Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ließ in dem Zeitraum von Oktober 1995 bis November 1996 bedruckte Lose aus der Volksrepublik China einführen und meldete diese unter der Unterpos. 4823 90 90 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Die Lose (5 bis 10 Stück) waren in einer Kunststofftüte verpackt. Die Hälfte der Lose waren Nieten, die entweder keinen Aufdruckpunkt aufwiesen oder mit dem Aufdruck ”Sie haben leider nicht gewonnen” versehen waren. Die andere Hälfte der Lose war mit Ziffern bedruckt, die bestimmten Gewinnen (Werbegeschenken) zuzuordnen waren. Die Losbeutel wurden Katalogen als Werbemaßnahme beigefügt.
Im Anschluss an eine Außenprüfung kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) zu dem Ergebnis, dass die Lose in die Unterpos. 4911 99 00 KN einzureihen seien. Das HZA forderte deshalb mit Steueränderungsbescheid vom ... DM Zoll von der Klägerin nach.
Nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom ) erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG). Das FG wies die Klage ab und bestätigte die Einreihung durch das HZA. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Lose seien nach der Anm. 11 zu Kap. 48 KN in die Unterpos. 4911 99 00 KN einzureihen. Die Anm. 11 zu Kap. 48 KN weise Papiere und Waren aus Papier mit Aufdrucken, die im Hinblick auf ihre eigentliche Zweckbestimmung nicht nebensächlicher Art seien, dem Kap. 49 KN zu. Der Aufdruck auf den Losen sei nicht nur nebensächlich, weil sich hieraus ergebe, ob das Los eine Niete sei oder einen Gewinn ausweise. Ferner ergebe sich aus den aufgedruckten Ziffern die Art des Gewinns. Die spätere Ergänzung der Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Pos. 4911 Rz. 15.7 sei lediglich klarstellend.
Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil die Voraussetzungen für ein Absehen von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex —ZK—) des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 302/1) nicht erfüllt seien. Ein aktiver Irrtum des HZA liege nicht vor. Ein etwaiger Irrtum, der dem Hauptzollamt X bei einer Paralleleinfuhr unterlaufen sei, könne dem HZA nicht zugerechnet werden. Jedenfalls wäre ein beachtlicher Irrtum des HZA für die Klägerin im Hinblick auf die Anm. 11 zu Kap. 48 KN erkennbar gewesen. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass Unsicherheiten hinsichtlich der Tarifierung der Lose bestanden hätten. Diese Unsicherheiten habe sie durch die Einholung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) klären lassen müssen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Sie macht geltend, das Urteil des FG begegne erheblichen zolltarifrechtlichen Bedenken. Ihre differenzierte Klagebegründung zur zweifelhaften Tarifierung und Unzulässigkeit der nachträglichen buchmäßigen Erfassung sei vom FG übergangen worden. Die Auffassung des FG, die spätere Ergänzung der ErlHS zu Pos. 4911 Rz. 15.7 sei lediglich klarstellend, möge zwar nicht unzutreffend sein. Damit sei jedoch noch nicht die grundsätzliche Frage beantwortet, ob ihr in entsprechender Anwendung des ”Art. 12 V ii zweiter Spiegelstrich” ZK Vertrauensschutz für die Vergangenheit zu gewähren sei. Selbst nach Ansicht des Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung —VSF— N 38 96 Nr. 295) sei bei einer Änderung von Einreihungsverordnungen für die Vergangenheit Vertrauensschutz zuzubilligen. Grundsätzlich klärungsbedürftig sei zudem die Frage, ob ein Abfertigungsbeamter, der bei einer durch Dienstanweisung vorgeschriebenen Schlüssigkeitsprüfung einer angemeldeten Tarifposition einen Fehler mache, einen aktiven Irrtum begehe. Sie habe sich auch nicht auf einen Irrtum einer anderen Zollbehörde, sondern auf einen solchen des HZA berufen. Darüber hinaus sei die Ansicht des FG, sie habe Zweifel an der zutreffenden Tarifierung der Lose durch die Einholung einer vZTA klären müssen, nicht mit Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK zu vereinbaren. Eine vZTA wirke hiernach nur in die Zukunft. Es sei daher zu klären, wie ein Einführer Klarheit über zukünftige Änderungen der ErlHS durch die Einholung einer vZTA erhalten könne. Schließlich sei klärungsbedürftig, ob die Beschaffenheitsvermutung nach Art. 71 ZK einer nachträglichen anderweitigen Tarifierung entgegenstehe, wenn die betreffende Ware im Rahmen einer Außenprüfung nicht mehr untersucht werde.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
An dem Erfordernis, dass die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Sache darzulegen ist, hat sich durch die Änderung der FGO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom (BGBl I 2000, 1757), das am in Kraft getreten ist, nichts geändert (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO; vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 51/01, BFH/NV 2001, 1376, und vom VII B 292/01, BFH/NV 2002, 1338).
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache gehört, dass eine konkrete zu klärende Rechtsfrage benannt und auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingegangen wird. Die Beschwerde muss auch ausführen, inwieweit die Rechtsfrage im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig ist (vgl. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2001, 1376, und in BFH/NV 2002, 1338, 1339). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
a) Hinsichtlich der vom FG in seinem Urteil bestätigten Tarifauffassung der Zollverwaltung hat die Klägerin noch nicht einmal ansatzweise dargelegt, aus welchen Gründen eine anderweitige Einreihung der bedruckten Lose in Betracht kommen könnte. Die Klägerin bezeichnet die vom FG vertretene Tarifauffassung lediglich als bedenklich, ohne sich mit der Anm. 11 zu Kap. 48 KN auseinander zu setzen. Hierauf hat das FG seine Entscheidung indessen maßgeblich gestützt. Die Klägerin räumt zudem ein, dass die Ansicht des FG, die spätere Ergänzung der ErlHS zu Pos. 4911 Rz. 15.7 sei lediglich klarstellend, zutreffend erscheine.
b) Darüber hinaus hat die Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift nicht dargelegt, inwieweit die von ihr benannten Rechtsfragen im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig sein sollen. Ihr Vorbringen erschöpft sich vielmehr im Wesentlichen in der Formulierung von Rechtsfragen, die sie selbst für klärungsbedürftig ansieht. Dabei zeigt sie nicht auf, welches Interesse der Allgemeinheit an der Beantwortung dieser Rechtsfragen bestehen soll. Die Klägerin wendet sich der Sache nach gegen die sachliche Richtigkeit der Vorentscheidung, indem sie geltend macht, das FG habe ihre Klagebegründung übergangen. Hiermit wird jedoch lediglich ein individuelles und kein allgemeines Interesse an der Klärung bestimmter Rechtsfragen dargetan (vgl. Bundesfinanzhof —BFH—, Beschlüsse vom II B 29/94, BFH/NV 1995, 125, 126; vom III B 156/96, BFH/NV 1999, 336).
c) Aber auch wenn man über diesen Mangel hinwegsähe, könnte die Beschwerde keinen Erfolg haben. Im Einzelnen:
aa) Die Frage einer entsprechenden Anwendung des Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziff. ii 1. Anstrich ZK wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig. Es ist vielmehr bereits geklärt, dass Art. 220 Abs. 2 ZK den Grundsatz des Vertrauensschutzes bei der Erhebung von Einfuhrabgaben abschließend regelt (vgl. , BFHE 190, 507, 513; vom VII R 72/99, BFHE 192, 390, 397; vom VII R 61/98, BFH/NV 2000, 1508, 1510). Neben der Regelung des Art. 220 Abs. 2 i.V.m. Art. 217 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b ZK ist daher für eine entsprechende Anwendung des Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziff. ii 1. Anstrich ZK kein Raum. Der von der Klägerin zitierte (VSF N 38 96 Nr. 295) ist nicht einschlägig, weil er den hier nicht vorliegenden Fall der Veröffentlichung einer Einreihungsverordnung betrifft.
bb) Soweit die Klägerin sich auf einen aktiven Irrtum eines Abfertigungsbeamten des HZA beruft, ist die von ihr insoweit formulierte Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Da der BFH als Revisionsgericht grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), können Rechtsfragen, die sich nur stellen können, wenn von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 5/00, BFH/NV 2000, 1238, 1239; vom VIII B 30/01, BFH/NV 2002, 191). Den vom FG in seinem Urteil getroffenen und von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass sich ein Abfertigungsbeamter des HZA i.S. von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK geirrt haben könnte. So hat das FG ausgeführt, ein aktiver Irrtum des HZA liege nicht vor. Ein etwaiger Irrtum, der dem Hauptzollamt X bei einer Paralleleinfuhr unterlaufen sei, könne dem HZA nicht zugerechnet werden. Lediglich als Hilfsbegründung hat das FG die Ansicht vertreten, dass ein beachtlicher Irrtum des HZA für die Klägerin jedenfalls erkennbar gewesen sei. Hiermit hat das FG jedoch keine Tatsachen für die Annahme eines Irrtums des HZA festgestellt.
cc) Ferner kann die Rechtsfrage der Erkennbarkeit eines etwaigen Irrtums der Zollbehörden für die Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO haben, weil sie, da schon von der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des BFH geklärt, nicht mehr klärungsbedürftig ist. Denn die Frage, nach welchen Gesichtspunkten zu beurteilen ist, ob ein zollamtlicher Irrtum für den Abgabenschuldner erkennbar war oder nicht (Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK), ist rechtsgrundsätzlich dahin geklärt, dass es insoweit auf eine konkrete Beurteilung aller Umstände des Einzelfalls ankommt, wobei namentlich die Art des Irrtums, die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers zu berücksichtigen sind (vgl. z.B. —Deutsche Fernsprecher—, EuGHE 1990, I-2535, und vom Rs. C-250/91 —Hewlett Packard France—, EuGHE 1993, I-1819, sowie , BFHE 189, 244, 251). Der zollamtliche Irrtum schließt noch nicht dessen Nichterkennbarkeit durch den Beteiligten ein (vgl. EuGH, Urteil in EuGHE 1990, I-2535). Der Beteiligte muss sich über die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften an Hand ihrer Veröffentlichung im ABlEG informieren (vgl. u.a. —Covita—, EuGHE 1998, I-7711) und sich bei Zweifeln an ihrer Auslegung weitestmöglich Aufschluss darüber verschaffen, wie sie zu verstehen sind (vgl. EuGH, Urteil in EuGHE 1993, I-1819 Rdnr. 24). Die Berücksichtigung dieser u.a. in Betracht kommenden Gesichtspunkte im Einzelfall liegt im Bereich der Rechtsanwendung (vgl. u.a. EuGH, Urteile in EuGHE 1990, I-2535 Rdnr. 23, und in EuGHE 1993, I-1819 Rdnr. 22) auf den konkreten Sachverhalt, der regelmäßig grundsätzliche Bedeutung nicht zukommen kann (vgl. BFH, Beschlüsse vom VII B 123/92, BFH/NV 1994, 65; vom VII B 58/93, BFH/NV 1994, 433; vom VII B 299/99, BFH/NV 2000, 1261). Das FG ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein etwaiger Irrtum der Zollbehörden für die Klägerin durch eine Lektüre des ABlEG —hier der Anm. 11 zu Kap. 48 KN— erkennbar gewesen sei. Des Weiteren hat es berücksichtigt, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe, dass Unsicherheiten hinsichtlich der Tarifierung der Lose bestanden hätten. Die Abwägung all dieser Gesichtspunkte gegeneinander ist, weil auf den konkreten Einzelfall bezogen, einer darüber hinausgehenden grundsätzlichen Klärung nicht fähig. Selbst wenn das FG die einzelnen Gesichtspunkte fehlerhaft gewertet haben sollte, wäre daraus die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht herzuleiten, weil sich die gerichtliche Würdigung dieser Gesichtspunkte nur auf den konkreten Einzelfall bezogen hat und ihr somit keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommen kann (vgl. auch BFH, Beschluss in BFH/NV 2000, 1261). Die Frage der zeitlichen Bindungswirkung einer vZTA (Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK) stellt sich in diesem Zusammenhang nicht. Denn das FG hat der Klägerin bei seiner Abwägung ersichtlich lediglich vorgehalten, dass sie es unterlassen habe, vor der Tätigung der Einfuhren eine vZTA einzuholen. Das von der Klägerin zitierte Senatsurteil vom VII R 84/99, BFH/NV 2001, 501, das die (unzulässige) Erteilung von vZTAen betrifft, ist daher hier nicht einschlägig.
dd) Schließlich wäre die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Beschaffenheitsvermutung nach Art. 71 ZK einer nachträglichen anderweitigen Tarifierung entgegenstehen kann, in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Das FG hat die Beschaffenheit der bedruckten Lose bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Bestimmung des Art. 71 ZK betrifft nur die Feststellung der tatsächlichen Beschaffenheit von Waren, z.B. hinsichtlich ihrer Art, Menge und Zusammensetzung für die Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet worden sind (vgl. hierzu das Senatsurteil vom VII R 47/00, BFH/NV 2002, 555, 559). Steht die tatsächliche Beschaffenheit einer Ware —wie hier— fest, so ist deren Einreihung in eine bestimmte Unterpos. der KN eine Rechtsfrage. Hierzu enthält Art. 71 ZK keine Regelungen, weil es dabei um die Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren auf die festgestellte Beschaffenheitsgrundlage geht (vgl. Senatsurteil vom VII R 38/98, BFH/NV 2000, 763, 765). Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Klägerin genannten 298316K 2 (Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 2000, 98). Auch dort ging es im Rahmen der Anwendung des Art. 71 ZK nicht um die Tarifierung, sondern um die tatsächliche Beschaffenheit der angemeldeten Ware (gewürztes oder ungewürztes Putenfleisch).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 214
BFH/NV 2003 S. 214 Nr. 2
SAAAA-68658