BFH Beschluss v. - VII B 184/01

Gründe

I. Am ... Juli 1996 wurden zwischen der angegebenen Ladung eines im Versandverfahren mit Carnet TIR fahrenden LKW 360 000 Stück Zigaretten aufgefunden, die im Carnet nicht aufgeführt waren. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Inhaberin des Carnet. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) nahm die Klägerin mit Steuerbescheid vom…für die auf den Zigaretten lastende Tabaksteuer in Höhe von ... DM in Anspruch. Mit Schreiben vom…beantragte die Klägerin aufgrund der erfolgten Beschlagnahme, Einziehung und Vernichtung der Zigaretten den Erlass der Tabaksteuer. Das HZA lehnte den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom…ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Nach den Ausführungen des Finanzgerichts (FG) hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erlass der Tabaksteuer gemäß § 22 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) i.d.F. des Art. 1 des Verbrauchsteuer-Binnenmarkgesetzes vom (BGBl I 1992, 2150), § 101 der Finanzgerichtsordnung (FGO). § 22 TabStG beziehe sich nämlich nicht auf die Einfuhr aus einem Drittland, sondern nur auf den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten.

Hiergegen richtet sich die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und die Notwendigkeit zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützte, eingehend begründete Beschwerde der Klägerin, mit der sie die Zulassung der Revision gegen das Urteil des FG begehrt.

Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen, die sie für von grundsätzlicher Bedeutung hält, haben zum Ziel, das Verhältnis der Bestimmungen des § 21 und des § 22 TabStG zueinander zu klären, das nach Meinung der Klägerin bisher weder durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch durch die einschlägige Literatur geklärt worden sei. Das gelte auch für die Frage, ob der Steuererhebung nach dem TabStG eine Straffunktion zukommen könne.

Aus Gründen der Rechtsfortbildung sei die Revision zuzulassen, um zu vermeiden, dass weitere FG trotz Schaffung des Binnenmarktes zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) zum davon ausgehen, dass im Warenverkehr zwischen diesen Mitgliedstaaten ”Einfuhren” erfolgen. Darüber hinaus diene es der Rechtsfortbildung, das Konkurrenzverhältnis zwischen § 21 und § 22 Abs. 1 Satz 2 TabStG und die Frage zu klären, ob der Erlass der Tabaksteuer für eine vernichtete Ware entgegen der Auffassung im neueren Schrifttum verweigert werden könne, weil sich das FG mit den insoweit im Schrifttum geäußerten Bedenken nicht auseinandersetze.

Nach Auffassung des HZA könne die Beschwerde keinen Erfolg haben, weil das Urteil nicht auf einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beruhe und es daher auch keiner Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Rechtsfortbildung bedürfe.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil die Rechtssache nicht die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren auch nicht zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist.

1. An der von der Klägerin behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen fehlt es, weil sie nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig sind. Ihre Beantwortung ergibt sich, ohne dass eine weitere Prüfung im Revisionsverfahren erforderlich ist, eindeutig aus den maßgebenden Vorschriften. Auch soweit das FG sie unzutreffend beantwortet hat, ist im Ergebnis keine andere Entscheidung als die, welche das FG getroffen hat, möglich.

a) Die Antwort auf die von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfragen

- Ist eine Person ”Einführer” i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 2 TabStG, wenn sie Tabakwaren aus anderen Mitgliedstaaten der EG in das Steuergebiet verbringt oder ist sie nur dann ”Einführer”, wenn sie Tabakwaren aus Drittländern in das Steuergebiet verbringt?

- Folgt aus der fehlenden Verweisung auf die für das Erlöschen durch Einziehung geltenden Vorschriften (§ 21 TabStG), dass eingeführte Tabakwaren, die eingezogen und unter Steueraufsicht vernichtet werden, vom Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 Satz 2 TabStG ausgeschlossen sind?

ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut und der Systematik der §§ 21, 22 TabStG, mit denen Art. 5 und 22 der Richtlinie 92/12/EWG (Richtlinie 92/12) des Rates vom über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 76/1) in nationales Recht umgesetzt worden sind.

Der in § 22 Abs. 1 Satz 2 TabStG verwendete Begriff des Einführers kann danach nur so verstanden werden, dass er mit dem in Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 Richtlinie 92/12 definierten Begriff der ”Einfuhr” korrespondiert. ”Einführer” von Tabakwaren i.S. des § 22 TabStG ist danach nur derjenige, der Waren in das Gebiet der Gemeinschaft aus einem Drittland, einem Gebiet der Gemeinschaft, in dem die Richtlinie 92/12 nicht gilt, oder aus den Kanalinseln in das übrige Gebiet der Gemeinschaft verbringt. Denn nach Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 Richtlinie 92/12 gilt als Einfuhr einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware das Verbringen dieser Ware in die Gemeinschaft einschließlich des Verbringens aus einem der gemäß Art. 2 Abs. 1 bis 3 ausgenommenen Gebiete oder den Kanalinseln. Abgesehen von den zuvor genannten Ausnahmen wird der Begriff des ”Einführers” danach —anders als das FG meint— nicht im Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gebraucht. Dass der Begriff der ”Einfuhr” und damit auch der des ”Einführers” von den ausdrücklich genannten —hier nicht in Betracht kommenden— Ausnahmen abgesehen nur drittlandsbezogen zu verstehen ist, folgt auch aus § 21 TabStG. Danach wird der Begriff der Einfuhr nur bezogen auf das Verbringen von Tabakwaren aus den in § 2 Abs. 6 TabStG genannten Gebieten (u.a. Drittländer) verwendet. § 22 TabStG unterscheidet zwischen dem Einführer in dem genannten Sinne einerseits und dem ”Empfänger” andererseits. Nur auf den Empfänger, nicht aber auf den Einführer, beziehen sich somit die in § 22 Abs. 1 TabStG diesem Begriff folgenden Worte ”von aus anderen Mitgliedstaaten verbrachten Tabakwaren”.

Auch wenn der Begriff des ”Einführers” nach § 22 TabStG sich somit auf die Einfuhr aus einem Drittland bezieht, wie sie im Streitfall in Rede steht, folgt daraus noch nicht, dass sich die Klägerin für ihr Begehren, ihr die Tabaksteuer zu erlassen, auf § 22 TabStG berufen kann. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift (§ 22 Abs. 1 Satz 2 TabStG) wird die Steuer nur erlassen, wenn die vom Einführer eingeführten Tabakwaren unter Steueraufsicht vernichtet oder, was hier nicht in Betracht kommt, vergällt werden. Im Streitfall sind die Zigaretten aber beschlagnahmt und anschließend eingezogen worden. Dieser Fall wird von der genannten Bestimmung nicht erfasst. Dass die Zigaretten im Anschluss an die Einziehung vernichtet worden sind, ist im Rahmen dieser Vorschrift unerheblich. Denn zum Zeitpunkt der Vernichtung hatte die Klägerin als Folge der Einziehung der Zigaretten keine Verfügungsgewalt mehr über diese. Der Umstand, dass die Zigaretten vernichtet wurden, kann ihr somit nicht mehr zugerechnet werden. Der Fall der Einziehung der Zigaretten ist dagegen in § 21 TabStG geregelt, der im Falle der Einfuhr die sinngemäße Anwendung von Zollvorschriften für die Entstehung und das Erlöschen der Steuer vorschreibt. Allerdings nimmt diese Bestimmung den Fall der Einziehung ausdrücklich von den Fällen aus, in denen die Steuer in sinngemäßer Anwendung des Art. 233 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex) des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302/1) erlischt.

b) Die weiter von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob es mit dem Verbrauchsteuercharakter des TabStG vereinbar ist, Tabaksteuer auf eine Ware zu erheben, die infolge ihrer Vernichtung unter Steueraufsicht nachweislich nicht verbraucht werden kann, ist nicht entscheidungserheblich. Denn die Zigaretten sind erst vernichtet worden, als sie sich wegen der erfolgten Einziehung nicht mehr in der Verfügungsgewalt der Klägerin befanden. Deshalb kann der Klägerin die Vernichtung der Zigaretten —wie bereits erwähnt— nicht mehr zugerechnet werden. Die Frage nach den Auswirkungen der Vernichtung der Zigaretten auf die Inanspruchnahme der Klägerin für die Tabaksteuer oder im Hinblick auf deren etwaigen Erlass kann sich daher in einem Revisionsverfahren nicht stellen.

Allerdings stellt sich die gleiche Frage auch im Hinblick auf die Einziehung der Zigaretten. Denn auch in diesem Fall sind die Zigaretten in der Regel nicht mehr Gegenstand des Verbrauchs im Inland, dessen Besteuerung die Tabaksteuer dient. Der Grund für die dennoch gesetzlich eindeutig durch § 21 TabStG vorgeschriebene Besteuerung der Zigaretten dürfte in einer vom Gesetzgeber dadurch erhofften Sanktions- und Präventionswirkung liegen (vgl. Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, 1997, S. 236). Insoweit beschränken sich die Ausführungen der Klägerin allein darauf, die Frage zu stellen, ob das TabStG eine derartige verschuldensunabhängige Sanktion treffen darf. Sie geht aber nicht, wie das zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung insoweit erforderlich gewesen wäre, darauf ein, ob dies etwa mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Nur wenn dies zweifelhaft sein sollte, was angesichts des eindeutigen gesetzlichen Wortlauts einer eingehenden Darlegung bedurft hätte, käme nämlich eine höchstrichterliche Klärung der Frage in Betracht, ob § 21 TabStG insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

2. Da der Senat die Rechtslage als klar und eindeutig ansieht, ist die Revision auch zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) nicht zuzulassen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1186 Nr. 9
NAAAA-68664