vollstreckungsschuldner, und durch die in erneuter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (zum ”doppelten Ermessen” im Rahmen des § 284 AO 1977 s. Müller-Eiselt, a.a.O., § 284 AO 1977 Rz. 53) getroffene Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, nicht von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung abzusehen (BFH/NV 2001, 577).

Ob die Vollstreckungsbehörde dieses Ermessen auch ausgeübt hat, ist von den Gerichten zu überprüfen. Der Senat ist der Auffassung, dass dabei neben der subjektiven Überzeugung der Behörde, dass das vom Vollstreckungsschuldner gefertigte Vermögensverzeichnis vollständig und richtig ist, auch objektive Gesichtspunkte eine Rolle spielen können. So wird die Behörde insbesondere dann in eine Prüfung, ob von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung abgesehen werden kann, eintreten müssen, wenn die rückständigen Steuerschulden (ohne die steuerlichen Nebenleistungen) in ihrer Höhe gering sind (der Senat denkt hier, ohne sich festlegen zu wollen, an eine Grenze von künftig 10 000 EUR, wenn die Rückstände bestandskräftig festgesetzt sind; bei nicht bestandskräftig festgesetzten Rückständen ist sogar eine noch höhere Betragsgrenze denkbar), der Schuldner in der Vergangenheit bereits Tilgungsleistungen erbracht hat, so dass sich die Schuld bereits verringert hat, und zu erwarten ist, dass sich die Rückstände durch regelmäßige Tilgungsleistungen (ggf. nach vorgelegtem, von dem Kreditinstitut des Schuldners bereits gebilligten Tilgungsplan) auch weiterhin vermindern werden. Unter solchen oder ähnlichen Umständen, wenn also die Prognoseentscheidung für den Vollstreckungsschuldner günstig ausfällt oder erscheint, wird man von der Vollstreckungsbehörde auch erwarten dürfen, dass sie ihre ablehnende Entscheidung, bei im Rahmen des § 284 AO 1977 vorgelegtem Vermögensverzeichnis nicht von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung abzusehen, an geeigneter Stelle auch schriftlich in knapper Form begründet, um den Gerichten die Möglichkeit der Überprüfung zu geben, ob das Ermessen pflichtgemäß ausgeübt worden ist. Bei einem solchen Vorgehen im Rahmen des § 284 AO 1977 —davon ist der Senat überzeugt— wird die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, wie von der Klägerin unter Bezugnahme auf das Schrifttum (z.B. Müller-Eiselt, a.a.O., § 284 AO 1977 Rz. 12) gefordert, auch im eigenen Interesse der Behörde, stets nur die ”ultima ratio” sein. Weiterer Ausführungen hierzu bedarf es vorliegend nicht, da sich im Streitfall die Frage einer erneuten Ermessensausübung der Vollstreckungsbehörde gemäß § 284 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 ohnehin nicht stellt, da die Klägerin nicht einmal ein Vermögensverzeichnis abgegeben hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 617 Nr. 5
HAAAA-68708